Mehr Rechte für Entwickler:Twitters wichtiger Patent-Vorstoß

Die großen Unternehmen der Technologie-Branche überziehen sich gegenseitig mit Patentklagen. Nun bietet Twitter eine Lösung an: Entwickler sollen künftig ihr Veto gegen solche Klagen einlegen können. Die Idee ist nicht perfekt - doch sie bringt eine wichtige Debatte in Gang.

Johannes Kuhn

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Twitter macht es vor: Entwickler sollen mehr Rechte an den Resultaten ihrer Arbeit erhalten.

(Foto: ddp)

Ob die Technologie-Branche auch so begeistert ist wie diejenigen, die über sie berichten? Fast einhellig ist das Lob für einen Vorstoß, den Twitter im Patentstreit wagt: "Innovator's Patent Agreement" oder kurz IPA nennt sich eine Abmachung (Komplettfassung hier), die das Unternehmen bald mit eigenen Entwicklern treffen möchte, aber auch anderen Firmen zur Verfügung stellt.

Darin wird festgelegt, dass angestellte Entwickler und Designer künftig mitbestimmen können, was einmal mit ihren Erfindungen passiert. Bislang geben Mitarbeiter von Unternehmen die Rechte an möglichen Patenten, die durch ihre Arbeit entstehen, ab.

Die IPA würde "eine Abkehr von der bisherigen Praxis in der Branche bedeuten", wie Twitter-Entwicklungsvorstand Adam Messinger in einem Blogeintrag schreibt. Wenn seine Firma einen Konkurrenten auf Verletzung eines eigenen Patents verklagt, kann dies nur mit dem Einverständnis der am Patent beteiligten Entwickler geschehen - selbst wenn dieser nicht mehr für die Firma arbeitet. Auch wenn das Patent bereits an ein anderes Unternehmen verkauft wurde, kann dieses einen solchen Schritt nicht gegen den Willen der Erfinder vornehmen.

Patente mit "defensiven Zwecken"

Patente sollen nur noch zu "defensiven Zwecken" eingesetzt werden, also beispielsweise gegen Konkurrenten, die selbst gegen eine Firma Patentklage eingereicht haben.

In Zeiten, in denen mehrmals wöchentlich Meldungen zu Patentstreitigkeiten, Klagen und Gegenklagen durch die Nachrichtenticker rattern und wir an einem Punkt sind, an dem die Weiterentwicklung von Produkten und Techniken erheblich gebremst wird, klingt das nach Linderung. Vor allem wird die Rolle der Entwickler (und damit der Urheber) gestärkt - ein Argument, das Twitter auch im Kampf um die besten Köpfe im Silicon Valley helfen könnte.

Allerdings hat Abmachung auch Schattenseiten und löst einige Fragen nicht.

[] Der "defensive Zweck" wird sehr breit definiert. So wird dort zum Beispiel "Abschreckung" genannt. Leonid Kravets von Techcrunch entwirft ein Szenario: Wenn Facebook bereits vor der durchaus absehbaren Yahoo-Patentklage seinerseits den Konkurrenten verklagt hätte, wäre dies dann ein Schritt der "Abschreckung"? Auch wird eine defensive Klage laut Vereinbarung gerechtfertigt, wenn ein Konkurrent in den vergangenen zehn Jahren einmal ihrerseits ein Verfahren angestrengt hat. Eine viel zu lange Zeit, wie Forbes-Autor Michael Kanellos anmerkt.

[] Nicht immer ist es einfach festzustellen, wer an der Entwicklung eines Patents beteiligt war. Software-Code wird häufig im Team erstellt. Ist nun der Team-Leiter oder jedes Mitglied berechtigt, Partner in einem IPA zu sein? Wie ist es bei Startups, fragt der Rechtsanwalt James Omond, in denen zunächst häufig nicht einmal die Arbeitsverhältnisse klar sind?

Dem Twitter-Vorstoß mag ein kräftiger Anteil PR innewohnen; dennoch ist er richtig, weil er eine Debatte in Gang bringt, wie die Technologie-Branche künftig mit Patenten umgehen möchte. Sollen diese Innovationen schützen oder eine Waffe sein, um Marktanteile zu sichern und unliebsame Konkurrenz auf Abstand zu halten? Im gegenwärtigen Klima des Misstrauens wäre kaum denkbar, dass ein Unternehmen wie IBM 150 Patente für Softwarestandards frei gibt.

Ein größeres Problem löst er aber nicht: Die Frage, ob und wann Software überhaupt patentierbar sein soll. Während die Rechtsprechung in den USA auch zahlreiche Trivialpatente ermöglicht hat, gelten in Deutschland und der EU offiziell strengere Voraussetzungen.

Dass der Patentstreit der US-Großkonzerne inzwischen vor allem in Deutschland ausgefochten wird, zeigt aber, dass das Problem längst kein rein amerikanisches mehr ist. Experten wie Richard Stallman von der Free Software Foundation warnen zudem vor Bestrebungen, Softwarepatente über ein EU-Einheitspatent zu erleichtern.

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