LTE-Ausbau in Deutschland:Wettrüsten der Mobilfunkprovider

O2, Telekom und Vodafone wetteifern um das schnellste Handynetz. Millionenbeträge fließen derzeit in den Ausbau des neuen Übertragungsstandards LTE. Noch aber ist nicht ausgemacht, ob der Kunde das honorieren wird.

Varinia Bernau

Überall in Deutschland erklimmen Monteure derzeit Kirchtürme, Häuserdächer, Sendemasten. Dort schrauben sie die Zukunft an. Diese Zukunft heißt LTE. Die Technologie soll Kunden noch schneller ins Internet bringen - und den Mobilfunkanbietern ein lukratives Geschäft bescheren.

Nach der Deutschen Telekom und Vodafone drängt nun auch der dritte große Mobilfunkanbieter O2 mit LTE in die Städte: Im Juli will die Tochter des spanischen Telefónica-Konzerns Dresden und Nürnberg mit der neuen Technologie versorgen, sieben weitere Städte sollen bis Jahresende folgen. Die Telekom will bis dahin 100, Vodafone mehr als 50 Städte an das neue Funknetz bringen, das doppelt so schnell ist wie die schnellste DSL-Leitung. Die Städte sind für die Anbieter ein lukratives Terrain, weil hier auf kleinem Raum viele zahlungskräftige Kunden leben.

Doch als die Mobilfunkunternehmen die Funkfrequenzen für den neuen Standard im Frühjahr 2010 bei einer Auktion ersteigerten, hatte ihnen die Bundesnetzagentur dafür nicht nur einiges an Geld, sondern auch ein Versprechen abgerungen: Zunächst mussten sie die weißen Flecken auf der Landkarte tilgen, also ländlichen Regionen zu einem schnellen Internetanschluss verhelfen. Bislang dient LTE deshalb vor allem als Breitbandersatz. In den neun Bundesländern, in denen die Mobilfunkanbieter Wort gehalten haben, dürfen sie die neue Technologie nun auch in den Städten anbieten. Dort, so die Hoffnung, soll LTE auch den stetig steigenden Datenhunger all jener stillen, die per Smartphone und Tablet im Netz surfen.

Bei Vodafone hofft man, in zwei bis drei Jahren LTE flächendeckend anzubieten. Damit erschließen sich auch ganz neue Geschäfte. So tüfteln Mobilfunker etwa gemeinsam mit Autoherstellern an automatischen Warnhinweisen vor einem Hindernis im Straßenverkehr. Die bisherigen Funknetze waren dafür zu langsam. Bevor das Signal das Auto überhaupt erreichen konnte, hätte es bereits gekracht. Weil sich die Kundschaft längst an Flatrates gewöhnt hat, die Umsätze im Geschäft mit Sprachdiensten und Internetanschlüssen somit stagnieren, suchen die Mobilfunkkonzerne nach neuen Einnahmequellen.

Vodafone sieht Festnetz als Auslaufmodell

Immerhin, die Zeit, in der aus der technischen Entwicklung konkrete Angebote wurden, sie ist bei LTE um ein Vielfaches kürzer als beim vorigen Mobilfunkstandard UMTS. Nun hoffen die Mobilfunkanbieter, dass auch die Erträge folgen. Schließlich haben sie bereites einiges in die neue Technologie investiert: Allein für die Funkfrequenzen im Bereich von 800 Megahertz haben alle drei erfolgreichen Bieter bei der Auktion 2010 jeweils mehr als eine Milliarde Euro auf den Tisch gelegt. Hinzu kommen die Kosten für den Aufbau der Netze. Vodafone und Telefónica setzen diese mit einem dreistelligen Millionenbetrag an. Und die Telekom rechnet vor, was allein nötig war, um das Stadtgebiet von Köln mit seinen 150 Quadratkilometern mit LTE zu versorgen: Dort mussten 100 Basisstationen errichtet und 120 Kilometer Glasfaserkabel zur Anbindung verlegt werden. Kosten: fünf Millionen Euro.

Das größte Interesse an einem zügigen LTE-Ausbau hat Vodafone. Während man bei Telekom und O2 aufs Festnetz setzt und LTE somit eher für Konkurrenz im eigenen Haus sorgt, hält man in Düsseldorf das Festnetz zumindest für den Privatmann für ein Auslaufmodell. Und je schneller Vodafone der Wechsel von Kabel zu Funk gelingt, desto früher wird auch die Miete wegfallen, die der Konzern zahlt, um die Leitungen der Telekom mit zu nutzen. Bislang muss Vodafone dafür jährlich 500 Millionen Euro nach Bonn überweisen. Deshalb hat Vodafone seit Jahresbeginn auch als erster Anbieter LTE-fähige Smartphones sowie ein Tablet im Angebot. 02 verspricht Ähnliches, wenn auch eine kleinere Auswahl, für Ende Juli.

Sicherlich ist es auch für Smartphones ein gutes Verkaufsargument, wenn sich etwa Videos schneller herunterladen lassen", sagt Roman Friedrich, Partner der Beratungsgesellschaft Booz. "Um damit aber eine breite Masse zu erreichen, sind sowohl die in Deutschland angebotenen Geräte als auch die Netze noch zu schwach." Zumindest technisch bietet der neue LTE-Standard die Möglichkeit, den stetig steigenden Datenhunger von Mobilfunkkunden zu stillen. Eine Garantie für steigende Einnahmen aber sei er nicht. "Wenn die Mobilfunkanbieter auch für LTE eine Flatrate einführen, werden sie ihre Umsätze mit der neuen Technologie nicht sonderlich steigern", sagt Friedrich. Klüger wäre es seiner Einschätzung nach, für eine schnellere Datenübertragung auch einen höheren Tarif anzusetzen - ähnlich dem teuren Flugticket in der Business Class. "Es muss sich erst noch zeigen, ob die Kunden bereit sind, auch im Mobilfunk Business Class zu nutzen oder ob sie sich mit der Economy begnügen."

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