Metadata:Apple löscht App zum Drohnenkrieg. Schon wieder

Metadata Apple App-Store

Screenshots aus der Android-Version von Metadata. Im Gegensatz zu Apple sieht Google offenbar keinen Anlass, die App aus dem Play Store zu werfen.

(Foto: Josh Begley / Google Play Store)
  • Apple will "Metadata" nicht in seinem App-Store freigeben. Die App sammelt Informationen über Opfer des US-Drohnenkriegs.
  • Entwickler Josh Begley versucht seit fünf Jahren vergeblich, Metadata bei iTunes zum kostenlosen Download anzubieten.
  • Am Dienstag war die App kurzzeitig verfügbar - nach wenigen Stunden überlegte es sich Apple offenbar anders.

Von Simon Hurtz

Sie sind die perfekten Tötungsmaschinen. Lautlos und unauffällig nähern sie sich dem Opfer, das nichts von der drohenden Gefahr mitbekommt. Am anderen Ende der Welt drückt ein Soldat auf einen Knopf, kurz darauf ist die "Zielperson neutralisiert", wie es das Militär ausdrückt. Tausende Menschen haben die USA per ferngesteuerter Drohne umgebracht, der Großteil davon sollen Terroristen gewesen sein.

"Wir töten Menschen auf Grundlage von Metadaten", sagte der ehemalige CIA-Direktor Michael Hayden vor zwei Jahren. Manchmal geht das schief: Hunderte Zivilisten kamen in Obamas Amtszeit im US-Drohnenkrieg ums Leben. "Metadata" heißt auch eine App, mit der Josh Begley auf die umstrittenen Drohnenangriffe aufmerksam machen will - und damit an Apples Zensur scheitert.

Nach fünf Stunden überlegte es sich Apple anders

Seit fünf Jahren versucht Begley, seine App bei iTunes zum kostenlosen Download anzubieten. Insgesamt elf Mal beantragte er die Aufnahme in den App-Store, doch Apple lehnte ab. Am Dienstag, beim zwölften Versuch, schien sich Begleys Hartnäckigkeit endlich auszuzahlen. Nachmittags twitterte er: "Meine iPhone-App ist zurück. Hier könnt ihr sie herunterladen", und verlinkte auf Apples App-Store.

Auf der Investigativ-Webseite The Intercept schrieb Begley: "Angesichts eines Präsidenten, der das Drohnenprogramm der Obama-Ära abermals ausweiten will und Teile Jemens und Somalias als 'Gebiete aktiver Feindseligkeiten bezeichnet', bin ich froh, dass sich Apple entschieden hat, eine Nachrichten-App nicht mehr länger zu blockieren." Die Freude währte nur kurz, bereits am Abend teilte Begley kommentarlos einen Screenshot: "Deine App Metadata wird nicht mehr angeboten."

Was genau Apple an Metadata auszusetzen hat, ist unklar. Das Unternehmen kommentiert den Fall nicht. Die Funktion der App ist eigentlich harmlos: Jedes Mal, wenn Medien über einen US-amerikanischen Drohnenangriff berichten, erhalten Nutzer eine Push-Nachricht. Sie sehen den Ort auf einer interaktiven Karte und erfahren, ob und wie viele Menschen dort ums Leben gekommen sind.

Apple hält Metadata für "übermäßig anstößig und brutal"

Die App zeigt keine brutalen Bilder oder Videos. Sie informiert nüchtern über die zivilen Opfer des US-Drohnenkriegs und enthält ausschließlich kurze Texte und Ortsmarken. Apple will die Software trotzdem nicht in seinem App-Store sehen. 2012 hieß es zuerst, die App sei "nicht nützlich oder nicht unterhaltsam genug". Später änderte Apple die Begründung. Das Programm sei anstößig und verstoße gegen die iTunes-Richtlinien - obwohl es lediglich Inhalte von Medien aggregiert, die mit ihren Apps selbst im App-Store vertreten sind.

Zwei Jahre und fünf Versuche später akzeptierte Apple Metadata schließlich doch. Mehr als 50 000 Menschen installierten die App, doch 2015 entschied Apple, die "übermäßig anstößigen und brutalen" Inhalte endgültig zu verbannen. Begley versuchte es weiter, denn für ihn geht es nicht nur um seine Privatfehde mit Apple: "Im Mittelpunkt steht für mich die Frage: Sind wir mit unserer Außenpolitik genauso eng verbunden wie mit unseren Smartphones?"

Wer ein iPhone kaufe, könne sich damit pornografische Videos oder terroristische Propaganda ansehen und brutale Spiele aus dem App-Store installieren. "Moderne Smartphones sind Schaufenster in die Welt, alle Grausamkeiten inklusive", sagt Begley. Doch die Opfer der US-Drohnenangriffe wolle Apple seinen Kunden aus ihm unerfindlichen Gründen vorenthalten.

Kriegsspiele ja, Anti-Kriegs-Apps nein

Wer sich für Drohnenkriege interessiert, kann etwa auf das Spiel "Drone: Shadow Strike" ausweichen, das "phänomenalste militärische Kriegsspiel mit einer packenden Mischung aus Strategie, rasanten Kämpfen und realistischer Action". Der Hersteller verspricht: "Steuern Sie die besten Drohnen der Welt mit einem Arsenal an Waffen und lassen Sie es Feuer regnen!"

Warum eine brutale Militärsimulation mit In-App-Käufen von bis zu 30 Euro im App-Store angeboten werden darf, während das kostenlose Metadata den offenbar zartbesaiteten Kunden nicht zugemutet werden soll, erklärt Apple nicht. In Googles Play Store ist die App von Josh Begley nach wie vor verfügbar und erreicht eine Bewertung von 4,7 Sternen. Wer kein Android-Gerät besitzt, kann alternativ dem Twitter-Account @dronestream folgen, der alle Meldungen twittert, die sonst in der App angezeigt werden.

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