Süddeutsche Zeitung

Smartphones von LG:Am Kunden vorbei

Die Konkurrenz im Smartphone-Business ist hart. Wer solche Fehler macht wie LG, wird bestraft.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Wie gnadenlos hart der Wettbewerb im Geschäft mit Smartphones ist, das haben schon etliche Unternehmen erfahren und oft genug mit Milliardenverlusten bezahlt. Es genügt, einige falsche Entscheidungen zu treffen, einen Trend zu spät zu erkennen - und schon dreht sich die Spirale abwärts. Nokia glaubte lange nicht an berührungsempfindliche Bildschirme, doch dann kam Apple. Microsoft dachte, mit seiner Marktmacht sei auch ein später Einstieg mit einem eigenen System möglich, hatte aber nicht mit der großen Bedeutung gerechnet, die Apps für Smartphone-Besitzer haben. Nun hat es einen weiteren Großen erwischt: Der Mischkonzern LG aus Südkorea hat entschieden, das Geschäft mit Smartphones aufzugeben, die Suche nach einem Käufer dafür war zuvor erfolglos verlaufen.

Abgezeichnet hatte sich das schon seit Jahren. Vom drittgrößten Hersteller der Welt war LG zu einem Nischenanbieter geschrumpft, dessen Marktanteil sich irgendwo unter den "sonstigen Herstellern" fand. Die Verluste häuften sich. Aber auch hier bestrafte der Markt nur Managementfehler - wenn auch mit der branchenüblichen Grausamkeit.

LGs Fehler war die unklare Strategie. Zeichneten sich Geräte wie das für und mit Google entwickelte Nexus 4 durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aus, versuchte der Konzern später, mit extravaganten Ideen Käufer anzulocken. Da war das gebogene Handy, das sich zwar gut in der Gesäßtasche machte, aber auf dem Tisch dafür herumschaukelte. Da war das modulare G5, das mangels anderer großartiger Neuheiten zur Sensation beim Mobile World Congress in Barcelona wurde, dem wichtigsten Treffen der Branche. Das untere Teil des Handys ließ sich abnehmen und mit verschiedenen Modulen ergänzen - nur blieb es dann bei den wenigen gezeigten Erweiterungen, Dritthersteller hielten sich vornehm zurück. Zudem war das Ganze auch mechanisch nicht sonderlich überzeugend.

Die Bedürfnisse der Kunden wurden falsch eingeschätzt

Letzter Versuch in dieser Ahnenreihe der verrückten Ingenieurs-Erfindungen: Das LG Wing. Bei diesem letzten Gerät, das LG vorgestellt hat, ließ sich der Bildschirm um 90 Grad drehen, dahinter erschien ein zweiter, sodass Nutzer zum Beispiel gleichzeitig einen Film schauen oder ein Spiel spielen und dabei noch chatten können. Dass niemand darauf kam, dass die Zielgruppe für ein solches Nischen-Phone vielleicht nicht ganz so groß sein könnte, ist schon erstaunlich.

Das ist auch die Gemeinsamkeit zwischen den großen schiefgegangenen Smartphone-Projekten: Rein technisch betrachtet waren die g'spinnerten LG-Handys oder auch Microsofts Lumia-Geräte durchaus konkurrenzfähig. Nur sind die Kunden mehrheitlich keine Ingenieure. Technologien, die auf den Markt geworfen werden, weil man es halt kann, sind in aller Regel nicht erfolgreich. Es geht vielmehr darum herauszufinden, was die Nutzer wohl mit Geräten anstellen würden, deren Fähigkeiten sie noch gar nicht kennen.

Die hohe Kunst der Marktforschung ist dann noch zu ahnen, welches Produkt, das es zumindest so noch gar nicht gibt, die Leute auch kaufen würden - am besten millionenfach. Probleme tun sich vor allem dann auf, wenn für den Erfolg noch andere Faktoren vonnöten sind. So wie beim 3-D-Fernsehen. Da war nicht bloß die Technik nicht ganz so einfach - ohne Brille ging es bekanntlich nicht. Es brauchte auch Inhalte.

Doch die kamen nicht so in Massen wie gedacht. Warum auch? Wer setzt sich für ein paar Effekte mit einer dämlichen Brille vor die Glotze? Das war letztlich das Problem der Microsoft-Handys. Die App-Programmierer verspürten angesichts des geringen Marktanteils der Microsoft-Geräte keine Lust, ihre Apps außer für iOS und Android noch für ein drittes System anzupassen. Ohne das App-Angebot aber waren die Geräte unattraktiv.

Dass man das Feld auch in einem stark umkämpften Markt durchaus von hinten aufrollen kann, hat Huawei eindrucksvoll bewiesen. Mit gut ausgestatteten Geräten zu vernünftigen Preisen - und viel Marketing - schaffte es das chinesische Unternehmen, als Späteinsteiger zu einem der größten Anbieter zu wachsen, nur der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt war nicht eingeplant gewesen.

Dass LG nun das Endkunden-Geschäft mit Smartphones aufgibt, ist aber nicht das Ende für die Technologie im Unternehmen. LG baut weiter Bildschirme, auch für Apple, und - wichtiger noch - die Firmenstrategie setzt mit Nachdruck auf Vernetzung im sogenannten Internet der Dinge. Wie wichtig es den Kunden ist, dass im Smart Home etwa die Waschmaschine mit der Mikrowelle verbunden ist, muss sich allerdings auch erst noch zeigen.

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