Süddeutsche Zeitung

Meinungsfreiheit:Gericht verbietet Facebook, Kommentar zu löschen

  • Zum ersten Mal hat ein deutsches Gericht per einstweiliger Verfügung die Löschung eines Facebook-Kommentars verboten.
  • Der Kommentar über "linke Systemmedien" und "verblödende Deutsche" soll gegen Facebooks Richtlinien verstoßen haben.
  • Facebook kann noch gegen die Entscheidung vorgehen.

Von Marvin Strathmann

Für Facebook war dieser Kommentar eines Berliner Nutzers offenbar zu viel: "Die Deutschen verblöden immer mehr. Kein Wunder, werden sie doch von linken Systemmedien mit Fake-News über 'Facharbeiter', sinkende Arbeitslosenzahlen oder Trump täglich zugemüllt", stand Anfang Januar unter einem verlinkten Nachrichtenartikel, in dem es unter anderem um Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland ging.

Facebook löschte den Kommentar und sperrte den Nutzer für 30 Tage. Nach Ansicht des Unternehmens verstieß er gegen die hauseigenen Richtlinien. Wie der Kommentar konkret dagegen verstoßen haben soll, ist nicht bekannt. Der Nutzer ging dagegen vor und erreicht beim Landgericht Berlin nun eine einstweilige Verfügung gegen Facebook: Das Netzwerk darf den Kommentar nicht löschen und auch den Nutzer nicht sperren (Aktenzeichen 31O21/18). Damit hat ein deutsches Gericht zum ersten Mal das Löschen eines Facebook-Kommentars verboten. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatten zuerst über den Fall berichtet.

Was nicht gegen Gesetze verstößt, soll stehen bleiben

Den Anwälten des Nutzers zufolge hob Facebook nach einer Abmahnung die Sperre auf, die Löschung aber nicht. Zur Begründung habe es geheißen, eine erneute sorgfältige Überprüfung von Facebook habe ergeben, "dass die Gemeinschaftsstandards korrekt angewendet worden waren und der Inhalt daher nicht wiederhergestellt werden kann".

"Der Kommentar ist von der Meinungsfreiheit gedeckt und verstößt nicht gegen Gesetze. Er darf daher nicht gelöscht werden", sagte Joachim Steinhöfel, der Anwalt des Facebook-Nutzers, der SZ. "Offenbar ist das Gericht unserer Ansicht gefolgt." Eine Begründung der Richter liegt noch nicht vor. Damit ist auch noch nicht klar, ob das Gericht die Löschung ausdrücklich für rechtswidrig hält. Facebook kann noch gegen die Entscheidung vorgehen.

Seit Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) durch den damaligen Justizminister Heiko Maas (SPD) warnen Kritiker vor sogenanntem Overblocking: Aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen würden soziale Netzwerke eher zu viele Beiträge als zu wenig löschen und im Zweifel auch legale Inhalte entfernen. Unter dem NetzDG müssen die Betreiber kurze Fristen einhalten. Ihnen drohen hohe Bußgelder, wenn sie strafbare Inhalte stehen lassen. "Für das NetzDG ist die Entscheidung des Landgerichts eine Katastrophe", sagt Anwalt Steinhöfel. Allerdings ist unklar, ob Facebook diesen konkreten Kommentar auf Grundlage des NetzDG löschte.

Mit Material von dpa.

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