Musikdownload:Eine Lücke im System

Internetplattformen bieten Usern neue Wege Musik herunterzuladen - umsonst und ohne Verletzung des Urheberrechts. Ungewollte Hilfe erhalten sie von ihren größten Gegnern: den Plattenfirmen.

H. Hochrinner

Mit Klagen und gezielter Pressearbeit hat es die Musikindustrie geschafft, den Usern den Spaß am illegalen Musiktausch zu verderben. Um trotzdem - ohne Angst vor einer Klage - in den Genuss von kostenloser Musik zu kommen, sind die Internetnutzer recht einfallsreich. Musikdownloads über Internetplattformen wie YouTube heißt die Lücke im System, die mit Hilfe von speziellen Programmen genutzt werden kann. Ungewollt unterstützt die Musikindustrie diese neue Praktik sogar.

Free Studio, youtube

YouTube: Videos zeigen, wie man Musik von der Internetplattform herunterladen kann.

(Foto: Screenshot: YouTube)

Für den Download eines Songs sucht man einfach auf dem Videoportal seiner Wahl nach dem gewünschten Künstler und Titel, kopiert die Adresse des Videos in das Programm und klickt auf Speichern. Nach wenigen Sekunden befindet sich der Titel, konvertiert ins gewünschte Dateiformat, auf der Festplatte. Die Qualität steht dabei den MP3 aus Tauschbörsen oder von Filehostern wie Rapidshare in nichts nach.

Das Ganze hat sogar den Vorteil, dass man sich keine Sorgen machen muss, seinen Computer mit Viren zu beladen, die in Peer-to-Peer-Netzwerken grassieren. Und dank der Plattenindustrie, die bekannte Internetportale zu Marketingzwecken nutzt, gibt es sogar reichlich aktuelle Titel, die ohne Urheberrechtsverletzung ins Netz gestellt wurden.

"Der Nutzer darf seine Augen nicht verschließen"

Solange man Musiktitel für den privaten Gebrauch von solchen offiziellen Quellen beziehe, sei das Herunterladen zulässig, sagt Peter Lutz, Münchener Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Schwierig wird es für den Nutzer allerdings, wenn er unterscheiden soll, welche Titel legal präsentiert werden und welche illegal ins Netz gestellt wurden. Für Lutz besteht in dem Fall kein Unterschied zu Tauschbörsen: "Zwar kann der User von YouTube aufgrund der Nutzungsbedingungen zunächst annehmen, dass nur solche Dateien eingestellt werden, die die Rechte Dritter nicht verletzen, aber der Nutzer darf gleichwohl nicht seine Augen verschließen." Er solle sich die kritische Frage stellen, ob es Anzeichen dafür gebe, dass eine Datei die Rechte Dritter verletze, so Lutz weiter.

Unübersichtlich wird die rechtliche Lage für den Nutzer, wenn man die Nutzungsbedingungen solcher Plattformen betrachtet. Diese verbieten in der Regel das Speichern von Musik oder Videos. YouTube schreibt beispielsweise: "Sie erklären sich damit einverstanden, Zugriff auf Nutzervideos nur in der Form des Streamings [...] und nur in dem Rahmen zu nehmen, der durch die normale Funktionalität der Dienste vorgegeben und erlaubt ist."

Solche Bedingungen bestätigen die Nutzer automatisch, wenn sie die Dienste von YouTube wahrnehmen. "Verstößt ein Nutzer wiederholt gegen unsere Bestimmungen, löschen wir sein Konto und untersagen ihm jede Neuanmeldung unter anderem Nutzernahmen", erklärt YouTube-Sprecher Henning Dorstewitz. Ob diese Konsequenzen auch für den Musikdownload gelten, ist unklar.

Zu den Fragen, ob gegen Nutzer vorgegangen wird, die Musik über das Videoportal laden oder ob YouTube den Unterschied bemerkt, wenn ein Video gespeichert oder lediglich angeschaut wird, wollte er jedoch keine Stellungnahme abgeben. Auch die Frage nach dem Vorgehen des Unternehmens gegen die Anbieter der Download-Tools blieb unbeantwortet.

Allerdings scheinen diese noch nicht von YouTube belangt worden zu sein. Alex Wang, Entwickler des Freeware-Programms Free Studio, habe sich in Bezug auf das Programm bisher noch nicht mit Forderungen von YouTube auseinandersetzten müssen, wie er sagt. "Obwohl YouTube den Download von Videos nicht erlaubt, gibt es viele Softwarehersteller, die diese Programme anbieten. Unter anderem auch recht bekannte wie real.com, nero.com und ashampoo.com", so Wang weiter.

Auf der nächsten Seite: Musikdownloads sind Konkurrenz für YouTube-Werbung.

Eine Lücke im System

Ungewissheit über die Position von YouTube entsteht auch dadurch, dass momentan noch reichlich Videos auf der Plattform zu finden sind, die zeigen, wie man die Musik aus den Videos speichern kann. Denn diese verstoßen auch gegen die YouTube-Nutzungsbedingungen.

Wie beliebt die Download-Helfer sind, zeigt sich an den Zahlen. Free Studio wird täglich 10.000-mal von der Herstellerseite geladen. Im Downloadbereich der Computerseite chip.de liegt es im Monatsvergleich mit knapp 342.500 Downloads auf Platz sechs der Beliebtheitsskala.

Mit Argusaugen

Bei den Plattenfirmen verfolgt man die neuen Downloadmöglichkeiten ganz genau: "Wir beobachten diese Entwicklung mit Argusaugen", sagt Daniel Knöll, Sprecher des Verbandes der Musikindustrie. Dabei wird es den Nutzern durch die Plattenfirmen überhaupt erst möglich, legal an die Musik zu gelangen. "Die Angebote auf Plattformen wie YouTube sind teilweise durchaus legal und für Marketingzwecke gewollt. Beim Herunterladen betritt der User jedoch eine rechtliche Grauzone", sagt Knöll. Definitiv strafbar mache sich ein Nutzer aber erst, wenn die Nutzung über den privaten Gebrauch hinausgehe.

Auch YouTube wird die Entwicklung der Musikdownloads kritisch verfolgen, da sie in Konkurrenz zu geplanten neuen Werbeformen stehen. Erst vergangene Woche wurde im Google-Blog eine neue Vermarktungsstrategie für YouTube vorgestellt. So sollen Nutzer über Links neben den Videos künftig zum Beispiel Musik kaufen können, die sie zuvor in einem Youtube-Video gehört haben. Wenn die kostenlosen Downloads über Download-Helfer die erhofften Gewinne bei YouTube verhindern, ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis wirkungsvolle Kontrollen gegen sie eingesetzt werden.

Bis es soweit ist, können sich die User aber noch über die Lücke im System freuen.

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