Microsoft kauft Nokias Handysparte:Was der Mega-Deal bedeutet

Microsoft kauft die kränkelnde Handy-Sparte für 5,44 Milliarden Euro von Nokia. Was erhoffen sich die Unternehmen von dem Mega-Deal und was bedeutet er für die Kunden und Mitarbeiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Larissa Holzki und Mirjam Hauck

Was soll der Kauf Microsoft bringen?

Microsoft gibt insgesamt 5,44 Milliarden Dollar aus, um das Kern-Geschäft des Handy-Konzerns Nokia zu kaufen. Das ist viel Geld für eine Firma, die schon lange nicht mehr mit den beiden großen Playern Samsung und Apple auf dem Mobilfunkmarkt mithalten kann. Der Marktanteil von Nokias Lumia-Modellen bei den lukrativen Smartphones liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich. In einem gemeinsamen Brief, der mit "Stephen and Steve" unterzeichnet ist, heißt es, mit dem Zusammengehen der beiden Unternehmen werde man das volle Potenzial des Windows-Ökosystems entfalten können. Es werde neue Telefone und Dienste geben, "die das Beste von Microsoft und das Beste von Nokia vereinen".

Dem Wall-Street-Journal-Blog All Things Digital sagte der scheidende Microsoft-Chef Steve Ballmer, dass, so eng die 2011 vereinbarte Zusammenarbeit mit Nokia bislang auch war, es doch rechtliche und logistische Grenzen gab. Die Beweglichkeit der Geschäftsbereiche könne durchaus noch verbessert werden. Und trotz der strategischen Partnerschaft habe jede Firma ihre eigene Markenstrategie aufgebaut. Das habe zu Unschärfe und Geldverschwendung geführt. Zudem vereinfache der Kauf die Unternehmensentscheidungen wie viel Geld man in welche Entwicklungen investieren werde.

Auch ist bekannt, dass Microsoft mit jedem verkauften Nokia Windows Phone zehn Dollar erlöst, Nokia hingegen 40 Dollar. Nach dem Kauf der Nokia-Hardware wird mehr Geld bei Microsoft hängen bleiben. Der Windows-Konzern wird nun Software und Geräte aus einer Hand anbieten können - wie der größte Rivale Apple. Microsoft hatte bereits einen ersten Schritt in diese Richtung mit dem eigenen Tablet Surface gemacht, das sich jedoch schlechter als erwartet verkaufte.

Christian P. Illek, Vorsitzender der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, sagte, dass die geplante Übernahme der konsequente Schritt in der Entwicklung hin zu einem Unternehmen sei, dass neben Software auch Hardware und Services anbiete.

Zudem gibt es auch einen weiteren attraktiven finanziellen Aspekt, da Microsoft für den Kauf des finnischen Unternehmens Geld verwenden kann, das bereits im Ausland liegt. Das spart Steuern im Inland, den USA.

Solche Großeinkäufe bergen zwar einige Gefahren, schließlich müssen tausende neue Mitarbeiter erfolgreich integriert werden. Experten des Marktforschungsunternehmens Gartner halten den Microsoft-Deal insgesamt für vielversprechend. Auf dem dynamischen Smartphone-Markt könnte es dem Unternehmen nun gelingen, schneller zu agieren.

In einer Präsentation nennt Microsoft aktuell noch einmal, hübsch verpackt, einige Kauf-Argumente.

Was hat Nokia vom Verkauf seines Kerngeschäfts?

Mit dem Deal wird sich der Umsatz auf einen Schlag in etwa halbieren, allerdings war das Smartphonegeschäft schon lange nicht mehr ertragreich. Im vergangenen Quartal sicherten die 7,4 Millionen verkauften Lumia-Smartphones Nokia nicht einmal einen Platz unter den fünf größten Herstellern. Nur dank der starken Position bei günstigen Handys, die vor allem in Schwellenländern verkauft werden, ist Nokia noch der zweitgrößte Hersteller von Mobiltelefonen nach Samsung.

