Kurznachrichtendienst Whatsapp:Die guten Gründer

Whatsapp

Whatsapp soll ohne Werbung bleiben.

"Der Nächste, der mich als Unternehmer bezeichnet, kriegt eine Faust ins Gesicht": Die Gründer des Kurznachrichtendienstes Whatsapp wollen anders Geld verdienen als alle anderen Start-ups der Branche. Das weckt sogar schon Begehrlichkeiten bei Facebook und Google.

Von Pia Ratzesberger

Jan Koum folgt auf Twitter genau einer Person. Brian Acton hat auf Facebook bei gerade einmal vier Seiten auf den "Gefällt-mir"-Knopf gedrückt. Koum und Acton, die beiden Gründer des weltweit erfolgreichen SMS-Dienstes Whatsapp, geben sich nicht gerade den soziale Medien zugeneigt - und sind trotzdem dabei, mit ihrem Kurznachrichtendienst die gesamte Branche zu verändern.

300 Millionen Menschen nutzen weltweit jeden Monat Whatsapp, das gibt das Unternehmen an. Das sind 100 Millionen mehr als bei Twitter. Sie schicken nicht nur Textmitteilungen von Handy zu Handy, sondern auch Bilder, Musik, Videos, seit Neuestem sogar Tonaufnahmen. Aus dem Start-up hat sich in nur vier Jahren ein Kurznachrichtendienst entwickelt, der die klassischen SMS-Dienste zunehmend bedroht. Milliarden Nachrichten werden täglich über Whatsapp versendet.

Trotz dieses Erfolgs halten sich die beiden Gründer im Hintergrund. Koum und Acton treten nur selten in der Öffentlichkeit auf, geben ungern Interviews, veröffentlichen kaum Zahlen über ihre Firma. Auf der offiziellen Seite von Whatsapp wendet sich das Unternehmen aus dem Silicon Valley in Blogeinträgen zwar direkt an seine Nutzer, doch selbst hier nur im Abstand von mehreren Monaten. Wenn neue Funktionen der App starten zum Beispiel, wie kürzlich die Sprachmitteilungen, oder wenn die Firma Gerüchte über neue Bezahlmodelle widerlegen will.

Mit Idealismus, ohne Werbung

Die Zurückhaltung der Whatsapp-Chefs passt zu ihrem Geschäftsmodell: keine Werbung für die App, keine Werbung in der App. Der Kurznachrichtendienst ist im ersten Jahr zwar kostenlos, anschließend müssen Nutzer aber jährlich 99 US-Cent zahlen. Im Gegenzug schalten Koum und Action keine Anzeigen. Die Gründer geben an, die Daten ihrer Nutzer nicht zu speichern, keine Profile daraus zu erstellen, sie nicht weiterzuverkaufen: "Wir beachten die verschickten Nachrichten oder die Dauer der Gespräche nicht", sagte Jan Koum mal. Sein Partner und er präsentieren sich als Gegner des Modells, das Firmen wie den Internetkonzern Google groß gemacht hat: "Wir wollten etwas schaffen, das mehr ist als nur eine weitere Verrechnungsstelle für Werbung. Niemand geht abends ins Bett und denkt über die Anzeigen nach, die er am nächsten Tag sehen wird. Aber wir wissen, dass die Leute abends aufgeregt darüber nachdenken, mit wem sie am Tag gechattet haben - und enttäuscht darüber, mit wem sie es nicht getan haben", schreiben die Gründer auf ihrem Blog. Und sparen nicht mit Idealismus: Sie würden das Leben der Menschen mit ihrem Kurznachrichtendienst einfach nur ein klein bisschen besser machen wollen.

Über dem Blogeintrag prangt ein Zitat von Tyler Durden, dem schizophrenen Protagonisten des amerikanischen Romans und der gleichnamigen Verfilmung "Fight Club": "Werbung bringt uns dazu, Autos und Klamotten nachzujagen, in Jobs zu arbeiten, die wir hassen, damit wir Mist kaufen können, den wir nicht brauchen." Dass Koum und Acton die Hauptfigur des Autors Chuck Palahniuk zitieren, zeigt, dass sie, ähnlich wie Durden, mit ihrer App gegen gängige Strukturen aufbegehren wollen. Wenn auch nicht gegen gesellschaftliche, sondern gegen finanzielle. Die Gründer sehen sich als "die Guten" im Silicon Valley, als Anti-Unternehmer. Auf Twitter schrieb Koum im vergangenen Jahr in einem seiner wenigen Tweets: "Der Nächste, der mich als Unternehmer bezeichnet, kriegt von meinem Bodyguard eine Faust ins Gesicht. Wirklich."

