Mobile Bezahlsysteme:Das Ende der Geldbörse

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Apple-Chef Tim Cook hat sein mobiles Bezahlsystem im Herbst 2014 vorgestellt, Google baut sein Angebot nun aus. (Foto: Stephen Lam/Reuters)

Tech-Riesen wie Apple, Paypal, Google oder Samsung investieren viel Geld in Bezahlsysteme per Smartphone. Doch was haben die Konzerne davon, wenn ihre Kunden mit dem Handy bezahlen?

Von Helmut Martin-Jung, München

Der Feind ist aus Leder oder aus Stoff, und vor allem ist er prall gefüllt: Mit Plastikkarten, mit metallenen Münzen und mit Geldscheinen. Schon seit vielen Jahren versuchen zahlreiche Unternehmen, die Geldbörse samt Bargeld und Karten abzuschaffen. Doch erst seit große Internet- und Elektronikkonzerne wie Apple, Paypal, Google oder Samsung massiv in dieses Geschäft investieren, kommt Bewegung in den Markt. Das Ziel: Zahlungen - Kleinbeträge ebenso wie größere Summen - sollen künftig mit mobilen Geräten wie Smartphones oder auch Computeruhren abgewickelt werden. Das Nachsehen könnten die Mobilfunkanbieter haben und vor allem die Banken.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte Apple sein mobiles Bezahlsystem vorgestellt. Nun hat Google seine Bemühungen ebenfalls verstärkt: Durch eine Kooperation mit Softcard, dem mobilen Bezahldienst der großen amerikanischen Mobilfunk-Betreiber, will der Internetkonzern sein eigenes Bezahlsystem namens Google Wallet ausbauen. Und auch der südkoreanische Samsung-Konzern will nicht außen vor bleiben und versucht, mit dem Kauf des Bezahlanbieters LoopPay am Ball zu bleiben. Außerdem soll das neue Galaxy-Handy einen besseren Fingerabdruck-Sensor erhalten.

Mit Kreditkartenkonten verknüpft

Für den Kunden soll das Bezahlen per Smartphone vor allem Bequemlichkeit und mehr Sicherheit bringen. Auf allen Handys mit Google-System, die US-Mobilfunkanbieter an ihre Kunden geben, wird demnächst die virtuelle Google-Geldbörse schon vorinstalliert sein - ebenso wie Apple das auf seinen Handys macht. Verknüpft sind die Programme mit den Kreditkartenkonten der Nutzer.

Funktechnologie NFC
:Handy-Chip trifft Kreditkarten-Lesegerät

Apple Pay und Google Wallet arbeiten mit der Funktechnologie NFC. Damit können Daten zwischen elektronischen Geräten ausgetauscht werden - und der Kunde kann an der Kasse bezahlen, ohne seine Kreditkarte zu zücken.

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Die haben sie in der Regel ohnehin schon angegeben, wenn sie in den digitalen Ladengeschäften von Google oder Apple etwas gekauft haben, Apps etwa, Musikstücke oder elektronische Bücher. Um etwas zu bezahlen, reicht es auf einem Apple-Smartphone, das Handy an eine Bezahlstation zu halten und den angezeigten Betrag dann mit einem Tipp auf den eingebauten Fingerabdruck-Sensor zu bestätigen.

In den USA nehmen solche Bezahlmöglichkeiten allmählich Fahrt auf. Bei der Kaffeekette Starbucks etwa haben sich Handy-Bezahlvorgänge seit Anfang 2013 immerhin auf mehr als sechs Millionen pro Woche verdreifacht. Für Apple Pay, das seit Oktober vergangenen Jahres am Start ist, gibt es in den USA bereits mehrere hunderttausend Bezahlstationen.

Doch was haben die Konzerne davon, wenn ihre Kunden mit dem Handy bezahlen? Von den Provisionen, die dabei anfallen, werden sie nicht reich. Es sind zwei andere Faktoren, die sie dazu bringen, Milliarden in dieses Geschäft zu investieren. Erstens: Ein Kunde, der seinen Latte Macchiato mit dem iPhone bezahlt, der seine digitale Quittung in einer iPhone-App erhält, wird den Vorgang eher mit Apple in Verbindung bringen als mit der Bank, die im Hintergrund noch immer die eigentliche Zahlungsdienstleistung erledigt.

Die Banken wären letztlich nichts mehr als ein Dienstleister, von dem kaum einer mehr Notiz nimmt. Ähnlich könnte es den Mobilfunkbetreibern ergehen, deren Bemühungen mit Bezahlsystemen bisher allesamt ohne Breitenwirkung blieben. Die Internetkonzerne dagegen könnten ihre Funktion als Bezahldienstleister dazu nutzen, noch weitere Bankgeschäfte an sich zu ziehen.

Zweitens: Die Internetkonzerne leben vor allem von den Daten ihrer Kunden. Die mehr oder weniger unausgesprochene Vereinbarung lautet: Gib mir deine Daten und ich sage dir kostenlos, wie du von A nach B kommst oder welcher Flug der billigste ist. Das funktioniert derzeit vor allem im Internethandel, nicht aber, wenn Kunden etwas in einem Ladengeschäft einkaufen. Würden sich das Bezahlen mit dem Handy flächendeckend durchsetzen, hätten die Datensammel-Konzerne auch Zugriff auf die Daten von Kaufvorgängen im stationären Handel. Motto: Kunden, die dies gekauft haben, interessierten sich auch für jenes.

Sicherheitsbedenken

Die Furcht vor noch mehr digitalen Spuren, aber auch Bedenken wegen der Sicherheit von Mobile-Payment-Lösungen, werden den Erfolg in Deutschland stark behindern. Noch immer werden mehr als die Hälfte aller Waren (54 Prozent) im deutschen Einzelhandel bar bezahlt. Die Bargeldtransporter der Bundesbank müssen pro Jahr 1,3 Millionen Kilometer abspulen, um das Bargeld dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird. Wenn die Kunden eine Karte benutzen, dann ist es meist eine EC-Karte, aber keine Kreditkarte. Und Experten wissen: Zahlungsgewohnheiten ändern sich nur langsam. In anderen Ländern sieht man die Sache anders, in Schweden etwa kann man sogar Obdachlosen ihre Zeitung per Kreditkarte abkaufen.

Die erste bargeldlose Gesellschaft aber wird aller Voraussicht nach nicht in Nordeuropa oder in den USA entstehen, sondern - in Afrika. Da es in vielen Ländern des Kontinents kein funktionierendes Bankenwesen mit Geldautomaten oder richtigen Filialen gibt, bleibt den Menschen nur das digitale Bezahlen per Handy.

© SZ vom 25.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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