Megapixel: Internet-Kameras:Vorsicht Effekthascherei

Wer eine gute Kamera sucht, sollte sich von absurden Megapixel-Zahlenspielen nicht täuschen laschen: Was bei Webcams wirklich zählt.

Ob zum Plaudern unter Freunden von Angesicht zu Angesicht oder zum Versenden eines Video-Grußes über den Atlantik - mit einer Webcam wird der PC im Handumdrehen zum Bildtelefon. Die "Augen des Internets" gibt es in großer Auswahl. Bei der Suche nach dem passenden Modell lassen sich Konsumenten allerdings besser nicht von Zahlenspielereien täuschen. Entscheidend sind Bild- und Tonqualität.

Auflösungen von bis zu acht Megapixeln oder Bildübertragungsraten von 90 Bildern pro Sekunde stehen auf manchen Packungen. "Das ist vor allem Effekthascherei", sagt Nam Kha Pham, Webcam-Experte bei der in Düsseldorf erscheinenden Zeitschrift PC Praxis. Wie bei digitalen Fotokameras sei auch unter den Herstellern von Webcams der Megapixel-Wahn ausgebrochen, ergänzt Robert Globisch vom Online-Versandhandel computeruniverse.net in Friedrichsdorf (Hessen) - "ohne dass das Rückschlüsse auf die Qualität der Bilder zulässt".

Die extremen Megapixel-Werte gelten nur für Standfotos. Bei der Videoplauderei in der Freizeit sind hohe Auflösungen ohnehin selten zu realisieren: "Die gängigen Chatprogramme begrenzen die Auflösung auf 640 mal 480 Bildpunkte, also 0,3 Megapixel", erläutert Nam Kha Pham. "Und in den wenigsten Haushalten sind ausreichend schnelle Onlineverbindungen vorhanden, die HD-Videotelefonie im Vollbild zulassen." Richtig hohe Bildübertragungsraten seien daher bestenfalls in der Größe eines Handydisplays möglich.

Abgesehen davon sind sie gar nicht nötig: "20 bis 30 Bilder pro Sekunde reichen, um Videotelefonie als flüssig wahrzunehmen", erklärt Nam Kha Pham. Selbst für betagte Rechner oder die im Trend liegenden Netbooks ist diese Bildwiederholungsrate kein Problem. Zu Kameras mit mehr als den gängigen Auflösungen von 1,3 bis 2 Megapixel müssen Videochatter deshalb nicht greifen - selbst damit ist noch Spielraum für gute Standbilder.

Was beim Kauf wirklich zählt, sind Bild- und Tonqualität sowie der Bedienkomfort. Viel Geld muss man für eine vernünftige Webcam nicht mehr ausgeben. Auch anerkannte Hersteller wie Logitech, Microsoft und Philips bieten Einsteigermodelle an. "Für 20 bis 50 Euro erhält man bereits eine lichtstarke Kamera mit gutem Ton", sagt Globisch. Selbst auf Eigenschaften wie Autofokus oder Gesichtsverfolgung muss man bei der mittleren Preisklasse nicht verzichten, ergänzt Nam Kha Pham.

Ausstattung von Webcams mit Spaß-Software

Zentral ist das Objektiv. Auf Nummer sicher gehen Nutzer etwa mit Produkten von Carl Zeiss oder Schneider Kreuznach, die in hochwertigen Kameras stecken, so Robert Globisch. Das Objektiv sollte mit ungleichem oder schlechtem Umgebungslicht klarkommen. Software kann die Bildqualität steigern, in dem sie Farbrauschen mindert und dunkle Bereiche aufhellt, erklärt Nam Kha Pham. Verlassen sollten sich Nutzer aber darauf nicht, meint Globisch.

"Ein schlechtes Objektiv wird durch keine Software wettgemacht." Auch auf ein gutes integriertes Mikro, das Umgebungsgeräusche filtert, sollte Wert gelegt werden. "Hier hilft nur ausprobieren", sagt Globisch. Bei speziell zum Aufstecken auf Notebooks gedachte Webcams sollten Nutzer auf eine stabile Halterung achten.

Ein Trend ist die Ausstattung von Webcams mit Spaß-Software. Sie erlaubt zum Beispiel, statt den Gesichtern der Gesprächspartner Phantasiefiguren einzublenden. "Die Berechnung der Alter Egos funktionierte im Test flüssig, ist aber nicht mehr als eine Spielerei und sollte absolut kein Kaufkriterium sein", sagt Nam Kha Pham.

Ebenfalls als Spielerei bewertet die Stiftung Warentest aus Berlin die rund 80 Euro teure Minoru 3D-Webcam von Novo, die erste billige und einfache Lösung für die dreidimensionale Videotelefonie (test-Ausgabe 5/2009): Ein Programm errechnet aus den Bildern der beiden im Gerät montierten Kameras ein Raumbild. Um es wahrzunehmen, tragen Betrachter eine Rot-Grün-Brille aus Pappe. Die Kamera funktionierte im Test reibungslos. "Technikbedingt geht jedoch der Farbeindruck verloren, und die Brillen sind unkomfortabel", erklärt Warentester Marcus Pritsch. Dass auf diese Weise die 2-D-Videotelefonie auf absehbare Zeit abgelöst wird, bezweifelt er.

Im Test der Zeitschrift PC Praxis (Ausgabe 3/2009) siegte die QuickCam Pro 9000 von Logitech (ab rund 60 Euro). Sie punktete mit einer sensiblen Belichtungsautomatik, einem schnellen Autofokus und der hohen Qualität des Zeiss-Objektivs. Dahinter folgte Microsofts LifeCam Show NX-8000 (ab rund 45 Euro), die durch eine sehr gute Audioqualität und eine stabile und variable Befestigung für Notebooks und Desktop-PCs hervorstach. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bot die Genius iSlim 2000AFund. Die Kamera ermöglicht demnach zwar nur "befriedigende" Qualität, ist aber schon ab rund 35 Euro erhältlich.

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