MMS:Die gute, alte SMS hat ausgedient

Dank neuer Standards wie MMS kommen die Kurzmitteilungen bunt und geräuschvoll daher.

Jens Uehlecke

(SZ vom 6.3.2002) - Zwei Milliarden Handy-Kurzmitteilungen verschicken die Deutschen - Monat für Monat. Und das, obwohl die SMS so gar nicht mehr ins Hightech-Zeitalter passt. 160 Zeichen Text - mehr haben die Handy-Telegramme standardmäßig nicht zu bieten. Das soll nicht so bleiben: Dank der neuen Multimedia-Standards EMS und MMS kommen die Handy-Kurzmitteilungen bunt und geräuschvoll daher.

MMS: Mit MMS lassen sich Text, Bild, Foto, Animation und Sprache kombinieren.

Mit MMS lassen sich Text, Bild, Foto, Animation und Sprache kombinieren.

(Foto: Foto: Telefonaktiebolaget L M Ericsson)

Nokia hat es schon vor Jahren vorgemacht und spendierte seiner Modellreihe einen erweiterten SMS-Dienst, das "Smart Messaging": Die 160-Zeichen-Grenze wurde gesprengt, das Versenden von Visitenkarten, Klingeltönen, Logos und grob gepixelten schwarz-weiß Bildchen möglich - wenn auch nur von einem zum anderen Nokia-Handy. "Smart Messaging" wurde zum Kassenschlager.

Viel zu spät hat die Konkurrenz erkannt, dass Nokias "Smart Messaging" ihnen vor allem junge Kunden wegschnappt - in dieser Zielgruppe ist der aufgepeppte SMS-Dienst am populärsten. Jetzt wollen Alcatel, Sony Ericsson, Siemens und Motorola aufholen: Sie statten ihre aktuellen Mobiltelefon-Reihen mit dem neuen EMS-Standard (Enhanced Messaging System) aus, mit dem farbige Bilder, Melodien und sogar kleine Animationen via Kurzmitteilung übertragen werden können. Der Clou: Eine eigene Netz-Infrastruktur benötigt EMS nicht, es nutzt die alte SMS-Hardware.

Nur aus Verlegenheit

Nokia boykottiert als einziger großer Hersteller die junge EMS-Allianz. "Wir haben allein im letzten Jahr 128 Millionen Geräte mit Smart Messaging verkauft", sagt Michael Heidemann, Produktmanager bei Nokia. "Unsere Kunden jetzt mit einem neuen, inkompatiblen Standard zu verwirren, wäre unsinnig." Außerdem denke der Marktprimus schon einen Schritt weiter. Er will im zweiten Quartal mit dem "Nokia 7650" das erste Handy mit dem "Multimedia MessagingSystem" (MMS) auf den Markt bringen, das vom Standardisierungs-Gremium 3GPP und vom WAP-Forum als Norm abgesegnet wurde.

Weil alle großen Hersteller in diesen Gremien vertreten sind, werde MMS "sowieso zum Mitteilungsstandard der dritten Mobilfunkgeneration", meint Heidemann. Er ermöglicht das Übertragen von Grafiken in Fotoqualität, Melodien, Animationen und bei künftigen Modellen sogar von Video-Streams in Echtzeit. Mit einer eingebauten Digitalkamera und Farbdisplay zeigt das "Nokia 7650" gleich, was mit MMS möglich ist - etwa das Verschicken von Urlaubs-Schnappschüssen in Sekundenschnelle.

Das klingt zwar viel versprechend, die ersten Käufer des "Nokia 7650" werden aber wohl trotzdem enttäuscht sein. Denn damit MMS funktioniert, müssen erst noch die Mobilfunk-Gesellschaften ihre Netze fit dafür machen. Und das wird dauern: T-Mobil und Viag Interkom etwa wollen erst Ende des Jahres so weit sein. Vodafone peilt immerhin schon den Sommer an.

Trotzdem scheint Nokias Strategie plausibel. Der EMS-Standard der Konkurrenz scheint mit heißer Nadel gestrickt zu sein. So sind EMS-Handys untereinander nicht kompatibel. Weiterer Haken: Weil eine EMS- Kurzmitteilung aus bis zu 255 SMS bestehen kann, rechnet der Netzbetreiber auch so viele SMS ab - macht summa summarum bis zu 50 Euro.

Beide Probleme sind bei MMS besser gelöst: Erstens scheint es so, als wollten die Anbieter nur noch einheitliche Preise pro Mitteilung verlangen - egal wie viele Daten übertragen werden. Genaue Preise stehen aber noch nicht fest. Zweitens beinhaltet der MMS-Standard bereits eine Lösung für den Fall, dass der Empfänger kein passendes Handy besitzt: Sobald ein Telegramm versandt wird, wird es in einem MMS-Center , einer Art digitalem Postamt im Mobilfunk-Netz, verarbeitet. Dort werden zwei Kurzmitteilungen generiert: Die erste erhalten Empfänger mit einem MMS-Handy. Darin wird das Telefon aufgefordert, die auf dem Server wartende Nachricht über eine GPRS-, HSCSD- oder später auch UMTS-Datenverbindung herunterzuladen. Die zweite wird Adressaten ohne kompatibles Handy zugestellt. Sie informiert den Empfänger, dass er sich eine MMS-Nachricht von der Webseite seines Netzbetreibers abrufen kann.

"Das ist allerdings nur eine Verlegenheitslösung", gesteht Heidemann. "Der Erfolg von MMS steht und fällt damit, dass jeder ein MMS-Handy hat." Das könnte aber schon bald der Fall sein: Weil sie mit Sicherheit nicht noch einmal den Anschluss verpassen wollen, werden auch andere Hersteller bald eigene MMS-Produkte ankündigen.

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