Mitarbeiter-Blogs:Monologe auf allen Kanälen

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Sinnvolle Information oder belastende Überfülle? Unternehmen testen Blogs für Mitarbeiter.

Barbara Sommerhoff

"Das Kind lernt laufen - rennen kann es noch nicht", sagt Uwe Knaus. Sein hoffnungsvoller Sprössling hört auf den Namen Blog, ist auf der Internetseite des Autobauers Daimler zu finden, und Knaus ist sozusagen sein Vater. Was ihn besonders stolz macht: Der Daimler-Blog ist der erste und derzeit einzige Blog, auf dem Mitarbeiter eines großen deutschen Unternehmens für die breite Öffentlichkeit schreiben. Ziel: Einblicke in den Arbeitsalltag des Konzerns zu vermitteln.

Unter Blog.daimler.de bloggen die Mitarbeiter des Autobauers Daimler. (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Die Themen des Blogs sind so vielfältig wie die Berufe der Autoren. Schichtarbeiter Mario Jung beispielsweise berichtet von den gesundheitlichen Auswirkungen seiner Arbeitszeit. Kollege Marco Slama aus der Instandhaltung im Werk Untertürkheim schildert, wie eine Bremsbackenschweißmaschine auf Reisen geht. Und der Student Sebastian Zitzler lässt die Leser an seinem Arbeitsalltag als Werkstudent bei Daimler teilhaben.

Es sind also nicht nur die Profis aus der Kommunikationsabteilung, die als Autoren auftreten, sondern potentiell alle Mitarbeiter, die Spaß daran haben, sich zu ihrem Arbeitsplatz, der Firma, zu Kollegen oder ihrer Ausbildung zu äußern. Und jeder - interne wie externe - Leser des Blogs, der sich anmeldet und eine gültige E-Mail-Adresse hinterlässt, kann kommentieren, also seine Meinung zum Gelesenen abgeben. Und dabei Interesse entwickeln an dem Automobilbauer. "Wer bei uns mal gelesen hat, wie hier ein Assessment Center abläuft, ist dann vielleicht ein bisschen weniger aufgeregt, wenn er selbst dazu eingeladen wird", hofft Knaus - Berufsanfänger, Umsteiger oder potentielle Azubis - auch sie gehören zur Zielgruppe der Unternehmens-Blogger.

Weil vor allem junge Leute über die konventionellen Kanäle immer weniger erreicht werden, habe man das Internet ergänzend hinzugenommen, erklärt Knaus. "Es gibt definitiv Leute, die überhaupt kein Fernsehen mehr schauen." Eine schaurige Vorstellung für alle PR- und Werbefachleute alter Schule. Und Grund genug, zu neuen Ufern der Vermittlung von Unternehmensbotschaften aufzubrechen.

Doch ob hierfür das Bloggen tatsächlich der Königsweg sein wird, ist noch nicht ausgemacht. Denn die Betreuung ist personalintensiv, die Qualität der Beiträge schwer zu steuern. Vor allem: Die Auswirkungen der freien - unzensierten - Meinungsäußerung von und über ein Unternehmen und seine Mitarbeiter ist kaum abzuschätzen. "Beim Bloggen handelt es sich ja um eine authentische Stimme. Das ist keine einseitige Kommunikation, sondern eine mit Rückkanal", sagt Sandra Beissel, Referentin Interne und Online Kommunikation beim Energiekonzern RWE. Damit verantwortlich umzugehen, müsse man lernen. "Im Moment sind wir noch sehr vorsichtig."

Ein Blog für die breite Öffentlichkeit ist bei RWE deshalb vorläufig nicht geplant.Ein interner Blog für Mitarbeiter und Geschäftsleitung sei da schon eher denkbar. Aber auch hier müsse man genau prüfen, ob überhaupt Bedarf und Bereitschaft seitens der Mitarbeiter bestehe, diesen Kanal zu nutzen. "Wir haben bereits viele Möglichkeiten, uns digital mit Kollegen und Vorgesetzten auszutauschen", sagt Beissel. Ein weiteres Medium könne auch zu einer Belastung für die Mitarbeiter werden, gibt sie zu bedenken. Und eines sei klar: "Wenn keiner Lust hat zu schreiben und zu antworten, ist so ein Blog ganz schnell tot."

Das sieht ihr Kollege Martin Beckmann vom Elektronik-Konzern Sharp ähnlich. Das Unternehmen hat gerade eine dreimonatige Testphase für einen Blog zwischen dem Geschäftsführer und einer Gruppe von Mitarbeitern abgeschlossen. Grundgedanke dabei: Dem Geschäftsführer Frank Bolten eine Möglichkeit zu geben, sich direkt mit seinen Mitarbeitern auseinanderzusetzen, auch wenn er nicht immer präsent sein kann. "Unser Chef ist extrem kommunikativ, checkt seine E-Mails Tag und Nacht. Da passt das Bloggen ganz einfach", sagt Beckmann.

Aber passt es auch den Mitarbeitern? Interessieren sie die Blog-Beiträge ihres Chefs? Und finden sie den richtigen Ton, darauf zu antworten? "Im Blog geht es deutlich salopper zu als bei E-Mails oder gar Briefen", so Beckmann. Der Test verlief zwar positiv, doch seine Skepsis ist damit nicht völlig beseitigt. "Auch wenn der Blog nur im Intranet läuft, muss man immer einkalkulieren, dass auch etwas nach außen dringt."

Eine Vorab-Zensur der Beiträge kommt dennoch nicht infrage. Darin sind sich alle Befragten einig. Das sei ja nicht der Sinn der Sache, so Uwe Knaus von Daimler. Und seit dem Start des Blogs im Oktober sei es auch nur einmal nötig gewesen, dass er als Moderator habe eingreifen müssen. Da waren sich zwei Mitarbeiter wegen der deutschen Grammatik in die Haare geraten. "Das war völlig am Thema vorbei. Also habe ich die Beiträge gelöscht - was die Streithähne akzeptiert haben", sagt Knaus.

Auch Daimler verfolgt die ersten Schritte seines noch jungen Blogs aufmerksam. Von den 167000 Mitarbeitern in Deutschland liefern bislang 16 regelmäßig Beiträge, Tendenz steigend. Auch die Leserschaft lässt Treue erkennen. "Wir merken bereits, dass es Leser gibt, die bestimmten Autoren folgen", stellt Knaus fest. Das Laufen klappt also schon. Doch bis zur Marathonreife ist es noch ein gutes Stück.

© SZ vom 19.01.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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