Mark Zuckerberg:Facebook bin ich

Mark Zuckerberg

Mark Zuckerberg sieht sich nach den Enthüllungen über schlechten Datenschutz auf Facebook gezwungen, sich zu erklären.

(Foto: Steven Senne/AP)

Ein Interview mit Mark Zuckerberg zeigt die Hybris, mit der er auf die Welt blickt: als Monarch mit Super-Aktien, der Demokratie predigt und tut, als hätte er mit Kapitalismus nichts zu tun. Sein Unternehmen agiert wie ein Staat.

Analyse von Jannis Brühl

Die Naivität ist im Rückblick erschreckend. "Die ersten zehn Jahre des Unternehmens war jeder nur auf das Positive fokussiert", sagt Mark Zuckerberg. Kein Facebook-Mitarbeiter kam demnach auf die Idee, dass mit der Macht als wichtigste globale Kommunikationsplattform auch Verantwortung einhergeht. Kritiker warnten vor mangelndem Datenschutz, Propaganda und verbaler Aggression - und wurden ignoriert. Jetzt ist der Sturm da, und der Fokus der Öffentlichkeit liegt auf dem Negativen, auf dem, was bei Facebook schief läuft.

Dass ein Wissenschaftler Daten von fast 50 Millionen Menschen absaugen und an die zwielichtige Firma Cambridge Analytica weitergeben konnte, hat Facebooks Image schwer geschadet. In einem ausführlichen Interview mit Ezra Klein vom US-Portal Vox hat Konzernchef Zuckerberg nun noch einmal Stellung bezogen. Das Gespräch enthüllt, wie er die Welt sieht, und wie er seine eigene und Facebooks Rolle in ihr begreift. Zuckerbergs Antworten offenbaren seine Hybris, in der die Grenzen zwischen Unternehmer und Staatsmann verschwimmen.

Da ist als erstes der Mythos von der "Gemeinschaft": Über diese zwei Milliarden Facebook-Mitglieder spricht Zuckerberg immer wieder, ihre Wünsche seien das Wichtigste. "Gemeinschaft" (community) ist ein PR-Wort aus dem Valley, das den Anschein dörflicher Harmonie erweckt - und so viel besser klingt als das kalte Wort "Nutzer" oder "Leute, denen wir Werbung ausspielen, für die wir pro Jahr 40 Milliarden US-Dollar kassieren".

Ist Facebook zu groß, um "regiert" zu werden?

Der Unternehmer Zuckerberg klingt, als baue er für seine "Gemeinschaft" an einem eigenen Staat. "Governance" sei jetzt wichtig - ein Wort, das man hier im politischen Sinne verstehen muss, als "kluges Regieren". Interviewer Klein weist ihn darauf hin, dass er als CEO ja nicht alle vier Jahre zur Wahl stehe, so ein Konzern sei nicht demokratisch. Zuckerberg bringt dann eine Art "Obersten Gerichtshof" ins Spiel, an dem unabhängige Personen entscheiden sollten, welche Beiträge von Facebook gelöscht werden. So eine Instanz, bei der Menschen im Notfall Einspruch gegen Entscheidungen einlegen könnten, sei nötig für jedes "gut funktionierende demokratische System".

Der Unternehmer Zuckerberg muss Aktionäre zufrieden stellen, und rutscht der Kurs ab, schlägt das auf sein eigenes Vermögen durch. Zugleich ist er Verantwortlicher für eine globale "Gemeinschaft". Der Widerspruch zwischen den zwei Rollen führt zur zentralen Frage, die Zuckerberg nicht beantworten kann: Ist Facebook zu groß, um "regiert" zu werden? Zu seiner Verteidigung kann man ihm zugutehalten, dass ihn auch Regierungen in die Rolle des Staatenbauers gedrängt haben. Sie machen zwar Druck, haben aber selbst keinen durchdachten Plan, wie sie die großen Plattformen regulieren sollen. Das zeigt auch das deutsche Netzwerkduchsetzungsgesetz.

Verquere Sicht auf den eigenen Konzern

Zuckerberg hält nur einen geringen Anteil an Aktien an Facebook, die sind aber Super-Papiere: Mit ihnen ist die Mehrheit der Stimmen verbunden. Er kann also allein entscheiden. Gefragt, ob diese Machtfülle nicht verhindere, dass er zur Verantwortung gezogen werde, antwortet er wie ein gutherziger Monarch: Nur so könne er ein Modell entwickeln, das die Wünsche der Facebook-"Gemeinschaft" widerspiegele - und nicht die der Aktionäre, die nur kurzfristigen Gewinn anstrebten.

Der König schützt seine Untertanen vor den kapitalistischen Raubtieren - eine verquere Sicht auf ein börsennotiertes Unternehmen, dessen Geschäftsmodell aus Datensammeln und Anzeigen-Targeting die derzeitige Krise erst verursacht hat. Ohne dieses wäre die unheilige Allianz aus zielgenau ausgespielter Werbung und radikalen politischen Inhalten nicht möglich. Er selbst hat dieses Modell auch im Sinne seiner Aktionäre immer weiter verfeinert. Der Fehler liegt im System, aber Zuckerberg sagt einfach, dass da kein Fehler ist. Es ist das System, das ihn reich gemacht hat.

Inszenierung als Widerstandskämpfer

Zuckerberg gibt im Vox-Interview nicht nur den Widerstandskämpfer gegen die eigenen Aktionäre, sondern auch gegen die eigene Anzeigenabteilung - also die Mitarbeiter, die das Geld reinbringen. Er versteigt sich zu der Aussage, dass Gewinn nicht das wichtigste Ziel sei. Zwar setze Facebook zurecht auf ein Anzeigenmodell, aber: "Das heißt nicht, dass wir nicht vor allem darauf fokussiert sind, Menschen zu dienen."

Es entsteht der Eindruck, dass ihm seine eigene Erzählung vom Bau der "offenen und vernetzten" Welt entglitten ist. Immer mehr Menschen zu vernetzen, immer weiter zu wachsen - diese Obsession triumphierte über ethische Bedenken. Das zeigte sich erst vor wenigen Tagen, als Buzzfeed über ein internes Facebook-Memo von 2016 berichtete: Der einflussreiche Facebook-Manager Andrew Bosworth gab darin zu, dass von der zunehmenden Vernetzung auch Mobber und Terroristen profitierten. Doch selbst wenn Menschen dabei sterben, sei der Weg der totalen Vernetzung der richtige.

Mark Zuckerberg hat viel Vertrauen verspielt. Nun sagt der Mann, der behauptet, sogar über dem globalen Kapitalismus zu stehen: Vertraut mir einfach trotzdem.

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