LTE- und 5G-Netze:20-mal schneller

Mobilfunk-Sendemast in Markt Schwaben, 2013

Ein Mobilfunkmast: Das beste Smartphone nützt nichts, wenn im Netz Lücken sind.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Beim Ausbau schneller Datennetze wie LTE und 5G liegt Europa derzeit zurück. Mit neuer Technik könnte der Abstand zu den USA und Südkorea aber verkürzt werden.

Von Varinia Bernau und Helmut Martin-Jung, Barcelona

Eigentlich, sagt der Techniker, geht es gar nicht um Technik. Natürlich will Marcus Weldon, Cheftechniker des Netzwerkausrüsters Alcatel-Lucent, sich und seine Mitarbeiter nicht arbeitslos machen. Wie künftige Mobilnetze aufgebaut sind, das will er vielmehr sagen, müsse aber in den Hintergrund treten, um Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Denn ohne möglichst gute Netzanbindung, davon ist er überzeugt, würden die Menschen in der digitalisierten Welt schon bald nicht mehr leben wollen.

Zwei wichtige Entwicklungen macht er dabei aus: Das Internet der Dinge und 3-D-Druck. Wenn man sich alles Mögliche selber ausdrucken oder von einem nahe gelegenen Druckdienst bringen lassen könnte - das werde, ebenso wie selbstfahrende Autos, sehr viel verändern. Dann werde die Vernetzung aller möglichen Geräte tatsächlich Zeit sparen und nicht wie jetzt Zeit fressen: "Jetzt muss man ja noch dauernd an den Dingern herumfrickeln."

Die neuen Netze könnten 20-mal schneller sein als die besten von heute

Aber man wird es nicht so schnell schaffen, einheitliche Netze über ganze Kontinente zu spannen, daher ist es wichtig, dass die Dienste über verschiedene Netztechniken hinweg funktionieren. Das sieht auch Anton Kathrein, Chef der Kathrein-Gruppe so. Der Mittelständler entwickelt Lösungen, die die strikte Trennung von Netzen überwinden sollen. "Auch das Kabel ist für den Datentransport nach wie vor wichtig", sagt Kathrein, "irgendwo müssen die Daten auch zusammenlaufen."

Und die vorhandenen Netzkapazitäten müssen effektiv genutzt und verteilt werden. Findet in einem Fußballstadion gerade ein Spiel statt, wollen sehr viele gleichzeitig Daten übertragen; ist in einem Bürogebäude gerade Mittagszeit, halten sich viele in der Kantine auf und greifen ebenfalls auf Datendienste zu. Abends wiederum verlagert sich die Hauptnutzung der Netze auf Wohngebiete.

Die große Frage aber bleibt: Kann Europa, wo man beim Ausbau des schnellen Datenfunknetzes LTE gegenüber den USA oder Südkorea hinterherhinkt, bei der nächsten Stufe mithalten, vielleicht sogar vorneweg marschieren? "Ich hoffe das sehr", sagt Marcus Weldon. Das Potenzial dafür sei da, man müsse sich nur trauen.

Mobilfunk-Sendemast in Markt Schwaben, 2013

Ein Mobilfunkmast: Das beste Smartphone nützt nichts, wenn im Netz Lücken sind.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Neue, das würden Firmen wie die seine natürlich auch gerne verkaufen. 5 G ist das Kürzel dafür, es steht für den technischen Nachfolger des Mobilfunkstandards LTE. "Europa könnte sich ja sagen, wir haben LTE verschlafen, aber mit 5 G machen wir es jetzt besser." Diese neue Mobilfunk-Generation erhöht nicht bloß die bisherige Surfgeschwindigkeit noch einmal ordentlich. Sie bindet auch die zahllosen kleinen Sensoren und Geräte viel besser ein, die schon bald unsere Umwelt bevölkern sollen. Das soll dann etwa selbstfahrende Autos ermöglichen, die sich schneller mit einer Ampel abstimmen, als ein Mensch überhaupt reagieren kann.

Mit 5 G sind Surfgeschwindigkeiten von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde möglich, sagte Ken Hu, Chef des chinesischen Netzausrüsters Huawei. Das wäre noch einmal 20-mal schneller als das, was die derzeit schnellsten 4-G-Netze leisten.

Doch noch ist nicht einmal 4 G, auch LTE genannt, überall Alltag. Zwar hat sich die Technologie, die Download-Geschwindigkeiten von bis zu 300 Megabit pro Sekunde ermöglicht, so schnell durchgesetzt wie keine andere zuvor. Fünf Jahre nach dem Start in den USA ist bereits jede zweite Funkverbindung eine 4-G-Verbindung. In China, wo der Standard erst im vergangenen Jahr startete, geht der Ausbau noch schneller. Europa hinkt hinterher - allerdings auch, weil die bestehenden Netze bislang deutlich besser waren als in den anderen beiden Regionen. Gut genug offenbar für viele Kunden.

Bis das superschnelle Internet mit dem 5-G-Standard Wirklichkeit wird, dauert es noch: Die Netzanbieter rechnen im Jahr 2020 mit den ersten Netzen dieser Art. Sie fordern eine möglichst breite Beteiligung daran, die neuen Netze zu errichten: "Wir müssen von den Anwendungsszenarien her denken", sagt Bruno Jacobfeuerborn, Technikchef der Deutschen Telekom. Wenn man wisse, was man mit einem solchen Netz machen will und wie man mit den neuen Diensten auch Geld verdienen möchte, sei technisch so gut wie alles möglich. Aus eigener Kraft können es die Netzanbieter somit wohl kaum schaffen. Auch weil sie finanziell immer weiter hinter die amerikanischen Internetkonzerne zurückfallen.

Die können es sich leisten, Dinge auszuprobieren, die erst einmal verrückt anmuten. Google-Manager Sundar Pichai berichtete in Barcelona über Experimente zur Versorgung entlegener Regionen: Die ersten Ballons, die Google testweise aufsteigen ließ, blieben gerade einmal fünf Tage in der Luft. Inzwischen habe man diese Flugzeit auf sechs Monate steigern können - und damit sogar noch die Erwartungen übertreffen können.

Allerdings ist auch Google bei diesem Projekt auf die Netzbetreiber angewiesen: Schließlich müssen die Daten zu den Ballons hin- und wegtransportiert werden. Ein Netzanbieter wolle Google sowieso nicht werden, macht Pichai klar, nur diese Firmen "ein wenig anstupsen".

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