Microsoft kauft Minecraft-Entwickler Mojang:Bauklötze für 2,5 Milliarden Dollar

Microsoft kauft Minecraft-Entwickler Mojang: Grafik wie aus den frühen Neunzigern - und trotzdem zahlt Microsoft 2,5 Milliarden Dollar für die Minecraft-Entwickler von Mojang.

Grafik wie aus den frühen Neunzigern - und trotzdem zahlt Microsoft 2,5 Milliarden Dollar für die Minecraft-Entwickler von Mojang.

(Foto: Mojang/PR)

Der unbestechliche "Notch" lässt sich kaufen. Microsoft sichert sich den schwedischen Spieleentwickler Mojang, und damit das Kultspiel Minecraft. Aber ist es überhaupt möglich, die freiheitsliebenden Minecraft-Fans in Microsoft-Kunden zu verwandeln?

Von Matthias Huber

Ein graumelierter Hintergrund, der vage an eine Hauswand erinnert. Darauf ein Youtube-Video, darüber eine Handvoll Menüpunkte, in weißer schnörkelloser Schrift. Darunter Hinweise auf Facebook, Twitter, Tumblr, am rechten Rand ein Kauf-Knopf: 19,95 Euro kostet das Spiel "Minecraft", wenn man es von der offiziellen Webseite herunterladen will. All das sieht aus, als wäre es in einer halben Stunde lieblos aus einem Homepage-Baukasten zusammengeklickt worden. Kaum zu glauben, dass die Firma hinter dieser Webseite zweieinhalb Milliarden Dollar wert sein soll.

Aber Microsoft stört das offenbar nicht. "Ja, wir werden von Microsoft gekauft", verkündete das schwedische Entwicklerstudio Mojang am Montag im firmeneigenen Blog. Aber was macht die kleine unabhängige Spieleprogrammierer-Bude so wertvoll, dass Microsoft bereit ist, einen derartig hohen Kaufpreis zu bezahlen?

Die Antwort: Minecraft. 2009 veröffentlichte der Hobby-Programmierer Markus Persson - in sozialen Netzwerken wie Twitter hauptsächlich unter dem Pseudonym "Notch" bekannt - das Bauklötze-Spiel. Der Spieler bewegt seine Figur durch eine riesige Welt, die komplett aus hüfthohen Würfeln aufgebaut ist. Jeder dieser Würfel kann mit einer Spitzhacke oder Schaufel zu verschiedenen Baumaterialien verarbeitet werden, mit denen der Spieler dann selbst kreativ werden kann: von der einfachen Holzhütte bis hin zu ganzen Städten oder einem originalgetreuen Nachbau von Schloss Neuschwanstein. Vorgegebene Spielziele gibt es nicht.

Bauklotz-Nachttischlampen und Spitzhacken aus Schaumstoff

Seit 2009 ist Minecraft ständig erweitert worden, um neue Baumaterialien und neue Spielelemente. Nur die Grafik sieht immer noch aus wie aus den frühen neunziger Jahren. Minecraft ist dennoch zum Kult-Spiel geworden: Mehr als 55 Millionen Mal wurde das Spiel verkauft, mehr als 100 Millionen Menschen haben Tunnel gegraben und Klötzchen-Häuser gebaut.

Auf Youtube gibt es Hunderttausende Videos von Leuten, die ihre Kreationen stolz der Öffentlichkeit zeigen wollen, auf der Computerspiel-Streaming-Plattform Twitch, die kürzlich von Amazon gekauft wurde, gibt es ein paar hundert Minecraft-Livestreams. Fans kaufen sich Fan-Artikel wie Bauklotz-Nachttischlampen oder Pixel-Spitzhacken aus Schaumstoff. Vergangenes Jahr machte Mojang so insgesamt mehr als 100 Millionen Dollar Gewinn.

Lassen sich Minecraft-Fans in Microsoft-Kunden verwandeln?

Erfinder Notch hat mittlerweile die Firma Mojang gegründet und etwa 40 Mitarbeiter um sich geschart. Die Spieler-Community aber ist der eigentliche Wert, auf den es Microsoft abgesehen haben dürfte.

Hunderttausende Fans machen mit ihren Videos, Bildern, virtuellen Bauprojekten und den zugehörigen Anleitungen ständig kostenlos Werbung im Internet, sorgen dafür, dass Minecraft längst ein Selbstläufer ist. Ein Selbstläufer, den Microsoft, das endlich wieder Kunden in sein eigenes Ökosystem ziehen will, dringend brauchen kann.

Das sogenannte Microsoft-Konto ist ein plattformübergreifender Zugang, mit dem sich bislang etwa 250 Millionen Kunden für ihre Xbox-Spiele anmelden, den Microsoft-eigenen Cloud-Speicherdienst Onedrive verwenden oder ihren Hotmail-Posteingang abrufen. Wird es bald nötig sein, ein Microsoft-Konto zu erstellen, um Minecraft zu starten? Und lassen sich die Minecraft-Fans überhaupt zu Microsoft-Kunden konvertieren?

Microsoft muss sehr behutsam vorgehen. Denn einer der Gründe, warum das Spiel so beliebt ist, ist die unendliche Freiheit, die Mojang seinen Kunden einräumt. Man kann nicht nur im Spiel machen, was man will - beispielsweise jahrelang jeden Tag in dieselbe Richtung laufen, ohne an die Grenzen der Spielwelt zu stoßen. Sondern auch mit dem Spiel. Es gibt eine riesige Szene von Hobby-Programmierern, die das Spiel mit sogenannten Mods - selbstgeschriebenen Spielinhalten - ständig erweitern, umbauen, am Leben erhalten. Und von Mojang dabei nach Kräften unterstützt werden.

Radikal liberale Spiel-Idee

Zu diesem Freiheitsgefühl gehört auch der Mythos des unabhängigen Spieleentwicklers als unverkäuflicher Künstler. Gründer Notch wettert nicht selten in seinen Tweets gegen Großkonzerne wie Microsoft und betont hemdsärmelig seine Unabhängigkeit. Er ist kein genialer Programmierer, aber die Fans lieben ihn für seine anarchistische Schnauze und seine zur Schau gestellte Integrität.

Der ästhetische Stil von Minecraft mit den groben Texturen, den riesigen Pixelblöcken und der kantigen Blockschrift mag mittlerweile das Markenzeichen des Weltenbau-Simulators sein. Er begann aber als pragmatische Notwendigkeit für eine radikal liberale Spielidee.

Und die Sache mit der Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit? Als Notch im Dezember 2012 die ganzen Anfragen der großen Tech-Firmen zu bunt wurden, die ihn dafür gewinnen wollten, mit seiner Independent-Ausstrahlung für ihre Produkte zu werben, schrieb er auf Twitter: "Mein Preis ist zwei Milliarden Dollar. Dann könnte man eine Milliarde spenden und hätte immer noch eine Milliarde übrig für Bier."

Diesen Preis hat Microsoft jetzt überboten. Und Firmengründer Notch, so heißt es in der offiziellen Mitteilung des Unternehmens, wird Mojang verlassen.

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