5G-Mobilfunktechnik:Revolution der Geschwindigkeit

5G-Mobilfunktechnik: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

  • Forscher und Konzerne in Asien, Europa und den USA liefern sich einen Wettlauf in der Entwicklung der 5G-Technik. Sie soll ein blitzschnelles Internet der Dinge ermöglichen.
  • Von 2020 an soll das neue System aus Handys, Antennen, Software und Kabeln aufgebaut werden. Es gibt noch viele Hindernisse zu überwinden.
  • Manche Hersteller verkünden schon eine Vertausendfachung der Geschwindigkeit des mobilen Netzes.

Report von Jannis Brühl, Duisburg

Haarnetz und weißer Schutzanzug müssen sein, als wäre die Gegenwart eine Seuche, vor der man die Zukunft schützen muss. José Fernandez öffnet den Reinraum, in dem er Mikrochips bastelt für die Zukunft unserer Kommunikation. In dem abgeschotteten Bereich der Uni Duisburg herrscht Überdruck, der Raum ist in gelbes Licht getaucht, das die hochsensiblen Bauteile für Handys und Antennen schont.

Die Chips sind ein zentraler Baustein der 5G-Technik. 5G? 3G, die dritte Generation des Mobilfunks, das ist der UMTS-Standard. 4G wird der noch bessere LTE-Standard genannt, über den sich mehr Daten schneller funken lassen. Schritte in einer Evolution waren das, jetzt geht es um die Revolution, wenn man den 5G-Forschern Glauben schenkt.

Derzeit können nur etwa 200 Teilnehmer, meist Handys, über eine Funkzelle senden und empfangen. Im Falle von 5G sollen es bis zu 10 000 Teilnehmer sein - und das in wesentlich kleineren Zellen. Die könnten dann an jeder Laterne hängen und stabilere Verbindungen liefern als heutige Technik.

Zudem sollen die Netze deutlich schneller werden, Kommunikation soll praktisch komplett ohne Verzögerungen ablaufen. In Zukunft werden nicht nur Menschen mit einem Handy in der Hand kommunizieren, sondern auch Gegenstände: selbstfahrende Autos, kluge Thermostate, Roboter, Herzschrittmacher. 5G soll die Technologie für das Internet der Dinge werden. Auch für vernetzte, mitdenkende Industriehallen. Ohne "Fünf-Gee" keine Industrie "Vierpunktnull". Den geplanten Nutzen für Privatpersonen beschreibt Frank Fitzek, Professor für Kommunikationsnetze und Mitarbeiter des 5G-Lab, in dem 20 Professoren der Technischen Universität Dresden zusammenarbeiten, so: "Wenn Sie Ihrer Liebsten mit der Drohne ein Paket von Düsseldorf nach Hamburg schicken wollen, brauchen Sie ein Netz, über das Sie die Drohne zuverlässig steuern können."

"Es geht nicht darum, dass die Kiddies auf der Straße Facebook nutzen"

Hier gehe es "nicht darum, dass die Kiddies auf der Straße Facebook benutzen", sagt Fitzek. Statt sieben Milliarden Handys müssten bald bis zu 500 Milliarden Geräte miteinander verbunden werden. "Das Internet ist komplett dumm!", sagt Fitzek. Er, seine Mitstreiter und seine Konkurrenten wollen ihm das Denken beibringen.

Unter anderem mithilfe von José Fernandez in Duisburg. Er arbeitet mit den Grundstoffen der Halbleitertechnik: Silizium, Indiumphosphid, kaltem Arsen. Die neuen Chips müssen ein Vielfaches der Leistung bringen, die für die heutigen Netzwerke benötigt wird, immer mehr Transistoren sollen auf einen von ihnen passen. In die Schichten auf seinen Bauteilen ätzt er feinste Strukturen: "Ein Fehler, und alles ist Schrott." Dann lacht er und sagt: "So bald man es böse anguckt, zerbricht es." Im Gang neben dem Reinraum steht einsam eine Dusche. Für den Fall, dass ein Mitarbeiter sich selbst verätzt und sich schnell abwaschen muss.

