Hacker-Angriff:Ein tyrannischer Akt

Wer auch immer die Daten von Prominenten und Politikern an die Öffentlichkeit gezerrt hat, er nutzt die Möglichkeiten des Internets zum Schlechtesten. Der Datenklau führt vor, wie verletzlich jeder ist, der sich im Netz bewegt.

Kommentar von Karin Janker

Der mutmaßliche Hackerangriff trifft Politiker und Prominente - aber er trifft sie an einer Stelle, an der jeder Mensch, der sich im Internet bewegt, verwundbar ist. Wie oft hat man selbst allein im vergangenen Jahr Kreditkartennummer, Telefonnummer, Adresse, Geburtsdatum irgendwo im Netz eingetippt in dem vagen Glauben oder auch nur der Hoffnung, dass diejenigen, die diese Daten abfragen, deren Sicherheit gewährleisten? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man den Überblick verloren hat über die einzelnen Male und auch über die Daten, die da im Netz kursieren.

Das ist ja die Krux am Internet: Es ist deswegen so praktisch, so spannend und so verführerisch, weil es den Fluss von Daten freier, schneller und hürdenloser gemacht hat. Als Kommunikationsraum hält es nicht nur enormes Wissen bereit, sondern ermöglicht auch den unkomplizierten Zugriff auf dieses Wissen von überall - man denke nur an Wikipedia, eines der demokratischsten, gelehrtesten Projekte in der Geschichte der Menschheit.

Aber eben weil das Netz als Infrastruktur den Fluss von Daten ermöglicht, ist es so schwierig, Gatter zu bilden, die solche Daten einhegen, die eben nicht für den freien Fluss bestimmt sind. Solche Einhegungen machen das Leben im Netz ein Stückchen unbequemer. Mit Bequemlichkeit lässt sich vieles erklären, was Datensicherheit im Netz gefährdet: Dass man die bestellten Waren lieber mit Kreditkarte bezahlt statt auf Rechnung. Dass man unsichere Passwörter benutzt, die man sich leichter merken kann, oder dasselbe Passwort für mehrere Konten verwendet.

Die totale Öffentlichkeit ist das Ende von Autonomie

Allerdings ist es nicht nur die Bequemlichkeit des Einzelnen, die den Datenschutz untergräbt und es Hackern leicht macht. Im aktuellen Fall kommt hinzu, dass vor allem Abgeordnete betroffen sind, was Fragen nach dem Aufwand aufkommen lässt, den der Bundestag zu treiben hat, um seine Mitarbeiter und Parlamentarier vor solchen Attacken zu schützen.

Wer und auf welche Weise sich die Informationen verschafft hat und was auch immer die Intention dahinter war: Der Vorfall ist erschreckend, weil er zu bestätigen scheint, was Apologeten der Post-Privacy schon seit Jahren unken: "Privacy is dead". Totgeglaubt, vielleicht. Aber tot ist die Privatsphäre noch längst nicht: Das Gefühl des Schocks und des Ausgeliefertseins angesichts des aktuellen Hackerangriffs rührt auch daher, dass hier ein intimes Menschenrecht offenbar von Kriminellen verletzt wurde.

Diese Daten an die Öffentlichkeit zu zerren, war ein tyrannischer Akt. Er baut eine perfide Drohkulisse auf: die Tyrannei der Öffentlichkeit. Die totale Öffentlichkeit ist das Ende von Privatheit und damit auch von Autonomie, die im Schutz der Privatsphäre entsteht. Die Gesellschaft darf sich von solchen Übergriffen nicht einschüchtern lassen. Sie treffen den Kern der Demokratie - und nicht weniger gilt es hier zu verteidigen. Denn Demokratie ist nur möglich, wenn es Rückzugsräume gibt, in denen der Mensch, auch der Politiker und der Prominente, unbeobachtet und privat ist.

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