Missbrauch von Kontodaten:Sammeln Sie Herzen?

Bankdaten von 17.000 Bürgern sind in unbefugte Hände geraten - was der Debatte um Datenschutz neuen Zündstoff gibt. In der digitalen Gesellschaft schützt der Datenschutz nicht die Täter, sondern er schützt vor Tätern.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Der Datenschutz hatte viele Jahre lang einen schlechten Ruf in Deutschland. Das Datenschutzrecht galt, zumal bei Politikern der inneren Sicherheit, als unanständiges Recht für unanständige Menschen. Der Datenschutz wurde als Täterschutz beschimpft; er stand, angeblich, der Sicherheit und dem Fortschritt im Wege. Wenn irgendwo etwas nicht funktionierte, dann war der Datenschutz schuld. Er war eine ebenso bequeme wie schlechte Ausrede für mangelnden Service der Behörden, Fahndungspannen der Polizei und Bürokratismus in Staat und Wirtschaft. Datenschützer galten als sonderbare Zeitgenossen, und über den Datenschutz wurde geredet, als handele es sich um eine Geschlechtskrankheit des EDV- und Internetzeitalters.

Missbrauch von Kontodaten: Anonymisierte Originaldaten auf einem Monitor des unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Kiel. In Deutschland bahnt sich ein Skandal um die unerlaubte Weitergabe von Bankdaten Tausender Verbraucher an.

Anonymisierte Originaldaten auf einem Monitor des unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Kiel. In Deutschland bahnt sich ein Skandal um die unerlaubte Weitergabe von Bankdaten Tausender Verbraucher an.

(Foto: Foto: dpa)

Das hat sich geändert. Aldi, Telekom & Co - eine ganze Serie von Skandalen in Deutschland (und schier unglaubliche Meldungen aus Italien und Großbritannien über Datenschlampereien größten Ausmaßes) haben den Spöttern den Spott ausgetrieben. Solche Skandale haben gelehrt: Der Datenschutz schützt nicht abstrakte Daten, sondern konkrete Bürger. Und seitdem Bankkunden fürchten müssen, dass ihre Konten per Internet geplündert werden, weiß jeder potentiell Geschädigte, was Datenschutz ist: Vorbeugung gegen Missbrauch.

Datenschutz ist nicht Täterschutz, sondern Schutz vor Tätern, die mit Daten Schindluder treiben. Die CD mit Kontonummern und sonstigen sensiblen Daten von 17.000 Bürgerinnen und Bürgern, die jüngst auftauchte und zu Vermögensstraftaten genutzt wurde, ist ein Indiz dafür, dass der Datenschutz heute nicht zu viel, sondern zu wenig schützt. Der heutige Datenschutz konzentriert sich sehr auf den Bereich Staat und Bürger. Im Bereich der Wirtschaft ist der Datenschutz viel schwächer ausgebildet, dort sind die Vorschriften und Kontrollmechanismen besonders dürftig. Das einschlägige Datenschutzgesetz ist 31 Jahre alt, und schon dieses Alter zeigt, dass es kaum noch einschlägig ist. Der Datenschutz hinkt den neuen Technologien nicht mehr nur hinterher, er hat sie schon fast aus dem Blick verloren.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bedeutung des Datenschutzes einmal so erklärt: Die Kenntnis dessen, was mit den eigenen Daten geschieht, sei die Grundlage der Möglichkeit, sich an der Entwicklung der Gesellschaft zu beteiligen. Der Datenschutz ist also Persönlichkeitsschutz, er ist Schutz der informationellen Selbstbestimmung, er ist Schutz der Menschen in der digitalen Welt - er ist das Grundrecht der Informationsgesellschaft. Wenn das so ist und weil das so ist, müssen die Bedingungen der Datennutzung und Datenverarbeitung immer wieder neu bestimmt werden.

Sammeln Sie Herzen? Jeder, der im Supermarkt einkauft, kennt diese Frage; der Kunde tauscht seine Daten gegen Happy Digits. Mit der Antwort auf die Herzchenfrage aber beginnt schon der Datenschutz. Der beste Datenschutz ist nämlich Datensparsamkeit.

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