Im Silicon Valley läuft eine Wette um die Zukunft der Welt, und Yann LeCun ist der Mann, auf den Mark Zuckerberg setzt. Wer ihn im New Yorker Facebook-Büro besucht, tippt seinen Namen in ein iPad und wird fünf Minuten später abgeholt. LeCun trägt ein blaues T-Shirt, Hornbrille und spricht Englisch mit französischem Akzent. Fotografieren ist hier verboten, aber das ist eigentlich unnötig: LeCun produziert nichts für Kameralinsen. Seine Forschung soll das soziale Netzwerk komplett umkrempeln und dabei doch unsichtbar bleiben. Er leitet die Abteilung für künstliche Intelligenz (KI).
Nach Jahrzehnten voll enttäuschter Hoffnungen und des stockenden Fortschritts steht LeCun nun an der Spitze einer Bewegung, die viele der Prinzipien, nach denen das moderne Leben organisiert ist, umwerfen könnte: KI wird erwachsen. Algorithmen regieren heute schon in den Alltag vieler Menschen hinein. Sie empfehlen Bücher auf Amazon, Filme auf Netflix, überwachen das Internet, bahnen Beziehungen an.
Seit Jahrzehnten wird an Universitäten künstliche Intelligenz erforscht. Jetzt macht die Disziplin gigantische Sprünge, auch weil mehr Geld im Spiel ist. Viel mehr Geld. Google und Facebook haben den Einsatz auf Hunderte Millionen Dollar erhöht. Das Duell der Datenkonzerne wirkt als Beschleuniger für die Forschung an lernenden Maschinen.
Lernen mit neuronalen Netzwerken
LeCun fängt immer klein an: "Woran wir zur Zeit arbeiten, kann man damit vergleichen, einem Kleinkind ein Buch zu zeigen. Das Kind muss Löwen und Affen erkennen. Die Maschine auch", erklärt er. "Der Unterschied ist, dass Kleinkinder sehen können und Maschinen nicht. Wir müssen ihnen das erst beibringen."
Um Computer sehen zu lehren, setzt das Team von LeCun, 60 Mitarbeiter an drei Standorten, ihnen Bilder vor. Millionen Bilder. Sie sind mit Schlagworten versehen. Auto, Affe, Löwe, Auto. So lange, bis die Computer alleine entscheiden können. Der Lernprozess läuft über ein neuronales Netzwerk, das ist eine Annäherung ans menschliche Hirn und dessen Nervenzellen. Das Netzwerk ist über mehrere Schichten miteinander verbunden, jede verfügt über einige Knotenpunkte.
Je wichtiger eine Verbindung, desto dicker ist sie. Wie hell ist der Gegenstand, ist er eckig oder kantig, wie sind die Proportionen: Von Schicht zu Schicht wird die Analyse detaillierter. "Du zeigst dem System ein Auto und bekommst eine Antwort. Ist sie richtig, bleibt alles unverändert. Wenn die Maschine aber angibt, ein Flugzeug zu erkennen, änderst du die Parameter", fasst LeCun zusammen. Das heißt, die unterschiedlichen Verbindungen innerhalb der Netzwerke werden neu gewichtet. Nach Dutzenden Durchläufen wird der Computer das Auto erkennen - auch dann, wenn es zu großen Teilen mit Schnee bedeckt ist.
Die Maschinen sehen fast so gut wie Menschen. Die Entwicklung ist so vielversprechend, dass Zuckerberg dem Magazin Fast Company sagte: "Eines unserer Ziele ist, (dass die Maschinen) innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre übermenschliche Fähigkeiten entwickeln." Sehen, hören, verstehen, besser als ein Mensch es jemals könnte. Dafür zu sorgen, das ist, in einem Satz ausgedrückt, LeCuns Job.
Spricht man mit führenden Köpfen aus der Forschung, wird deutlich, dass sie alle eine Überzeugung eint: Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Maschinen schlauer sind als Menschen.