Von 2020 an soll 5G eingeführt werden und 4G ablösen. Bis dahin dient die Technik erst einmal zum PS-Protzen. Weit von der Serienreife entfernt, verkünden Mobilfunkunternehmen immer neue Geschwindigkeitsrekorde aus Tests. Ericsson: 5 Gigabit pro Sekunde. Dann Samsung: 7,5 Gigabit. Vodafone erklärte, in 15 Jahren werde das Internet tausendmal so schnell sein wie heute. Und Andreas Stöhr, Professor für Optoelektronik in Duisburg, für den Fernandez die Chips bastelt, sagt: "Mit solchen Geschwindigkeiten ließen sich alle bei Youtube gespeicherten Filme binnen 60 Minuten herunterladen."

Grundsätzliche Fragen sind noch nicht geklärt

Allerdings sind einige grundsätzliche Fragen noch nicht geklärt. Einen gemeinsamen Standard zum Beispiel gibt es noch nicht, er muss sich erst herauskristallisieren. In Deutschland und Europa ist aber noch nicht einmal LTE, also der 4G-Standard, überall verbreitet. Und dann müsste es auch genug Kapazität in den Glasfaser-Hauptleitungen geben, um all die Daten schnell genug zu übertragen.

Neben den Datenmengen ist die Verzögerung zentral. Aktuelle Technik überträgt Daten mit Latenzen - also Verzögerungen - von bis zu 25 Millisekunden. Diese Zeit soll auf eine Millisekunde gedrückt werden. Sonst könnte es gefährlich werden, fahrerlose Autos und OP-Roboter müssen schließlich schnell reagieren.

Die große Herausforderung wird sein, 5G als System zu entwickeln. Nur bessere Chips zu bauen, reicht allein bei Weitem nicht aus. Alles muss neu entwickelt werden: Antennen, die Daten empfangen und senden. Auch an ihnen forscht Stöhrs Team. Sie sehen aus wie kleine goldene Schlüssel, mit hieroglyphenartigen Strukturen auf der Oberfläche. Ein ganzer Haufen liegt in einer Art Werkzeugkiste in einem Labor, um von Stöhrs Mitarbeitern getestet zu werden. Auch die Glasfaserkabel müssen gut genug sein, um die vielen Daten schnell übertragen zu können. Und die Politik muss ausreichend Funkfrequenzen freigeben.

Die Technik wird für zwei zentrale Branchen entscheidend: Anlagenbau und Autos

Die Entwicklung von 5G ist ein Wettlauf zwischen Europa, Asien und den USA, sagt Fitzek. Die Botschaft an die Industrie sei: "Wenn wir das jetzt nicht machen, laufen eure Autos in fünf Jahren mit Google-Software." Viele Entwicklungen des Silicon Valley, von der Technik führerloser Autos bis zu Ballons, die Handynetze in entlegene Weltregionen bringen sollen, liefen alle auf das Ziel 5G zu. Die Technik werde aber für zwei zentrale Branchen Deutschlands entscheidend: Anlagenbau und Autos. Den Dresdner Forschungsverbund unterstützen unter anderem Vodafone und Ericsson, Andreas Stöhr in Duisburg arbeitet zum Beispiel mit Hitachi zusammen.

Rundgang durch die Duisburger Labors. Stöhr hebt die Hand: Halt, keinen Schritt weiter. Denn die zentimetergroße Platine, die in einer Halterung steckt und von einer seiner Mitarbeiterinnen untersucht wird, ist sehr teuer. Und nicht jeder darf solche Bauteile haben. Bei hoch entwickelten Technologien achteten die amerikanischen Partner der Duisburger Uni genau darauf, wo sie landeten, sagt Stöhr. "Wenn wir ein chinesisches Unternehmen wären, würden wir an die Dinger nicht rankommen." Der Chef des US-Partnerunternehmens flog eigens über den Atlantik, um sich in Duisburg davon zu überzeugen, dass die Technik nicht in falsche Hände gerät. Im großen Spiel um 5G geht man lieber auf Nummer sicher.

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