MrWissen2Go:"Youtube muss nicht immer lustig sein"

Finale mit Gunter Schoß

Mirko Drotschmann alias "MrWissen2Go" erklärt auf Youtube Politik und Geschichte.

(Foto: obs)

Um auf Youtube erfolgreich zu sein, muss man sich beim Computerspielen filmen oder Schminkvideos drehen? Mirko Drotschmann zeigt mit "MrWissen2Go": Es geht auch anders.

Interview von Caspar von Au

Was ist los in Griechenland? Warum ist Afrika so arm? Und was hat es mit der "BRD-Lüge" auf sich? Unter dem Namen MrWissen2Go greift Mirko Drotschmann auf Youtube aktuelle Themen aus Politik und Geschichte auf und versucht, sie seinen Zuschauern so verständlich wie möglich zu erklären. Den Youtube-Kanal gibt es seit drei Jahren- mit mittlerweile 220 000 Abonnenten.

Drotschmann arbeitete bisher fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen, unter anderem als Reporter für die Kindernachrichten "logo!", und moderiert demnächst die Sendung "MDR Zeitreise". Letzte Woche gab die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) bekannt, dass Drotschmann zusammen mit den Youtubern Florian Mundt (Youtube-Name: LeFloid) und Hatice Schmidt bei einem Projekt gegen islamistische Propaganda mitmache.

SZ: Herr Drotschman, als "MrWissen2Go" erklären Sie Ihren Zuschauern auf Youtube Geschichte und Politik - eher untypische Themen für einen erfolgreichen Youtuber. Und trotzdem haben Sie derzeit mehr als 220 000 Fans. Warum schauen die Ihnen zu?

Mirko Drotschmann: Ich versuche die Leute da abzuholen, wo sie sind. Mit einer Sprache, die ihre eigene ist, ohne mich anzubiedern. Und auch emotional die Leute anzusprechen. Ich hoffe, damit hängt es zusammen.

Wenn man sich andere erfolgreiche Youtube-Kanäle anguckt, die sich mit ernsteren Themen auseinandersetzen, hat man das Gefühl, dass man junge Menschen anscheinend nur mit einer anbiedernden Ansprache erreichen kann.

Mein Ansatz ist es, die Leute ernst zu nehmen. Es muss nicht immer ironisch und lustig sein. Die Leute goutieren das auch, wenn man Wissen auf eine Art vermittelt, die sie verstehen. Junge Menschen wollen ernst genommen werden und dann nehmen sie einem auch ab, was man sagt.

Als was würden Sie sich selbst bezeichnen? Journalist, Moderator oder Youtuber?

Journalist, definitiv. Ich bin ausgebildeter Journalist und arbeite seit zehn Jahren für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Mit Youtube habe ich vor dreieinhalb Jahren nebenbei angefangen, weil ich es spannend fand.

Trotzdem sind sie Teil der großen Youtube-Community, zu der auch Let's Player und Beauty-Bloggerinnen gehören. Was haben sie mit Dagi Bee gemeinsam?

Gemeinsam haben wir alle eine junge Zielgruppe. Im Gegensatz zum Fernsehen ist die Zielgruppe auch weniger heterogen, bei Youtube kann man sich den Zuschauer schon ein bisschen besser vorstellen. Ich glaube, dass wir alle gemeinsam haben, dass wir sehr eigenständig arbeiten. Wir können unsere eigenen Themen veröffentlichen und wir sind unsere eigenen Chefs.

Ende September machen Sie bei einem Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) mit. Im Rahmen des Projektes erklären Sie und andere bekannte Youtuber Jugendlichen den Islam in kurzen Videos. Wie kam es dazu?

Das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen. Ich habe schon einige Videos gemacht, die sich mit dem Thema Islam auseinandersetzen. Auch weil ich merke: Da ist ein sehr großer Bedarf da. Ich bekomme viele Mails, meine Videos zu dem Thema sind am häufigsten geklickten auf meinem Kanal. Vielleicht auch, weil es in der Schule nicht vermittelt wird. Oder weil in den Medien eventuell zu wenig erklärt wird. Auf der anderen Seite soll das Projekt sich auch gegen Radikalisierung durch islamistische Propaganda richten. Klar ist es utopisch, dass wir mit den Videos die Leute erreichen, die nach Syrien gehen wollen, um dort zu kämpfen. Da ist der Zug schon abgefahren. Aber Leute, die unsicher sind und zweifeln, die vielleicht nicht so viel über ihren eigenen Glauben wissen, die können wir erreichen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mit der BPB zusammenarbeiten.

Stimmt. Im vergangen Jahr habe ich für die BPB ein Erklärvideo gemacht, wie der Mauerfall zustande kam. Die BPB ist auch deshalb als Partner für mich sehr gut, weil ich im Gegensatz zu anderen Youtubern keine Produktplatzierungen mache. Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich finde: Das hat in einem journalistischen Umfeld nichts zu suchen. Öffentliche Auftraggeber wie die BPB oder Stiftungen finde ich okay.

Bei dem Projekt zum Islam ist auch Florian Mundt alias LeFloid dabei. Einer der größten deutschen Youtuber mit mehr als 2,7 Millionen Fans, der durch eine Art wöchentliche Nachrichtensendung, "LeNews", auf Youtube bekannt geworden ist. Erst kürzlich durfte er Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewen. Ist LeFloid Journalist?

