Musik im Internet:Strom der Zukunft

Der Musikverleger und Lizenzberater Jürgen Söder über den Kampf um das neueste Absatzmodell der Musikindustrie: On-Demand-Streaming.

Jens-Christian Rabe

Kaum eine Branche hat sich unter dem Druck des Internets so schnell so grundlegend verändern müssen wie die Musikbranche. Und ein Ende der Umwälzungen ist nicht in Sicht. Noch vor dem vielbeschworenen Tod der CD scheint nun der Musikdatei-Download schon wieder überholt zu sein.

Screenshot Spotify

Screenshot des Musikdienstes Spotify: "In einem Jahr wird das Rennen entschieden sein."

(Foto: Screenshot: spotify.com)

Das nächste große Ding heißt "On-Demand-Streaming", also die Möglichkeit, jeden beliebigen Song zu jeder beliebigen Zeit an jedem beliebigen Ort über das Internet abrufen zu können. Der 39-jährige Münchner Jürgen Söder hat als Musikverleger, Künstler-Manager (Kante, Mocky, Seabear) und Vertrags- und Lizenzberater für bekannte deutsche Independent-Labels wie Morr Music oder Disko Bdie Entwicklung begleitet.

SZ: Herr Söder, welcher Streaming-Dienst wird sich durchsetzen?

Jürgen Söder: Es wird im Moment viel darüber geredet, dass Google und Apple bald in das Streaming-Geschäft einsteigen. Aber letztlich sind das bislang alles nur Gerüchte. Die beste Ausgangsposition hat nach wie vor der schwedische Dienst Spotify, den übrigens - auch so ein Gerücht - Google kaufen möchte.

SZ: Wie lange wird es noch dauern, bis das Rennen entschieden ist?

Söder: Ich glaube, dass es innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Sieger geben wird.

SZ: In Deutschland kann man Spotify noch gar nicht nutzen, weil sich das Unternehmen bislang nicht mit der Gema einigen konnte. Sehr beliebt ist dagegen das Internetradio LastFM, das kein freies Streaming-Angebot mehr hat.

Söder: Ja, On-Demand-Streaming gibt es dort nicht mehr. Es dürfte zu teuer geworden sein. Die Radio-Lizenzgebühren sind günstiger. So etwas ist übrigens nicht unüblich für die Branche: Vieles wird einfach gemacht - und dann wird gewartet, welche Rechte verletzt werden. Spätestens wenn, wie bei LastFM der Medienkonzern CBS, ein großer Investor im Boot ist, verstehen Plattenfirmen und Künstler keinen Spaß mehr.

SZ: Hätte es nicht Apple am leichtesten? Sie betreiben den iTunes Store, den größten Musikladen im Netz, und haben in dem iPhone auch noch das Gerät, mit dem man von überall auf einem Streaming-Dienst zugreifen könnte.

Söder: Apple müsste tatsächlich nur den Schalter umlegen. Aber warum sollte der Konzern das wollen? Der iTunes Store läuft sehr gut. Mit einem Streaming-Dienst würde sich Apple im Moment selbst Konkurrenz machen.

Ärger über YouTube

SZ: Ist denn schon klar, wie und wie viel Geld mit einem Streaming-Dienst zu verdienen ist?

Söder: Natürlich noch nicht. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: eine Art Abo-Modell mit Gebühren und Werbe-Clips zwischen den einzelnen Songs.

SZ: Um möglichst viel Musik anbieten zu können, kaufen die Dienste bei den Musiklabels die Rechte an Songs. Sie haben im Auftrag von Morr Music solche Verhandlungen schon geführt. Wie darf man sich das vorstellen?

Söder: Als es zum Beispiel mit dem iTunes Store losging, hat Apple nicht nur die großen Plattenfirmen kontaktiert, sondern per Mail im Grunde auch direkt alle relevanten Independent-Labels und sonstigen Rechteinhaber der Welt. Der Aufwand war riesig.

SZ: Waren die Apple-Mitarbeiter konziliant?

Söder: Ich würde sagen, sie waren zielstrebig. Sie haben die Verträge präsentiert und gesagt, dass es eigentlich nichts zu verhandeln gibt. Auf der anderen Seite war so auch klar, dass alle gleich behandelt werden. Wenigstens alle Indie-Labels. Es ist ja auch nicht so, dass wir über den Tisch gezogen wurden. Es gibt kleine Labels, die längst den größten Teil ihres Umsatzes mit Verkäufen bei iTunes machen. Dass es in den USA bei iTunes einen großen Morr-Music-Fan gibt, der uns günstig platziert, ist großes Glück für uns.

SZ: Ein Song kostet bei iTunes in der Regel 99 Cent. Sind die Anteile am Umsatz fair?

Söder: Ja, mehr Geld als beim iTunes Store gibt es für Künstler und Labels bei keinem anderen Online-Musikladen. Genaue Zahlen darf ich aber leider nicht verraten.

SZ: Sollte sich das On-Demand-Streaming durchsetzen, befürchten viele Künstler und Label-Betreiber, dass sie noch weniger Geld verdienen als im Download-Geschäft. Teilen Sie diese Angst?

Söder: Nicht unbedingt. Es geht bei Streams natürlich nicht um einen knappen Euro, sondern nur um Bruchteile eines Cents. Es wird aber auch keine Kopie verkauft, sondern nur das einmalige Abspielen vergütet. Früher habe ich zehn Euro für eine CD bekommen. Wenn die dann 100 000 Mal angehört wurde, blieb es bei einem Umsatz von zehn Euro. Das wird nun anders werden

SZ: Nach unseren Informationen bekommt man für 120.000 Streams bei Spotify derzeit gerade einmal 100 Euro.

Söder: Noch hat sich das On-Demand-Streaming nicht durchgesetzt. Spotify hat noch keine Einnahmen in Millionenhöhe. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Abgesehen davon, sind selbst 100 Euro immer noch mehr, als man von YouTube bekommt, das ja im Moment die Jukebox der Welt ist, aber etwa in Deutschland derzeit nicht einmal Gema-Gebühren bezahlt.

Interview: Jens-Christian Rabe

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