Kuba startet Wikipedia-Konkurrenz:Die Welt von Fidel Castro

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Kuba hat mit der Internetenzyklopädie Ecured.cu eine staatskonforme Variante der Wikipedia ins Netz gestellt - und zeigt dort eine ganz eigene Wirklichkeit.

Peter Burghardt

Wer in der Internetbibliothek Wikipedia nach Kuba sucht, der findet eine umfangreiche Beschreibung der Insel in der Karibik. Der Eintrag widmet sich auch Rubriken wie "Opposition", "Menschenrechtssituation" und "Emigration", bebildert unter anderem mit einem "überfüllten Boot mit kubanischen Flüchtlingen".

Kuba
:Insel des Verfalls und der Schönheit

Man kann seinen Kuba-Urlaub im Hotel und am dazugehörigen Strand verbringen. Oder man kann ein schönes Land entdecken.

Benannt wird aber außerdem das international verurteilte US-Embargo, und gelobt werden Bildung ("gehört zu den besten in Lateinamerika") und Gesundheit ("gute Vorsorge, hohe Ärztedichte und hohe Integration").

Beim Thema Wirtschaft heißt es, Kuba habe vor der Revolution 1959 gemäß des Pro-Kopf-Einkommens zu den reichsten Ländern der Region gezählt und sei heute "eine der letzten bestehenden sozialistischen Volkswirtschaften". Ein noch viel weiteres Feld sind die Vereinigten Staaten von Amerika, "nach dem Zerfall der Sowjetunion die einzige verbliebene Supermacht".

Auf der Seite www.ecured.cu liest sich das jetzt ein bisschen anders, dies ist Kubas Antwort auf Wikipedia. Am Dienstag ging das Projekt auf Sendung, dem Vorbild optisch recht ähnlich, aber sonst einigermaßen ungewöhnlich.

EcuRed sei geboren "mit dem Willen, das Wissen mit allen und für alle zu schaffen und zu verteilen, aus Kuba und mit der Welt". Das Ziel sei "demokratisierend, nicht profitabel, aus einer dekolonalisierenden Sicht". Mit Zustimmung des unbekannten Verwalters können Einträge offenbar wie bei Wikipedia verändert werden.

Das Internet ist teuer und langsam

Der Vorstoß verblüfft zunächst, denn Havanna hat gewisse Schwierigkeiten mit dem Netz, was an eigenen und fremden Engpässen liegt. Deshalb braucht man beim Aufruf der Enzyklopädie vor allem Geduld.

Das Internet auf dem Eiland ist teuer und langsam, weil auch angesichts des ewigen Boykotts Washingtons die Breitbandkabel fehlen und die kommunistische Führung Inhalte beschränkt.

Offiziell haben 1,6 Millionen der 11,2 Millionen Kubaner Zugang zum elektronischen Universum. Die Bloggerin Yoani Sánchez wird im Ausland prämiert, zuhause gilt sie als Dissidentin. Kubas Leitung hat seit 52 Jahren andere Vorstellungen als der Westen.

EcuRed bezeichnet die USA als "Imperium, die mächtigste Nation aller Zeiten". Und weist darauf hin, dass der Nachbar ein Viertel der weltweiten Energie verbrauche und trotz seines Reichtums mehr als ein Drittel seiner Bevölkerung keine Gesundheitsversorgung besitze. Dem ist kaum zu widersprechen.

Die USA hätten sich "mit Gewalt Gebiete und Bodenschätze anderer Nationen" genommen, um sie "in den Dienst ihrer Geschäfte und Monopole zu stellen". Von der US-Regierung werde Kuba betrachtet "wie eine schöne Frucht, die irgendwann in ihre Hände fallen wird", was allerdings seit einem halben Jahrhundert misslingt.

Kolumnist Castro dürfte begeistert sein

Bei Kuba selbst widmen sich die Autoren ausführlich der Geschichte, besonders der Unabhängigkeitsbewegung und später der Rebellion gegen den Diktator Fulgencio Batista. Fotos zeigen den Angriff auf die Moncada-Kaserne, die Yacht Granma, Fidel und Raúl Castro in Baseball-Klamotten, die Panzer an der Schweinebucht.

Auch der historische Besuch von Papst Johannes Paul II., einem erklärten Antikommunisten, kommt vor. Die Wirtschaftsreformen werden allenfalls gestreift, die Entlassung von Staatsangestellten findet keine Erwähnung, die Arbeitslosigkeit habe 2007 bei 1,8 Prozent gelegen.

Bei den Biographien der Castros wird erläutert, wie Raúl nach der Krankheit seines Bruders die Präsidentschaft übernahm. Er sei "ein revolutionärer Kämpfer, politischer Führer und militärischer Chef". Fidel Castro? "Heute schreibt er und beteiligt sich auf globalem Niveau an dem Kampf der Ideen. Durch seine moralische Autorität beeinflusst er strategische Entscheidungen der Revolution."

Castro ist oberster Kolumnist der Staatszeitung Granma. Er schätzt sicher auch EcuRed.

© SZ vom 15.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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