Musikstreaming-Dienste im Vergleich:Seid geladen, Millionen

Streaming-Angebote versprechen den Nutzern reibungslosen Musikgenuss. Doch was können die einzelnen Dienste? Ein kleiner Überblick.

Helmut Martin-Jung

Es war eine Erfindung, die einem ganz anderen Zweck dienen sollte, doch zumindest was die Musikindustrie angeht, hat sie die Welt verändert. Als eine Gruppe von Fraunhofer-Forschern an der Kompression von Audiosignalen arbeitete, ging es eigentlich darum, die Datenmenge digitaler Telefongespräche zu reduzieren.

Vive Latino Festival

Songs von Künstlern wie Fatboy Slim müssen nicht mehr gekauft, sondern können per Streaming angehört werden. Doch was taugen die Angebote?

(Foto: dpa)

Doch bald stellte sich heraus: Mit dem MP3 genannten Verfahren ließ sich auch digital gespeicherte Musik auf ein Zehntel ihrer Dateigröße schrumpfen, ohne dass Durchschnittshörer einen Unterschied wahrnehmen konnten. Weil mit dem Internet auch ein geeigneter Distributionskanal entstanden war, revolutionierte sich die Verbreitung von Musik.

Nachdem Apple-Chef Steve Jobs schließlich den Musikbossen klargemacht hatte, dass es ein Zurück nicht mehr geben würde, ließen die sich nach und nach auf andere Vertriebsmodelle ein. Ein Lied für 99 Cent herzugeben, das war immer noch besser, als gar nichts zu verdienen, wenn es illegal heruntergeladen würde.

Dieser Durchbruch hat auch den Weg frei gemacht für eine neue Welle, die gerade begonnen hat zu rollen: Eine ganze Reihe von Internetdienstleistern versprechen Musikfreunden, sie könnten sich das Herunterladen und den Aufbau digitaler Musiksammlungen gleich ganz sparen und sich die Musik via Internet immer dann holen, wann immer sie sie hören wollen.

Nicht nur Spotify

Streaming lautet der Fachbegriff für diese Art des Musikvertriebs. Die Anbieter horten in riesigen Rechenzentren Millionen von Musikstücken. Will ein Kunde eines davon hören, wird es über das Internet als Datenstrom - daher der englische Name - angeliefert. Nach einer kurzen Pufferungszeit startet das Musikstück, obwohl noch nicht alle Daten geladen sind.

Ist das Stück zu Ende, bleibt auf den Geräten des Kunden nichts zurück. Um den Dienst nutzen zu dürfen, bezahlen die Kunden eine Monatsgebühr, typischerweise um die fünf bis zehn Euro, und haben damit Zugriff auf derzeit bis zu 16 Millionen Musikstücke. Die Streaming-Dienste ihrerseits überweisen den Rechteinhabern oder Verwertungsgesellschaften eine Gebühr pro Song. Ihre Nutzung ist daher legal, im Gegensatz zu Tauschbörsen oder Internetseiten, von denen man urheberrechtlich geschützte Musik kostenfrei herunterladen kann.

Werbejingles verschwinden bei Premium-Kunden

Mit dem Deutschland-Start des 2008 in Schweden gegründeten Streaming-Dienstes Spotify hat das Thema vor kurzem auch hierzulande viel Aufmerksamkeit erhalten - dabei gab es bereits durchaus vergleichbare Angebote. Im Mai 2010 etwa startete in Deutschland Simfy.

Wie Spotify und die meisten anderen Anbieter arbeitet das Kölner Unternehmen mit gestaffelten Tarifen. Bis zu fünf Stunden pro Monat kann man über den Computer kostenlos hören, muss dabei aber Werbe-Jingles über sich ergehen lassen. Wer unbegrenzt und werbefrei hören will, muss 4,99 Euro pro Monat bezahlen. Für 9,99 Euro Monatsgebühr schließlich lässt sich der Dienst auch über mobile Geräte wie etwa Handys oder Tablets nutzen.

Und das wohl beste Argument für einen Premiumzugang: Man darf sich Lieder begrenzt auch herunterladen, um sie offline anzuhören, dann also, wenn gerade keine Internetleitung zur Verfügung steht oder ihre Nutzung zu teuer wäre, zum Beispiel im Ausland. Bei Spotify darf man bis zu 3333 Stücke zur Offline-Nutzung herunterladen - bei einer durchschnittlichen Dauer eines Stücks von vier Minuten sind das mehr als 220 Stunden Musik.

Der Anfang der Streaming-Revolution

Alle Dienste bieten in der ein oder anderen Form an, Abspiellisten anzulegen und zu speichern, es gibt aber auch schon vorgefertigte, wie etwa die weltweiten Top-40-Hits. Da die Stücke in der Datenbank mit bestimmten Parametern gespeichert sind - Genre, Tempo, ähnlich wie Band xy -, kann man die Dienste auch dazu nutzen, Unbekanntes zu entdecken, Bands zum Beispiel, die ähnliche Musik machen wie die, die man schon kennt und die einem gut gefällt.

Gerade im Zusammenhang mit Spotify ist negativ bemerkt worden, dass zur Anmeldung ein Facebook-Konto nötig ist. Dies gilt jedoch auch für den in Frankreich beheimateten Dienst Deezer. Wie sehr es einen stört, dass die eigenen musikalischen Vorlieben den Daten sammelnden Onlinefirmen bekannt werden, muss jeder für sich entscheiden. Mancher mag es ja auch gut und spannend finden, das, was er gerade hört, über Facebook oder andere soziale Netzwerke bekanntzugeben. Die Dienste täten aber wohl gut daran, die Kunden nicht dazu zu zwingen, einem sozialen Netzwerk beizutreten.

Eigentlich müssten die Dienste auch ein Dorado für Freunde klassischer Musik sein. Interpretationen vergleichen, eine legendäre Opern-Aufnahme aus der Monozeit hören, ohne gleich die CD-Kassette kaufen zu müssen - es gäbe vieles, was für die Musik aus dem Netz spricht. Zumal, da auch die Qualität der komprimierten Musikdateien bei den meisten stimmt. Zwar werden sich nur wenige wahre Hi-Fi-Freunde überhaupt auf so etwas einlassen. Wem's auf die Musik ankommt, der sollte aber glücklich werden können.

Potential trotz Kinderkrankheiten

Doch dem ist nicht so. Gibt man etwa bei Spotify einen Komponistennamen ein, erscheinen zwar Aufnahmen von dessen Werken, die Reihenfolge ist jedoch beliebig, bei vielen Einträgen wird nicht einmal der Dirigent angegeben. Die Suche etwa nach Komponistennamen und Interpret liefert wenige bis keine Ergebnisse, obwohl es die Aufnahmen gibt.

Daran ändert auch die Zusatzanwendung Classify wenig, mit der Spotify das wohl erkannte Problem bannen will. Es scheint eher für die klassischen Nebenbei-Hörer gedacht, der dann nach Stimmung oder Genre auswählen kann. Trotz der Kinderkrankheiten zeichnet sich ab, dass Streaming-Dienste es künftig wohl obsolet machen werden, Musik auf physischen Datenträgern zu besitzen. Der Anfang jedenfalls ist gemacht.

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