Der finnische Konzern will sich künftig vor allem auf das Netzwerk-Geschäft und die Entwicklung seiner Kartendienste unter der Marke Here fokussieren. Auch stehen Ausbau und Entwicklung des LTE-Netzes auf der Agenda. Der Konzern hatte jüngst den ursprünglich gemeinsam mit Siemens betriebenen Netzwerkausrüster NSN komplett übernommen. Übergangweise wird nun Aufsichtsratschef Risto Siilasmaa das Unternehmen führen. Die Entscheidung sei "für Nokia und seine Anteilseigner der beste Weg in die Zukunft", hieß es. Dem Blog All Things Digital sagte Siilasmaa, man sei glücklich, dass man die Geschäftsbereiche mit der stärkeren Bilanz behalte.

Die Nokia Aktien schnellten um knapp 50 Prozent nach oben auf 4,40 Euro. So viel haben die Titel noch nie binnen eines Tages gewonnen. Die Analysten der Deutschen Bank kassierten ihre Verkaufsempfehlung und stuften die Titel hoch auf "halten". Die Handysparte von Nokia habe in den vergangenen 18 Monaten pro Quartal rund 600 Millionen Euro verbrannt. Für die finnische Gesellschaft sei dieser Deal nun sehr vorteilhaft, sagte das US-Analysehaus Bernstein: "Nokia halst Microsoft sein Problemkind auf."

Was sich für Kunden ändert

Was ändert der Deal für die Kunden?

Erst mal nicht viel. Bereits seit 2011 kooperieren Nokia und Microsoft eng miteinander. Für das neue Smartphone Lumia 1020 hatte der Konzern wiederholt auf das Microsoft-Betriebssystem Windows Phone 8 gesetzt. Das eigene Betriebssystem Symbian wurde eingestellt. Künftig kommen Software und Gerät aus einer Hand. Ob die Neuheiten Segen oder Unheil werden, darüber diskutieren nun die Nokia-Nutzer.

Wird es künftig noch Windows-Phone-Smartphones von anderen Herstellern geben?

Die offizielle Linie lautet, dass Microsoft beim eigenen mobilen Betriebssystem weiter mit anderen Partnern zusammenarbeiten will. So sagte Terry Myerson, bei Microsoft zuständig für das Betriebssystem, im offiziellen Windows-Blog, dass der Kauf von Nokia allen Partnern und externen Herstellern helfen werde. Das heißt, es wird also weiter Windows-Phone-Geräte außerhalb des neuen Microsoft-Kosmos' geben. Zweifelhaft ist allerdings, ob die Handvoll anderer Hersteller sich über den Kauf freuen werden, schließlich erwächst damit ein neuer direkter Konkurrent. Eine Sprecherin des taiwanesischen Herstellers HTC sagte dem US-Blog The Verge, dass man die Situation gerade bewerte und daher nicht kommentieren werde.

Was bedeutet die Übernahme für die Mitarbeiter?

Etwa 32.000 Mitarbeiter sollen zu Microsoft wechseln, über 50.000 bleiben bei Nokia. Wie viele Angestellte in Deutschland betroffen sein werden, ist noch nicht bekannt. Auf eine Anfrage von Süddeutsche.de reagierte das Unternehmen bisher nicht. Da der finnische Konzern sich künftig auf das Netzwerk-Geschäft und die Entwicklung seiner Kartendienste konzentrieren will, sieht es für einen Großteil der deutschen Angestellten aber wohl nicht schlecht aus. Am Standort Berlin wird an der Kartensoftware gearbeitet.

Der Vorsitzende der finnischen Gewerkschaft Pro, Antti Rinn, begrüßte die Microsoft-Übernahme. Solch ein Deal sei notwendig, um den Abwärtstrend bei den Marktanteilen zu stoppen. 1500 Nokia-Mitarbeiter, vor allem aus dem Bereich Forschung und Entwicklung, sind in seiner Gewerkschaft organisiert. Er erwarte, dass die meisten von ihnen ihre Jobs behalten würden.

Wird Stephen Elop neuer Microsoft-Chef?

Steve Ballmer hatte Ende August nach über 13 Jahren an der Microsoft-Spitze seinen Rückzug binnen zwölf Monaten angekündigt. Das Unternehmen hatte zunächst keinen Nachfolger benannt. Elop, der aus Kanada stammt und dessen Familie in Seattle lebt, gilt unter Branchenbeobachtern als einer der möglichen Kandidaten. Zunächst einmal wird er jetzt aber vom Konzernchef zum Microsoft-Manager bestellt, zuständig für die Geräte-Sparte.

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