Microsoft-Patent:Kein Platz für dicke Gamer

Microsoft könnte Xbox-Spielern künftig einen Gesundheitstest abverlangen. Doch ein Patent würde der Konsole noch viel intimere Einblicke erlauben - bis hin zur Bewertung des Geisteszustands.

Johannes Kuhn

Für viele Beobachter ist es auch eine Folge der Videospielkultur: Weil es ihnen an Bewegung mangelt, sind etwa 17 Prozent aller amerikanischen Kinder US-Statistiken zufolge übergewichtig. Nachdem Konsolen wie die Wii von Nintendo diesem Trend bereits mit eigenen Fitness-Spielen entgegen wirken, zieht nun auch Microsoft mit seiner Xbox 360 nach. Die Methode, die das Unternehmen dabei anwendet, dürfte allerdings für Diskussionen sorgen.

Microsoft-Patent: Am Ende ist der Mensch auch in der virtuellen Welt real

Am Ende ist der Mensch auch in der virtuellen Welt real

(Foto: Foto: AFP)

"Avatar individualized by Physical Characteristic" nennt sich das Patent, das Microsoft in den USA angemeldet hat. Darin ist eine Methode beschrieben, mit der Spieler ihre Gesundheitsdaten aus dem realen Leben mit der virtuellen Spielewelt verbinden.

Auf den ersten Blick ist dies nur ein konsequenter Ausbau der individualisierten Spielfigur, die Microsoft mit "Xbox Live Avatars" eingeführt hat: Dort können Nutzer eine Figur erschaffen, die ihre körperlichen Eigenschaften hat - zum Beispiel, indem sie ein Foto von sich hochladen, aus dessen Gesichtsmerkmalen die Konsole dann ein virtuelles Abbild konstruiert.

Nur wer sportlich ist, darf spielen

Derzeit arbeitet Microsoft auch an einer Kamera, die es ermöglich soll, die Xbox mittels Gesten zu bedienen - und den Körper des Spielers zu scannen, um die Spielfigur nach Wunsch dessen realen physiognomischen Merkmalen anzupassen.

Doch das nun beantragte Patent geht viel weiter: So könnten demnach bestimmte Level einiger Spiele nur für die Spieler freigeschaltet werden, die gewissen Gesundheitskriterien entsprechen. Übersetzt: Wer dick ist, erhält nur einen begrenzten Zugang zur Microsoft-Spielewelt. "Daten, die den Gesundheitszustand einer realen Person zeigen, können mit den Fähigkeiten einer Spielfigur, der erlaubten Spielzeit oder mit einem sichtbaren Merkmal verbunden werden", heißt es im Antrag, "So werden die Menschen dazu ermuntert, sich sportlich zu betätigen." Xbox-Spieler sollen also in der realen Welt Sport treiben, um in der virtuellen Welt voranzukommen.

Macht Microsoft die Xbox zum sozialen Netzwerk?

Um den Gesundheitszustand festzustellen, könnte Microsoft dem Patentantrag zufolge auf die elektronischen Gesundheitsakten eines Spielers zugreifen. Das Unternehmen selbst ist ebenso wie Google inzwischen in diesem Bereich sehr aktiv und ermöglicht es Nutzern auf der Plattform "HealthVault", ihre kompletten Gesundheitsdaten online zu verwalten.

Datenschützer sehen Gesundheitsinformationen in den Händen privater Unternehmen schon länger kritisch. Sie dürften alles andere als begeistert davon sein, dass Microsoft solch sensible Daten nun auch noch für den Zugang zu Videospiel-Levels verwendet. Als Alternative, so ist im Patentantrag vermerkt, könnten deshalb beispielsweise Sensoren den Blutdruck eines Spielers messen und daraus seinen Fitnessgrad bestimmen.

Die Art und Weise, wie diese Daten interpretiert werden, geht jedoch weit über einen einfachen Gesundheitstest hinaus. Sie könnten, so heißt es, Aufschluss über "Stimmung, Aufmerksamkeit, Interesse und Aufrichtigkeit" eines Xbox-Nutzers geben, indem sie beispielsweise die Hautspannung, Atemfrequenz und Puls messen.

Wenn diese Ergebnisse dann in angezeigte Parameter wie einen Balken für den Grad an Ehrlichkeit, aber auch in die Haltung und Mimik einer Spielfigur einfließen, würde dies der Vision der virtuellen Realität deutlich näher kommen, als dies beispielsweise in der 3-D-Welt Second Life der Fall ist.

Neues Geschäftsfeld oder Strategie gegen Klagen?

Damit würde sich für Microsoft ein völlig neues Geschäftsfeld erschließen: Die Xbox-Spielergemeinde könnte zu einem eigenen sozialen Netzwerk in einer virtuellen Welt werden, der virtuelle Charakter der Teilnehmer würde im Idealfall der realen Person weitestgehend entsprechen.

Für Menschen, die keinem Schönheitsideal entsprechen, würde dies allerdings wiederum zur Ausgrenzung führen: Zeigen sie ihr reales Abbild, sind sie den gleichen Vorurteilen wie in der echten Welt ausgesetzt, verstecken sie sich hinter einer Idealfigur, werden sie in der virtuellen Welt keine Glaubwürdigkeit mehr besitzen.

Ob Microsofts Xbox-Strategie tatsächlich in diese Richtung geht, bleibt abzuwarten: Das Patent könnte auch schlicht der Versuch sein, sich gegenüber möglichen Klagen in den USA abzusichern - beispielsweise, wenn Eltern auf die Idee kommen sollten, von Microsoft Schadensersatz für die Fettleibigkeit ihres Kindes zu verlangen oder wenn unsportlichere Zeitgenossen beim Spielen vor der Xbox zusammenbrechen.

Dennoch zeigen die im Patent angedeuteten Ideen, dass die Zeit der Virtualität auch im Videospielbereich bald vorbei sein dürfte: Reale Menschen halten Einzug in die Welt der Konsolen - mit all ihren Stärken und Schwächen.

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