Süddeutsche Zeitung

Misshandlung oder erlaubt?:Facebook verstört mit "Baby Yoga"-Video

  • Ein mutmaßlich indonesisches Video zeigt eine Frau, die ein nacktes Baby misshandelt.
  • Facebook hält das Video für "bestürzend und beunruhigend", will es aber nicht entfernen.
  • Kinderschützer fordern die britische Regierung zum Eingreifen auf.
  • Facebooks Umgang mit Zensur hat in der Vergangenheit schon öfter für Kontroversen gesorgt.

Von Simon Hurtz

Facebook: "bestürzend", aber kein Regelverstoß

Es ist ein verstörendes Video, das gerade auf Facebook die Runde macht: Eine Frau hält ein nacktes Neugeborenes an den Armen, wirbelt es durch die Luft und taucht es immer wieder in einen Bottich mit Wasser. Die Haut des Babys ist knallrot, es schreit und weint, die Frau macht trotzdem weiter. Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei.

Der kurze Clip stammt vermutlich aus Indonesien. Die Szenen seien "bestürzend und beunruhigend", so Facebook. Das Video zeige "Baby Yoga" - entfernen will man es nicht. "Nach sorgfältiger Prüfung sind wir zum Schluss gekommen, dass es nicht gegen unsere Regeln verstößt", teilte eine Sprecherin dem britischen Mirror mit. Immerhin blendet Facebook vor dem Abspielen mittlerweile eine Warnung ein und verhindert damit, dass der Clip automatisch startet, wie es sonst bei Videos im Newsfeed üblich ist.

Kinderschützer drängen die Regierung zum Handeln

Eine Reaktion, die vielen nicht weit genug geht: Als "fürchterlich und herzlos" empfindet die britische Kinderschutzorganisation NSPCC die öffentliche Darstellung der Behandlung. Da Facebook sich weigere, das Video zu löschen, soll jetzt die Politik helfen: Die BBC berichtet, dass sich der Chef der Organisation mit einem Brief an den Kultur- und die Internetministerin gewandt hat und die britische Regierung dazu auffordert, "sicherzustellen, dass britische Staatsbürger, darunter Millionen Kinder, nicht mehr länger diesen schrecklichen Inhalten ausgesetzt" würden.

Nach Ansicht der NSPCC sind soziale Netzwerke verantwortlich für die Inhalte, die auf ihren Seiten geteilt würden, und müssten mehr Wert auf den Schutz von Kindern legen. Facebook beruft sich in solchen Fällen häufig darauf, nur eine Plattform zu Verfügung zu stellen und nicht alle der Milliarden Fotos und Videos prüfen zu können, die jeden Tag von den Nutzern hochgeladen werden.

Alle Inhalte sind gleich - aber manche sind gleicher

Das scheint aber nicht für alle Inhalte gleichermaßen zu gelten: In der Vergangenheit entfernte Facebook etwa Mohammed-Karikaturen auf Druck der türkischen Regierung, verbannte tibetische Freiheitskämpfer, um es sich nicht mit China zu verscherzen, bevormundete russische Oppositionelle, zensierte auf seinem Netzwerk Instagram Bilder von nackten Brüsten und auf der eigenen Plattform ein Cover des Studenten-Magazins Zeit Campus, löschte (angeblich versehentlich) einen kirchenkritischen Eintrag des Moderators Domian und sperrte den Account des Kunstkritikers Jerry Saltz, nachdem dieser spätmittelalterliche Gemälde mit Folterszenarien hochgeladen hatte.

Erst im März hat Facebook seine Gemeinschaftsrichtlinien aktualisiert und seinen Nutzern mehr Möglichkeiten gegeben, anstößige, gewalttätige oder strafrechtlich relevante Inhalte zu melden. So sei die explizite Darstellung sexueller Handlungen verboten und werde entfernt, wohingegen Fotos von stillenden Müttern auf Facebook geteilt werden dürfen. Das britische Family Online Safety Institute lobte die neuen, ausführlicher erklärten Regeln, wies aber schon damals darauf hin, dass Facebook immer noch nicht genug tue, um Kinder vor bedenklichen Videos zu schützen.

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