Musiksoftware Ableton Live:Die Stunde des Jägers

Musiker werden aufhorchen: Mit der Ableton-Erweiterung Max for Live können sie sich künftig selber programmieren, was sie brauchen.

Hans von der Hagen

Musikprogramme und digitale Instrumentensammlungen kommen mittlerweile in einer solchen Zahl auf den Markt, dass man nur noch ächzen kann. Da wird jedes halbwegs prominente Studiogerät aus vergangenen Jahrzehnten für die Rechner nachgebildet, mit digitalen Effekten lässt sich Musik in beliebiger Weise streicheln und kneten.

Musiksoftware Ableton Live: Das Launchpad von Novation soll die neue Ableton-Software ergänzen.

Das Launchpad von Novation soll die neue Ableton-Software ergänzen.

(Foto: Foto: oH)

Programme, die ein komplettes Musikstudio abbilden, übernehmen die Regie und eingespielt wird dann alles an einer simplen Klaviatur. Die Welt taucht in den Computer - in kaum einer anderen Branche lässt sich das so eindrucksvoll nachvollziehen.

Und die Nutzer schätzen diese Flut an Neuerungen - schenkt man den fiebrigen Einträgen in den einschlägigen Internetforen Glauben. Das gilt auch und gerade für Live, die Musiksoftware von Ableton. Die Version 8 ist noch nicht lange auf dem Markt, schon spekulieren die Nutzer über das, was der Nachfolger 9 alles können sollte.

Diesmal ist allerdings etwas dazwischen gekommen: das neue Feature Max for Live (MFL) - ein Programmiertool mit grafischer Benutzeroberfläche. In dieser Entwicklungsumgebung für Ableton Live können Nutzer virtuelle Geräte, Instrumente und Effekte selbst basteln.

Unterstützung für die Generation Preset

Es ist ein erstaunlicher Schritt für Ableton, konsequent und paradox zugleich: Einerseits steht er für das, was das Berliner Unternehmen schon immer konnte - mit guten Ideen die Rolle eines Wegbereiters einzunehmen. Zugleich stellt MFL all das, wofür Ableton steht, auf den Kopf: Das Unternehmen, das Einfachheit, Reduktion und Ästhetik zum Dogma erklärt hat, fordert nun individuelle Umgestaltung ein. Die Nutzer sollen selbst Anwendungen entwickeln - das ist alles andere als einfach.

Die Basis für MFL ist Max, eine Software der US-Firma Cycling 74. Max ist ein digitaler Werkzeugkasten, mit dem sich Multimediaanwendungen, Hardwaresteuerungen aber auch eigene Instrumente und Effekte programmieren lassen. Genutzt wird sie bislang vor allem von jenen, die experimenteller mit Musik und Video umgehen wollen. Zu den Konkurrenten zählt etwa Reaktor von Native Instruments.

Cycling richtet - wie Ableton - den Fokus auf die Livefähigkeit von Max. Insofern hatten beide Unternehmen einen gemeinsamen Nenner, als sie sich vor rund zwei Jahren zusammentaten, um eine Variante für Ableton zu entwickeln. Auch Live hatte einmal als Software begonnen, die dezidiert für den Einsatz auf der Bühne gedacht war.

Was Max for Live kann

MFL kann das, was auch Max kann - es beinhaltet etwa auch die Programmkomponente Jitters für Videoanwendungen. Der Unterschied: Sie lässt sich nicht alleinstehend verwenden, sondern funktioniert nur in der Live-Umgebung. Dafür enthält sie Komponenten im softwareeigenen Werkzeugkasten, die den selbstgestalteten Applikationen ein livetypisches Äußeres gibt.

Musiksoftware Ableton Live: Software Max for Live: Der Nutzer bastelt Instrumente

Software Max for Live: Der Nutzer bastelt Instrumente

(Foto: Screenshot: oH)

In Live selbst erwartet einen MFL an drei Stellen: Als Max Instrument, als Max Midi und als Max Audio Effekt. Damit sich die "Generation Preset" noch einigermaßen zurechtfindet, werden dem Nutzer schon einige fertige Instrumente und Effekte zur Verfügung gestellt. Auch die von Max ausrangierte Pluggo-Technik ist wiederbelebt worden. Nicht alle werden darauf gewartet haben, doch es wird Menschen geben, die das mögen.

Nützlich ist gerade für die ersten Schritte ein einigermaßen üppiger Bausatz an Midi - und Audioeffekten, die in Max for Live vom Nutzer nach belieben erweitert werden können. So funktioniert auch das Programmieren in MFL: Einfache Objekte werden zu immer komplexeren Gebilden verbunden.

Doch das Programm ist nicht selbsterklärend, auch wenn sich Max streckenweise an die iPhone-Optik anlehnt. Wer neu mit MFL arbeiten will, wird sich mit den Tutorien auf der Max-Seite auseinandersetzen müssen. Live selbst bietet im Programm vergleichsweise wenig Unterstützung.

Rückkehr der Haptik

Andererseits haben längst Nutzer eigene Anwendungen auf MFL-Basis präsentiert, auf mehreren Seiten finden sich bereits Video-Tutorien und kommerzielle Anbieter bringen sich in Stellung. In Live tut sich also mit Max schwungvoll eine neue Welt auf.

Noch braucht man einigen Programmierwillen, um sie zu erkunden, doch spätestens wenn komplexere Applikationen erhältlich sind, könnte MFL für einen breiteren Nutzerkreis als Plattformbasis relevant werden.

Nahezu zeitgleich mit MFL kam ein Gerät auf den Markt, das neben der Individualisierung einen weiteren Trend in der Branche deutlich macht: Je stärker die Virtualisierung voranschreitet, desto mehr wünschen sich viele eine gewisse Haptik zurück. Drücken, drehen, schieben, stöpseln - all das geht mit der Maus nicht.

Darum gibt es zunehmend Geräte wie das neue Launchpad von Novation, das - gemeinsam mit Ableton entwickelt - vor allem zur Steuerung von Live dienen soll: Es ist ein quadratisches Stück Kunststoff, auf dem 64 quadratische Gummipads quadratisch angeordnet sind.

Drumherum gruppieren sich weitere 16 Steuerknöpfe. Alle Knöpfe sind mit LEDs unterlegt, daher fällt das Launchpad zunächst vor allem durch seine muntere Illumination auf, die an alte Travoltafilme und schlechte Spielshows erinnert. Doch es kann mehr als man ihm zutrauen will: Das Launchpad birgt auf kleinem Raum ein durchdachtes Konzept - die 64 Knöpfe lassen sich vielseitig verwenden, das Gerät ist handlich und die Bedienung eingängig.

Ideenspender und Hilfsentwickler

Vor allem werden mit den Pads die vielen für Ableton typischen Eigenheiten wie Clips und Szenen angesteuert. Aber auch Parameter wie die Lautstärke lassen sich zumindest in Stufen regeln.

Novation setzt dabei ebenfalls auf Max for Live: Die Nutzer können das Gerät für ihre Zwecke umprogrammieren. Freilich ist nicht immer klar, was mit MFL dabei machbar ist - und was nicht. Daneben liefert Novation selbst erste Applikationen, die das Launchpad über die ursprüngliche Bestimmung hinaus nutzbar machen.

Das Launchpad kostet derzeit knapp 180 Euro (Straßenpreis), Max for Live rund 250 Euro. MFL benötigt zusätzlich Ableton in der neuesten Version 8.1, die von 300 Euro an aufwärts zu haben ist.

Ableton macht mit MFL den Nutzer zum Ideenspender und Hilfsentwickler. Diejenigen, die das nicht sein wollen, können schon mal Vorschläge für Live 9 formulieren. Die aktuelle "große Wunschliste" für die neue Variante im Ableton-Forum umfasst derzeit allerdings nicht weniger als 250 Punkte.

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