Jan Koum ist ein Mann mit Prinzipien. "Werbung ist nicht nur die Störung der Ästhetik und die Beleidigung deiner Intelligenz", schrieb der Whatsapp-Gründer 2012 in einem Blogeintrag. "Sobald Werbung im Spiel ist, bist du das Produkt." Ausführlich erklärte Koum, warum Nutzer damals eine Jahresgebühr für Whatsapp zahlen mussten. Die Alternative - ihre Daten zu sammeln und ihnen personalisierte Werbung anzuzeigen - sei auf jeden Fall schlechter. Mit diesem Grundsatz entwickelte sich Whatsapp zum erfolgreichsten Messenger der Welt. Immer wieder betonte Koum, dass er nicht an einem Verkauf interessiert sei. Dann machte ihm Mark Zuckerberg ein Angebot, das er offenbar nicht ablehnen konnte. 2014 zahlte Facebook mehr als 20 Milliarden Dollar.
Der Aufschrei folgte prompt. Whatsapp sei auf die dunkle Seite gewechselt, jetzt würde hemmungslos überwacht und geworben. Koum aber blieb sich treu. "Das wird sich für euch, unsere Benutzer, ändern: nichts", versicherte er. Keine Anzeigen, Silicon-Valley-Ehrenwort: "Du kannst dich absolut darauf verlassen, dass deine Kommunikation nicht durch Werbung gestört wird."
Whatsapp teilt jetzt Nutzungsdaten und Telefonnummern mit Facebook
Es vergingen zwei weitere Jahre, Whatsapp verdoppelte seine Nutzerzahl auf mehr als eine Milliarde, und für all diese Menschen änderte sich tatsächlich fast nichts. Anfang 2016 hörte Whatsapp auch offiziell auf, Abogebühren zu verlangen, nachdem zuvor ohnehin nur ein kleiner Teil der Nutzer hatte zahlen müssen. Das Versprechen aber blieb bestehen: Whatsapp werde keine Werbung von Drittanbietern einführen. Das ewige Credo von Gründer Koum. Doch jetzt ändert sich etwas.
Ende August aktualisierte Whatsapp seine Nutzungsbedingungen. Künftig übermittelt die App bestimmte Nutzerdaten an Facebook, darunter die Telefonnummer. Auf die Facebook-Übernahme folgte ein Proteststurm, diesmal tobt ein Orkan. Datenschützer protestierten, und die EU-Kommission kündigte an, die eigentlich längst genehmigte Übernahme durch Facebook erneut zu prüfen. Nutzer drohten mit Boykott oder schauten sich nach Alternativen um: Der Krypto-Messenger Threema registrierte zwischenzeitlich dreimal so viele Käufe wie üblich.
Verbraucherschützer verschicken Abmahnungen und drohen mit Klagen
Dabei hat Koum sein Versprechen gehalten: Whatsapp wird "weiterhin ein Erlebnis ohne Bannerwerbung von Dritten oder Spam bieten", wie das Unternehmen betont. Dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist das relativ egal. Anfang der Woche verschickten die Verbraucherschützer eine Abmahnung. "Whatsapp wirbt in seinen AGB damit, die Privatsphäre der Nutzer schützen zu wollen", sagt Jurist Christopher Kunke vom vzbv. "Doch davon kann unserer Ansicht nach spätestens seit den neuen Nutzungsbedingungen keine Rede mehr sein."
Bei der Übernahme hätte Facebook versichert, dass Whatsapp unabhängig bleiben solle, so vzbv-Vorstand Klaus Müller. "Verbraucher vertrauten also darauf, dass ihre Daten allein bei Whatsapp bleiben und kein Datentransfer zu Facebook erfolgt. Ihr Vertrauen wurde enttäuscht." In der Praxis haben die Abmahnungen der Verbraucherschützer wenig Auswirkungen. Sollte es zu einer Klage kommen, würde es wohl Jahre dauern, bis ein Gericht ein Urteil fällt - so war es zumindest bei einem früheren Prozess, bei dem der vzbv von Whatsapp verlangte, seine Geschäftsbedingungen auf Deutsch bereitzustellen.