Die Verletzlichkeit von Whatsapp

Die bewusste Zurückhaltung, was das eigene Start-up betrifft, ist eine Masche - aber eine, die zu den Gründern passt. Selten lassen sie die Öffentlichkeit in ihre abgeschottete Unternehmenswelt hinein. Wenn doch, geben sie sich selbst für Gründer aus dem Silicon Valley betont locker: Einen Journalisten der spanischen Zeitung El País begrüßten sie im vergangenen Jahr in ihrem Hauptsitz in Mountain View in Bermudas und T-Shirt. Koum war barfuß, Acton trug Flipflops. Ein eigenes Büro hatten die beiden nicht, saßen neben den anderen Mitarbeitern im Großraum. Das Büro erinnerte eher an einen städtischen Jugendtreff als an den Sitz eines der erfolgreichsten Start-up-Unternehmen der vergangenen Jahre.

Dass die Whatsapp-Gründer Werbung so strikt ablehnen, ist aber nicht nur auf ihren zur Schau gestellten Idealismus zurückzuführen, sondern vor allem auf ihre Erfahrung bei dem Internetunternehmen Yahoo. Dort arbeiteten beide mehrere Jahre, mussten miterleben, wie Google den Konzern überholte - weil Google im Werbegeschäft vorne lag und seine Anzeigen besser verkaufen konnte. Für ihr eigenes Unternehmen haben Koum und Acton beschlossen, in diesen Wettbewerb erst gar nicht einzusteigen. Sie wollen nach eigenen Angaben nah an den Menschen sein, wollen die Ressourcen, die anderswo in riesige Werbeabteilungen investiert werden, lieber für die Verbesserung der Technik nutzen. Die Nutzer wüssten das zu schätzen und seien für guten Service bereit zu zahlen, so lautet ihre Überzeugung.

Dabei hat die Firma bei der Technik durchaus Nachbesserungsbedarf. Immer wieder werden Sicherheitslücken im System bekannt. 2011 verlautete bereits, dass Hacker die Konten leicht übernehmen und so unter fremdem Namen Nachrichten verschicken können. Jahrelang übertrug Whatsapp seine Daten gänzlich unverschlüsselt. Auch wenn der Dienst das mittlerweile geändert hat, Experten warnen bis heute vor der Verletzlichkeit des Systems. Datenschützer aus Kanada und den Niederlanden kritisierten zudem erst Anfang des Jahres, dass die App auf alle Kontakte des Telefonbuchs zugreift - selbst auf die Einträge der Personen, die die App selbst gar nicht installiert haben. Das verstoße gegen die Gesetze zum Schutz der Privatsphäre. Whatsapp nutzt den Zugriff auf das Telefonbuch, um den Nutzer mit all denjenigen Freunden und Bekannten zu verbinden, die den Dienst ebenfalls verwenden - und so sein Nachrichtenvolumen weiter zu steigern.

Die Warnungen scheinen die Mehrheit der Menschen, die Whatsapp nutzen, nicht abzuschrecken. Obwohl die Sicherheitslücken seit Jahren bekannt sind, liegt die App immer auf den vorderen Plätzen der heruntergeladenen Apps für Smartphones mit Googles Betriebssystem Android und für das iPhone. Der Vorteil des Dienstes ist, dass er auf so gut wie jedem Handy läuft - auch auf dem Blackberry, Windows-Smartphones und alten Nokia-Modellen. Koum und Acton setzen darauf, dass die Anzahl der Smartphones weiter wachsen wird. Und damit auch die Einnahmen von Whatsapp. "Wir freuen uns auf eine Welt mit Milliarden von Smartphones. Und wenn es einmal so weit ist, wird es extrem einfach sein, Geld zu machen", sagte Koum im April auf einer Konferenz des US-Technikblogs All Things Digital.

Genaue Zahlen hält das Unternehmen zurück. Bei 300 Millionen Nutzern sollte es allerdings heute schon nicht schlecht verdienen: Wenn jeder, der die App herunterlädt, im Jahr 99 US-Cent bezahlt, wären das allein Hunderte Millionen Dollar. Solche Rechnungen schüren Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz. Übernahmegerüchte gibt es immer wieder. Im vergangenen Jahr berichtete der Technikblog Techcrunch, dass Facebook überlege, Whatsapp zu kaufen. Das sonst so schweigsame Unternehmen dementierte vehement. Als im April die Webseite Digital Trends verbreitete, Google hätte den Gründern knapp eine Milliarde US-Dollar geboten, reagierte Whatsapp ebenfalls sofort: Es gebe keine Verkaufsgespräche. Dass Koum und Acton so entschieden widersprechen, ist auch ihrer Unternehmensphilosophie geschuldet. Das eigene Start-up zu verkaufen und damit für die gängigen Werbemodelle zu öffnen, passt nicht in das Bild der aufrichtigen Unternehmer, die zum Wohle ihrer Nutzer handeln. Koum hat schon einmal klar gesagt, was er von solchen Strategien hält: "Leute die eine Firma gründen, um sie dann schnell zu verkaufen, sind eine Schande für das Valley."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: