Linux im Bundestag:Aufs Altenteil

2002 hat der Ältestenrat beschlossen, dass auf den Bundestagsservern Linux laufen soll. Jetzt wollen die Abgeordneten Microsoft Exchange kaufen.

Mirjam Hauck

Noch in die rot-grünen Regierungsjahre fiel im Jahr 2002 der Beschluss des Ältestenrates, dass auf den Bundestagsservern anstatt Microsoft-Software künftig das freie und kostenlose Betriebssystem Linux laufen soll. Der Ältestenrat folgte damals einer Empfehlung der Kommission für Informations- und Kommunikationstechnik (IuK-Kommission). "Wir haben uns damit aus der Herstellerabhängigkeit gelöst", gab sich der Kommissionschef Uwe Küster von der SPD damals kämpferisch. Doch inzwischen schert sich die Bundestagsverwaltung um Unabhängigkeit weniger.

Linux im Bundestag: undefined
(Foto: Montage: sueddeutsche.de)

Exchange läuft nur auf Windows

Im Juni hat der Ältestenrat den Beschluss gefasst, Microsofts Serversoftware Exchange zu kaufen. MS Exchange ist ein sogenannte Groupware, mit deren Hilfe die Abgeordneten nicht nur Mails verschicken und empfangen können wie bisher, sondern auch ihre Adressbücher zentral verwalten und Termine miteinander abstimmen. Exchange, wenn wundert's, läuft nur auf Windows und ist ein geschlossenes Produkt und widerspricht damit dem 2002 gefassten Beschluss in so ziemlich jedem Punkt.

Wie der Paradigmenwechsel zustande kam, bleibt nebulös. Denn Groupwares gibt es viele - auch für Linux. Hinter vorgehaltener Informatiker-Hand wird getuschelt, dass eine anfänglich installierte Open-Source-Software kleinere technische Probleme bereitete; später einigen Abgeordneten es nicht passte, dass Kollegen ihre mehr oder minder große Menge Termine überblicken konnten. Linux-Anhänger dagegen vermuten Microsofts intensive Lobbyarbeit für den Prestigekunden Deutscher Bundestag als wahre Ursache.

Aufs Altenteil

Peter Ganten vom Linux-Verband sieht in der Entwicklung einen herben Rückschlag für die Verbreitung freier Software. Vor allem kritisiert er aber die Vergabepraxis. "Andere Hersteller hatten keine Möglichkeit, sich für das Groupwaresystem des Bundestages zu bewerben. Es gab keine Ausschreibung, wie sie für jede Verwaltung Pflicht ist", haderte er gegenüber sueddeutsche.de.

Bundestag: Beschaffung ist vergaberechtskonform

Die Pressestelle des Bundestages dagegen gab sich recht schmallippig. Telefonisch wollte man sich gar nicht nicht äußern. Auf einen detaillierten Fragenkatalog bekam sueddeutsche.de lediglich dieses Statement: "Alle Beschaffungsvorgänge in diesem Zusammenhang (Einführung der Microsoft-Groupware, Anm. d. Red.) sind vergaberechstkonform. Die für die Pilotierung erforderlichen Lizenzen wurden aus einem aktuellen Rahmenvertrag beschafft, die Dienstleistung zur Unterstützung der Pilotphase wurde in einer beschränkten Ausschreibung gemaß Paragraph 3 Nr. 3 VOL/ A vergeben. Die Entscheidung der IuK-Kommission des Ältestenrates ist keine Abkehr von der Open-Source-Strategie des Bundestages."

Der Linux-Verband sieht das anders und ist mit dem Vorgehen der Bundestagsverwaltung nicht einverstanden. "Anwälte prüfen derzeit rechtliche Schritte gegen die Vergabepraxis", erklärte Peter Ganten. "Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand gehen wir davon aus, dass die Vergabe juristisch angreifbar ist."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: