Süddeutsche Zeitung

Musik-Dienst:Shazam will mit Carlos Slims Millionen zu uns auf die Couch

Tolles Lied, Interpret leider unbekannt? Mit dem Dienst Shazam findet man Musikstücke ganz einfach im Netz. Jetzt steigt der mexikanische Tycoon Carlos Slim mit 40 Millionen Dollar ein. Shazam hat schon neue Pläne - und will künftig Geld verdienen, indem es mit uns Fernsehen schaut.

Von Jakob Schulz

Es wirkt wie ein Problem aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt. In ihrem Song "Liebes Lied" rappte die Hamburger Gruppe Absolute Beginner im Jahr 1998 über einen tollen Song, den man irgendwo aufschnappt - und fast daran verzweifelt, dass weder Titel noch Interpret herauszufinden sind.

"Voll erwischt, du Fisch, zappelst am Haken / Heute Nacht wirst du im Zelt vor'm Plattenladen warten / Dabei ein Radio, falls es noch mal wieder kommt / Spontanes Desinteresse an all den anderen Liedern prompt"

Die Absoluten Beginner sind Geschichte. Und auch Plattenhändler haben heute wohl weniger Kunden, die ihnen auf der Suche nach einem bestimmten Lied eine Melodie vorsummen. Ein Grund dafür dürfte die Erfindung einiger Briten sein. Fünf Jahre nach "Liebes Lied" brachte Shazam 2002 den gleichnamigen Musikerkennungsdienst auf den Markt. Und damit die Möglichkeit, Liedtitel unkompliziert herauszufinden.

Ziel: Shazam-App auf allen América-Móvil-Handys

In seiner frühesten Fassung riefen Nutzer eine Telefonnummer an und spielten die fragliche Melodie vor. Informationen über Sänger und Song kamen postwendend per SMS. Der Durchbruch für Shazam begann mit dem Siegeszug der Smartphones ab 2007. Seitdem können Nutzer per App jede Melodie aufnehmen, Titel und Interpret abrufen und das Musikstück binnen Sekunden auf Marktplätzen wie iTunes kaufen. Shazam wird dabei an den Verkaufserlösen beteiligt.

Dieses Konzept gefällt Angaben des Unternehmens zufolge nicht nur 350 Millionen Nutzern weltweit, sondern auch dem mexikanischen Kommunikationstycoon und Milliardär Carlos Slim. Über seine Telekommunikationsfirma América Móvil - die größte auf dem amerikanischen Kontinent - investiert Slim 40 Millionen Dollar in Shazam und hat zudem eine strategische Partnerschaft der beiden Firmen vereinbart. So könnte die Shazam-App künftig auf allen von América Móvil vertriebenen Handys vorinstalliert werden.

Carlos Slims Name fällt in Europa meist in einem Atemzug mit dem von Bill Gates; und zwar dann, wenn von schwerreichen Menschen die Rede ist. Bloomberg stuft den 73-Jährigen als zweitreichsten Mann der Welt ein. Etwas bekannter ist die jährlich aktualisierte Forbes-Liste, die Slim und seine Familie mit einem Vermögen von etwa 73 Milliarden Dollar auf Platz eins setzt.

Slims Geschichte ist die eines klassischen Oligarchen. Den Großteil seines Reichtums erlangte er Anfang der neunziger Jahre, als er im Zuge massiver Privatisierungen Mexikos ehemals staatlichen Telefonkonzern Telmex kaufte. Dank bester politischer Beziehungen bekam er preiswert den Zuschlag. Das Unternehmen kontrolliert fast alle mexikanischen Festnetz- und die meisten Internet-Anschlüsse. Weil Slim auch im Mobilfunkmarkt stark engagiert ist, gilt er vielen Kritikern als Monopolist. Mexikaner können tun, was sie wollen: telefonieren, im Internet surfen, einkaufen, essen - Slim verdient meistens mit.

Profitieren vom Second Screen

Slims Engagement beim Musikerkennungsdienst Shazam kommt zu einem Zeitpunkt, an dem sich das britische Unternehmen neu orientiert. Statt für seine Nutzer nur Musiktitel zu identifizieren, will Shazam künftig auch verstärkt vor dem Fernseher mit dabei sein. Das Unternehmen hofft, damit vom Trend zum "Second Screen" zu profitieren, von dem Umstand, dass immer mehr Menschen beim Fernsehen zugleich ihr Smartphone oder Tablet nutzen. Binnen 18 Monaten, so hofft Shazam, soll das Geschäft mit TV-Anzeigen für die Firma wichtiger werden als die reine Musikerkennung.

US-Fernsehzuschauer können mit der Shazam-App schon länger Informationen über ihr aktuelles TV-Programm abrufen. Das können Details über die Besetzung der Charaktere sein, Hintergründe zur Sendung oder auch Gossip über die Schauspieler.

Während der Werbepausen ermöglicht es die App, sich über gerade angepriesene Produkte zu informieren, spezielle Angebote freizuschalten oder die Produkte gleich zu kaufen. Große Marken wie Unilever, Procter & Gamble oder American Express haben Shazam bereits in ihre Werbekampagnen eingebunden.

Bislang waren solche Aktionen auf die USA beschränkt. Die Partnerschaft mit América Móvil soll Shazam nun den Weg in den Süden des amerikanischen Doppelkontinents ebnen. Auch in den Rest der Welt will Shazam expandieren. Schon in den kommenden Monaten sollen auch deutsche Nutzer per App Zusatzinformationen über TV-Programm und Werbung abrufen können.

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