Er selber sagt ja von sich, er sei kein Journalist. Und wenn er das so sagt: Er wird das am besten wissen. Ich würde aber schon sagen, dass jemand, der über Dinge informiert, Dinge einordnet - wie er es ja quasi macht - im weitesten Sinne Journalismus macht. Auch wenn er es nicht so nennt. Aber ich würde natürlich die journalistische Sorgfaltspflicht auch bei ihm anlegen und den Anspruch muss er sich gefallen lassen. Auf der anderen Seite würde ich nicht die gleichen Ansprüche wie an den Spiegel oder die Süddeutsche Zeitung an ihn stellen, weil er ein Ein-Mann-Team ist. Er hat keine Redaktion und deshalb kann man auch nicht von ihm erwarten, dass er die brillantesten investigativen Dinge ans Licht bringt. Aber stimmen sollte es schon.

Der Grat zwischen Boulevard und Schulbuchtiteln ist schmal

Was bedeutet Journalismus für Sie?

Journalismus bedeutet für mich, Menschen Dinge näher zu bringen und zu erklären. Und den Leuten die Welt so zu vermitteln, dass sie sie auch verstehen und was in ihr geschieht.

Meinen Sie, das kriegen Sie hin?

Ich hoffe es. Das war auch der Anlass, warum ich meinen Youtube-Kanal gestartet habe: Ich möchte gerne jungen Leuten die Dinge erklären, die sie vielleicht in den Nachrichten oder in der Schule nicht verstehen.

Ihre Videos sind nicht so hektisch geschnitten wie die von LeFloid. Und auch inhaltlich nüchterner. Trotzdem haben Ihre Videos aufmerksamkeitsheischende Titel wie "Die Wahrheit über Coca Cola", "Wie Werbung uns manipuliert" oder "Macht unser Schulsystem dumm?" Wie weit darf der Journalismus da gehen?

Das ist eine Gratwanderung. Einerseits ist es mir wichtig, dass mein Video journalistischen Ansprüchen genügt. Andererseits will ich natürlich auch, dass sich die Leute mein Video anschauen, denn ich habe da viel Arbeit reingesteckt. Ich versuche daher immer, den Mittelweg zwischen einem boulevardesken Titel und einem Schulbuch-Titel zu finden. Das Video "Die Wahrheit über Flüchtlinge" habe ich zum Beispiel ganz bewusst so benannt, weil ich wollte, dass es die Leute anklicken, die dahinter etwas ganz anderes vermuten. Ich wollte sie dazu bringen, sich mit den Fakten auseinandersetzen, und sie vielleicht sogar umstimmen.

Hat das geklappt?

Es wäre utopisch zu sagen, dass ich die Leute reihenweise umstimme, aber ich bekomme tatsächlich öfter Reaktionen. Einmal habe ich eine Mail von einer Zuschauerin bekommen, die gesagt hat: Gut, dass du das Video gemacht hast. Jetzt weiß ich endlich, dass das, was meine Eltern mir zu Hause immer erzählen, alles falsch ist. Das hat mich sehr erschreckt. Aber es hat mich darin bestärkt, mehr solcher Videos zu machen.

Obwohl Sie mit Videos auf Youtube relativ erfolgreich sind, sind sie nicht Mitglied in einem Youtube-Netzwerk. Das ist ungewöhnlich. In der Vergangenheit wurden sie bestimmt mehrfach von diversen Netzwerken angefragt. Warum haben Sie Nein gesagt?

Ich wurde tatsächlich von fast allen größeren Netzwerken in Deutschland und auch von ein paar internationalen gefragt. Mitglied eines Youtube-Netzwerks zu sein, hat zwei Vorteile: Kooperationen mit anderen Youtubern und die Vermarktung zum Beispiel über Produktplatzierungen. Beides Dinge, die für mich nicht relevant sind. Ich kenne viele Youtuber, mit denen ich auch ohne Netzwerk immer mal wieder zusammenarbeite. Für mich ist es wichtig, unabhängig zu sein. Bisher gab es einfach nicht das Angebot, das für mich gepasst hat. Und ich kann mir auch schwer vorstellen, wie so ein Angebot aussehen sollte.

Die privaten Sendeanstalten um RTL und Pro Sieben Sat.1 haben das Geschäft mit den Youtubern entdeckt und übernehmen Youtube-Netzwerke oder gründen selbst welche. Können Sie sich vorstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich künftig ebenfalls zu solchen Netzwerken aufschwingen und ihre Zusammenarbeit mit Youtubern ausbauen?

Ja, total. Ich hatte auch vor einiger Zeit mal ein Konzept entworfen, dass ich einigen Chefs bei den Öffentlich-Rechtlichen in die Hand gedrückt habe. Leider hat das nichts bewirkt. Die Idee war ein öffentlich-rechtliches Netzwerk, in dem man zum einen selber Talente aufbaut und auf der anderen Seite mit renommierten Youtubern zusammenarbeitet. Das hat Vorteile für alle drei Seiten. Man befreit die Youtuber aus der Lage, Werbung für andere Firmen machen zu müssen, und zahlt ihnen ein monatliches Festgehalt. Für die Zuschauer ist das gut, weil sie werbefreie Videos und Videos ohne Produktplatzierungen zu sehen bekommen. Und für die Öffentlich-Rechtlichen ist es auch gut, weil sie dadurch die junge Zielgruppe erreichen.

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