Microsofts Chefdesigner im Gespräch:Die geheimen Wünsche der Smartphone-Nutzer

Allen Zierrat weglassen: Ein Interview mit Albert Shum, Microsofts Chefdesigner für die Software mobiler Geräte.

Helmut Martin-Jung

Lockere Kleidung, die Haare lang und strubbelig - ganz so flippig wie Albert Shum aussieht, Microsofts Chefdesigner für die Software mobiler Geräte, ist das Handybetriebssystem Windows Phone7 nicht geworden. Künftig wird es die Smartphones von Nokia antreiben und damit den Kampf mit Apple und Google mit neuer Energie versehen. Wir sprachen mit Shum über den Wandel bei Mobilgeräten, über Design und Bedienkonzepte.

auto 14.02.11

Albert Shum, Microsofts Chefdesigner für die Software mobiler Geräte

(Foto: Microsoft GmbH)

SZ: Sie hatten Gelegenheit, ein Betriebssystem für Mobilgeräte von Grund auf neu zu entwickeln...

Shum: ...was wir uns gar nicht unbedingt gewünscht hatten. Andererseits hatten wir dadurch nicht bloß viel Freiheit, sondern auch die Möglichkeit, auf den tiefgreifenden Wandel zu reagieren, der sich gerade vollzieht.

SZ: Sie meinen den Siegeszug der Smartphones, die mobile Revolution?

Shum: Ja. Was ein Telefon ist, das hat sich doch in den letzten fünf Jahren völlig verändert. Das Telefonieren ist zur Nebensache geworden.

SZ: Was waren die Leitgedanken bei der Entwicklung von Windows Phone 7?

Shum: Die Reise begann so: Wir haben uns Menschen vorgestellt, die ein Handy benutzen, wir haben ihnen sogar Namen und eine Lebensgeschichte gegeben. Anna und Miles sind beide berufstätig, haben einen Sohn und versuchen ihr Leben zu organisieren, auch mit der Hilfe ihrer Smartphones.

SZ: Hätten Sie nicht einfach Menschen fragen können?

Shum: Wenn man die Leute fragt, was sie wollen, erfährt man nie, was sie eigentlich wollen, ihre geheimen Wünsche.

SZ: Und was wünschen sich Handynutzer wirklich?

Shum: Das Interessanteste und Wichtigste im Leben sind doch die Menschen um uns herum. Wir haben also vor allem Wert darauf gelegt, die verschiedenen Wege, auf denen wir mit diesen Menschen kommunizieren, miteinander zu verknüpfen.

SZ: Was heißt das konkret?

Shum: Anna und Miles haben ein berufliches und ein privates Leben - wir haben uns gefragt, wie man das zusammenbringen kann. Ich sehe ihre SMS genauso wie ihre Einträge bei Facebook. Ich kann ein Bild, das sie dort reingestellt hat, kommentieren - und das alles, ohne dass ich ein anderes Programm aufrufen muss. Alles greift nahtlos ineinander.

SZ: Handys, besonders die heutigen Smartphones, gelten als das persönlichste Gerät, das wir besitzen. Wohin wird diese Entwicklung gehen?

Shum: Ich denke, es geht darum, die Kontakte zu Menschen noch wichtiger zu nehmen. Wie kommuniziert man nicht bloß mit einem Menschen, sondern mit mehreren Menschen gleichzeitig? Ein Bild, sollen das alle sehen können oder nur wenige? Wie wird aus meiner Reise nach München eine Geschichte? Das alles haben wir uns bei einem Projekt namens Kin gefragt.

SZ: ...das Telefon für soziale Netzwerke, das schon nach zwei Monaten wieder eingestellt wurde...

Shum: Stimmt, aber da steckten viele gute Ideen drin. Es geht darum, das, was wir erleben, für unsere Freunde zum Leben zu erwecken. Wenn die mal nach München kommen, können sie zum Beispiel sehen, wo ich überall gewesen bin.

SZ: Woran forschen Sie noch?

Shum: Wir glauben, dass die Bedienung elektronischer Geräte noch natürlicher funktionieren wird. Alle reden von "Minority Report"...

SZ: ... Steven Spielbergs Science-Fiction-Film...

Shum:...und der Art und Weise, wie darin Computer bedient werden. Nehmen Sie unsere Kinect-Erweiterung für die Xbox: Damit kann man schon heute die Spielekonsole mit der bloßen Hand steuern wie in dem Film. Wie erkennt man Sprache oder Gesten oder sogar eine konkrete Person? Und dann nimmt man diese Information und erschafft einen neuen Zusammenhang, mit dem man interagieren kann.

"Allen Zierrat weglassen"

SZ: Ein wichtiges Stichwort dabei ist auch "Erweiterte Realität".

Shum: Ja, es bedeutet, die Wirklichkeit mit weiteren Ebenen an zusätzlicher Information zu überlagern. So erfährt man mehr über die Welt um einen herum. Viele Firmen arbeiten im Moment daran, und es werden neue Technologien entstehen, die das nutzen.

SZ: Das hört sich nach einem großen Durcheinander an, an Ihrem Design sticht aber gerade die Klarheit hervor.

Shum: Als Designer darf man zum einen nicht im Wege stehen. Darum sind wir zurückgegangen auf den Kern, haben allen Zierrat weggelassen. Das Design ähnelt mehr einem gut gemachten Buch. Zum anderen wollten wir ganz bewusst weg von den vielen statischen Icons auf dem Bildschirm und haben ein Konzept gewählt, bei dem die Inhalte quasi zum Leben erwachen.

SZ: Denken Sie auch über andere Eingabemöglichkeiten nach außer über Berührungsbildschirme?

Shum: Ein Problem bei Mobilgeräten ist ja der kleine Bildschirm. In unserer Forschungsabteilung überlegen wir, wie wir diese Beschränkung aushebeln können, wie wir sozusagen den Rahmen sprengen können.

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