Kurzvideo-App:Wie Tiktok wieder Spaß ins Netz bringen möchte

TikTok

Logo der App TikTok, die von China aus die Welt der Jugendlichen erobert.

(Foto: OH)

Mitten in die konformistische Trostlosigkeit platzt eine Kurzvideo-App namens Tiktok, hinter der Bytedance steckt, das derzeit wertvollste Start-up der Welt. Bringt Tiktok die Leichtigkeit zurück ins Netz?

Von Michael Moorstedt

In der digitalen Welt geht es zunehmend gleichförmiger zu. Es ist kein Zufall, dass es inzwischen Instagram-Accounts wie insta_repeat gibt, die ähnliche Motive anderer Nutzer zu einem Mosaik der Massenkultur zusammenstellen. Hier sieht man Dutzende Fotos, die kaum voneinander zu unterscheiden sind. Egal, ob pastellige Tischauflagen, Füße am Sandstrand oder dramatische Posen auf hohen Berggipfeln - alles schon mal dagewesen. Individualismus funktioniert einfach nicht, vor allem wenn seine Ausprägungen in leicht indizierbaren Suchbegriffen wie #travel, #goodlife oder #whereiwokeup daherkommen.

Hinein in die konformistische Trostlosigkeit platzt nun Tiktok, eine Kurzvideo-App, die seit vergangenem Sommer die App-Stores der Welt von hinten aufrollt. Ein paar Hundert Millionen Mal ist das Programm inzwischen heruntergeladen worden. Aktive Nutzer gibt es aber deutlich weniger. Die App funktioniert ähnlich wie das vor einiger Zeit von Twitter aufgegebene Video-Projekt Vine, auch ein Quäntchen Snapchat ist in der Formel enthalten, jedenfalls wird den Nutzern eine Vielzahl von Bearbeitungsfunktionen und Filtern für ihre Filmchen geboten.

Pausenhof-Atmosphäre

Man muss die kurzen Filmchen nicht mögen. Trotzdem sind sie erst mal erfrischend. Vielleicht auch nur deshalb, weil man hier all das nicht vorfindet, was ein handelsübliches soziales Netzwerk in den vergangenen Jahren so schwierig gemacht hat. Es gibt hier weder auf den Nutzer zugeschnittene Inhalte noch penetrante Werbung und gesponserte Beiträge, es werden auch keine Blogeinträge geteilt, die auf die eine oder andere Seite des politischen Spektrums einschlagen. Hasserfüllte Posts sieht man ebenso selten wie Influencer, die irgendein obskures Produkt anpreisen, und das auch noch Arbeit nennen.

Anders gesagt: Tiktok wäre ein kleines digitales Paradies - wenn es Nutzer gäbe, die älter als zwanzig sind. Entsprechend herrscht Pausenhof-Atmosphäre, wenige Peinlichkeiten werden ausgelassen. Die Nutzer zeigen Tanz-Choreografien zu aktuellen Hits, führen Zaubertricks auf oder liefern kleine Slapstick-Einlagen, und man sitzt davor und schämt sich fremd.

Die New York Times schrieb dazu zuletzt sardonisch, Tiktok bringe den "Spaß zurück in die sozialen Medien". Wie es mit dem Portal weitergeht, ist schwer zu sagen. Das Geschäftsmodell ist mindestens unklar, helfen mag, dass hinter der App die chinesische Firma Bytedance steht, die mit einem Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar derzeit als wertvollstes Start-up der Welt gilt. Das beste Zeichen dafür, dass es sich hier doch um ein Portal handeln könnte, das Potenzial für mehr hat, findet man allerdings bei der Konkurrenz: Facebook hat vor ein paar Wochen seinen eigenen Tiktok-Klon gestartet.

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