Microsoft:Zurück zum Kunden

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Der weltweit größte Softwarekonzern Microsoft besinnt sich nach dürren Jahren und den ersten Entlassungen der Firmengeschichte auf seine Wurzeln: den Nutzer

Helmut Martin-Jung

Endlich mal etwas wirklich Neues von Microsoft: Wann immer einer der 500 Millionen Nutzer von Word, Excel oder eines anderen Programms aus dem Office-Paket unter einem Fehler leidet, muss es nun der verantwortliche Programmierer büßen. "We share your pain" (WSYP) heißt die Initiative, bei der es zu folgenden Sanktionen kommen kann: Zwei im Bürostuhl eingebaute Nadeln stechen ins Hinterteil, über die Armlehnen werden Stromstöße ausgeteilt.

Microsoft: Supertanker auf dem Weg ins Netz (Foto: Foto: dpa)

Das WSYP-Video, das der für die Windows-Produktfamilie verantwortliche Steven Sinofsky vor etwa 3000 Programmierern auf Microsofts Professional Developers Conference (PDC) in Los Angeles zeigte, war natürlich nur ein Scherz.

Doch einer mit wahrem Kern. Nach dürren Jahren, nach den ersten Entlassungen der Firmengeschichte, besinnt sich der weltweit größte Softwarekonzern wieder auf seine Kunden. Windows 7, das unter Sinofskys Leitung entwickelt wurde und seit Ende Oktober verkauft wird, hat nahezu ausschließlich positive Resonanz bekommen - vor allem, weil man ernst nahm, was sich die Nutzer wünschten.

Supertanker auf neuem Kurs

Auf anderem Gebiet dagegen war dem Konzern weniger Erfolg beschieden: beim Internet. Cloud computing heißt der neue Trend, bei dem Rechenzentren sowohl als nahezu beliebig ausbaubarer Speicher für Daten sowie als leistungsfähige Rechenanlage genutzt werden. Verbunden sind Arbeitsplatzrechner und die "cloud", die Computerwolke im Rechenzentrum, über das Internet. Ray Ozzie, einer der beiden Nachfolger für den aus dem Tagesgeschäft ausgeschiedenen Microsoft-Gründer Bill Gates, hat den Supertanker auf neuen Kurs gebracht, als er 2005 das Ruder übernahm.

"Den Kern seiner Forderungen haben wir heute erfüllt", sagt Jamin Spitzer, der bei Microsoft für die strategische Ausrichtung von Softwareplattformen wie Windows und anderen Programmen verantwortlich ist. Bei der PDC 2008 stand zwar Windows 7 im Mittelpunkt, das damals zum ersten mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Aus strategischer Sicht wichtiger war indes die Ankündigung, Microsoft werde künftig weit mehr als bisher dafür sorgen, dass seine Produkte nicht bloß auf Einzelplatzrechnern und in Firmennetzen laufen, sondern die Fähigkeiten des Internets nutzen, zum Beispiel, damit Mitarbeiter über das Internet zusammen an einer Excel-Tabelle oder einer Word-Datei arbeiten können.

Der Konzern hat aufgeholt, hat in den USA, in Asien sowie in der EU (Dublin und Amsterdam) Rechenzentren aufgebaut. Mit Azure gibt es nun ein Betriebssystem für Cloud computing, das zum Beispiel regelt, wie viele Rechner in einem Datenzentrum für einen Dienst zur Verfügung stehen, und deren Zahl anpasst, wenn der Bedarf sich ändert. Von Januar 2010 an wird der Dienst nebst Anbindung an Microsoft-Rechenzentren allgemein zur Verfügung stehen, von Februar an wird er kostenpflichtig. Um ein Gigabyte Daten zu speichern, werden dann 15 US-Cent pro Monat fällig.

Office jetzt auch online

Auch die neue Version von Office - eine Testversion von Office 2010 steht zum Herunterladen bereit - bohrte der Konzern in Richtung Internet auf. Programme wie Word und Powerpoint werden 2010 auch vom Browser aus genutzt werden können. So lässt sich von jedem Computer mit Internetzugang eine Präsentation durchklicken und verfeinern, die andere vorbereitet haben.

Das funktioniert auch mit Browsern anderer Hersteller. "Wenn man so etwas macht, muss man eben auch auf die Marktanteile schauen", sagt Janice Kapner, eine hochrangige Microsoft-Managerin, die für Office zuständig ist. Sogar am Handy lassen sich künftig Office-Dateien ansehen, verändern aber nur auf Geräten, die mit Microsofts Windows Mobile oder mit Nokias Symbian-Betriebssystem laufen.

Microsoft also ein Supertanker auf dem Weg ins Internet? "Wir werden nicht zu einer reinen Cloud-Firma", sagt Stratege Jamin Spitzer, " die Zukunft ist hybrid." Von allen Anbietern, gibt er sich wie sein Chef Ray Ozzie überzeugt, sei allein Microsoft in der Lage, beides zu stemmen: leistungsfähige Programme für Arbeitsplatzrechner und Laptops anzubieten, die sich gleichzeitig immer mehr über das Internet nutzen lassen. Eine ziemlich deutliche Kampfansage an Konkurrenten wie Google, die mit online gespeicherten Programmen auch auf Firmenkunden schielen.

Nicht ohne Erfolg: Ausgerechnet die gastgebende Stadt Los Angeles hat vor Kurzem beschlossen, die Mailzugänge ihrer 30.000 Mitarbeiter künftig von Google verwalten zu lassen. Der Suchmaschinenkonzern arbeitet sogar an einem eigenen, internetbasierten Betriebssystem, das aber zumindest nach derzeitigen Stand keine Konkurrenz für Windows ist.

© SZ vom 04.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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