Süddeutsche Zeitung

Kultfilm "Zurück in die Zukunft":Twitter-Zeitreise mit Fluxkompensator

49 Profile, mehr als 1200 Tweets: Ein aufwändiges Internetprojekt stellt die Handlung des Kultfilms "Zurück in die Zukunft" nach - indem es die Figuren im Kurznachrichtendienst miteinander agieren lässt. Ganz nebenbei zeigt die Aktion, wie gut sich Twitter zum Geschichtenerzählen eignet.

Von Matthias Huber

Twitter ist das Medium der Echtzeit, das Medium unserer Zeit. Der Kanal, auf dem Informationsbrocken und Links verschickt werden. Eigentlich kein Medium, um eine Geschichte zu erzählen - und dann gleich auf drei Zeitebenen zugleich: 1955, 1985, 2015.

Die PR-Spezialisten Gavin Fox, Martin Rose und Tom Hartshorn probieren es trotzdem. Pünktlich zum Jahrestag des US-Kinostarts von "Zurück in die Zukunft" am 25. Oktober haben die drei eine Nacherzählung des Kultfilms gestartet - zusammengefasst auf der Twitter-Liste "The Hill Valley Project".

49 verschiedene Twitter-Accounts haben sie angelegt, von Marty McFly und Doc Brown über Martys Eltern George und Lorraine bis zum Hund Einstein und dem ewigen, epochenübergreifenden Familienfeind Biff Tannen. Im virtuellen Laientheater spielen diese Accounts die Handlung des Films nach.

Ein Dialogbuch, wiedergegeben auf Twitter? Auch. Das Projekt experimentiert aber mit speziellen Erzählmöglichkeiten, die das Medium bietet. Es zeigt, wie sich Verlinkungen und Hashtags einsetzen lassen, um die vielen kleinen Anspielungen zu kennzeichnen, die dem Film zu seinem Kultstatus verhalfen.

Und es holt die paradoxe Zeitreise-Geschichte näher an die nichtvirtuelle Realität. Zum Beispiel, indem die Figuren via Foursquare an wichtigen Handlungsorten einchecken. Und indem Biff, im Jahr 2013 ein 76-jähriger Einwohner von North Hollywood, versucht, Lorraine mit seinem Online-Dating-Profil auf der Webseite match.com zu bezirzen.

Ein Twitter-Projekt von PR-Spezialisten. Was wollen sie also verkaufen? Sie behaupten: nichts, zumindest nicht offiziell. Inoffiziell wollen die Macher aber der Stiftung des Parkinson-kranken "Zurück in die Zukunft"-Hauptdarstellers Michael J. Fox helfen. "Ihre Arbeit inspiriert uns", sagte Gavin Fox dem Blog Digiday. "Wir haben nichts mit der Stiftung zu tun, aber wir dachten uns, dass das eine großartige Plattform sei, um ihnen etwas Aufmerksamkeit zu verschaffen." Promo für den Film, Geld für die Stiftung.

Und was hat es damit auf sich, dass der Film nun "in Echtzeit" erzählt sei? Wie ist das bei einer Zeitreise-Geschichte überhaupt möglich? Es ist nicht so, dass Fox, Rose und Hartshorn die Chronologie des Films verändern würden - oder gar, wenn das möglich wäre, Tweets auf die Fünfziger Jahre zurück zu datieren.

Das "Hill Valley Project" erzählt lediglich den Film nach, und meint mit Echtzeit das, was auch die Fernsehserie "24" als solches ausgegeben hat: Echtzeit aus der Sicht seines Protagonisten, Marty McFly. Wenn er schläft, bewegt sich auch nichts auf der - Achtung! - Timeline.

Während also "Zurück in die Zukunft", der Film, munter zwischen den Jahren 1955 und 1985 (und in den Fortsetzungen noch 2015 und 1885) hin und her wechselt, bleibt "Zurück in die Zukunft", das Twitter-Erzählexperiment, stets im Jahr 2013.

In der Gegenwart also? Nicht ganz. Denn wir alle tun unser ganzes Leben nichts anderes als Zeitreisen, erklärt der Youtube-Channel "Minute Physics". Selbst, wenn wir gar nichts tun. Aber eben immer nur in eine Richtung, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit: Vorwärts in die Zukunft. Als Idee für einen vierten Film mit Marty McFly und Doc Brown wäre das wahrscheinlich nicht aufregend genug.

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