Anschlag von Münster:Gegen die Panik

Nach dem Anschlag in Münster verbreiteten sich im Netz schnell Spekulationen und Gerüchte. Gerade in solch emotional aufgeladenen Nachrichtenlagen hilft vor allem eins: Social-Media-Gelassenheit.

Von Dirk von Gehlen

Es ist 17.07 Uhr, als die Polizei in Münster die Bevölkerung um Mithilfe bittet: "Bitte keine Gerüchte und Informationen", twittert der Account @polizei_nrw_ms. "Damit unterstützt ihr uns. Wir informieren Euch hier aktuell."

Ein Transporter ist in der Innenstadt von Münster in eine Menschengruppe gefahren. Mehr ist zu dem Zeitpunkt nicht bekannt. In den öffentlich zugänglichen sozialen Medien wie Twitter und Facebook, aber auch in Chatgruppen bei Diensten wie Whatsapp wachsen da aber bereits Gerüchte und Spekulationen. Politikerinnen nutzen die Aufmerksamkeit, um ihre Weltsicht zu verbreiten, Nutzer streuen Falschmeldungen und Halbwahrheiten. Wie sich eine solch unübersichtliche Lage zu einer Panik steigern kann, konnte man nach dem Amoklauf am Münchner Olympia-Einkaufszentrum sehen (hier die Rekonstruktion der Nacht).

Appell an Besonnenheit und Ruhe

Deshalb ist die Bitte der Polizei in Münster, die sie bis zum Abend noch etliche Male wiederholen wird, weit mehr als nur ein Tweet. Es ist der Appell an Besonnenheit und Ruhe - gerade wegen der hektischen Lage. Menschen neigen in solchen Situationen dazu, ihre emotionale Erschütterung zu teilen, das war auch vor dem Aufkommen von Smartphones so. Mit diesen Geräten kann aus dieser Erschütterung aber schnell ein panikstiftendes Gerücht werden, das sich rasant verbreitet. Deshalb lohnt es sich vor und vor allem in diesen Momenten, kurz durchzuatmen. Der Tweet der Münsteraner Polizei sollte genau daran erinnern.

Nach der Paniknacht von München habe ich gemeinsam mit einigen Kollegen sieben Regeln notiert, die in solch unübersichtlichen Situationen helfen können, Panik zu vermeiden - und Ruhe zu bewahren. Man kann sie unter gegen-die-panik.de nachlesen und mit dem Hashtag #gegendiepanik teilen, um Freunde und Kollegen um Gelassenheit zu bitten.

Diese Regeln lauten:

1. Ich bin mir bewusst, dass eine von mir verbreitete Information gerade bei Freunden als verlässlich wahrgenommen wird. Dieser Verantwortung meinen Freunden gegenüber versuche ich gerade in schwierigen Situationen gerecht zu werden - und poste deshalb nicht unüberlegt.

2. Bevor ich etwas veröffentliche oder an meine Freunde schicke, atme ich dreimal tief durch - und suche mindestens zwei verlässliche Quellen für die Informationen.

3. Ich verbreite keine Gerüchte! Ich halte mich nur an bestätigte Informationen und versuche mich von Spekulationen fernzuhalten. Deshalb halte ich mich an offizielle Stellen, an seriöse Medien und verifizierte Accounts!

4. Ich poste, retweete und verbreite keine Bilder und Filme, deren Herkunft ich nicht kenne. Ich bin mir bewusst, dass derartige Nachrichtenlagen Betrüger anziehen, die mit Absicht Fotomontagen und bewusste Lügen verbreiten. Ich unterstütze dies nicht durch unvorsichtiges Weiterverbreiten.

5. Informationen und Bilder, die im Zusammenhang mit der Tat stehen, übermittle ich der Polizei und mache sie nicht öffentlich. Besonders dann nicht, wenn sie die Menschenwürde der Opfer verletzen und den Tätern nützen.

6. Ich hüte mich davor, sofort Problemlösungen zu verbreiten. Ich kenne den Reflex des "kommentierenden Sofortismus" (Bernhard Poerksen) und folge ihm nicht. Ich verbreite keine einseitigen Schuldzuweisungen und gebe diesen auch durch Retweets und Zitate keine Bühne.

7. Egal, wie schlimm die Situation sein mag, ich werde nicht in Panik verfallen und selber dazu beitragen, dass Angst sich verbreitet. Das ist das zentrale Ziel von Terror: Angst und Hass zu verbreiten. Dem widersetze ich mich! Durch mein eigenes Verhalten trage ich vielmehr dazu bei, Social-Media-Gelassenheit zu verbreiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: