Kristina Schröder und der Safer Internet Day:Verfangen im Netz der Floskeln

"Es ist wichtig, dass man, wenn man im Netz surft, es sicher tut": Familienministerin Schröder findet zum Safer Internet Day kaum mehr als schöne Worte. Ihre Ministerkollegin Aigner hat da etwas mehr zu sagen.

Thorsten Denkler und Marlene Weiss

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder legt ihre Stirn in Falten, zieht eine Augenbraue hoch und spricht dann einen Satz, so bedeutungsvoll, als beträte sie gerade als erster Mensch den Mond: "Es ist wichtig, dass, wenn man im Netz surft, es sicher tut." Es ist der zweite Tag der zweiten Woche des zweiten Monats, seit 2004 alljährlich europaweiter "Safer Internet Day" (SID), in Deutschland koordiniert von der Initiative Klicksafe.

Jörg Pilawa, Safer Internet Day

Immer schön lächeln: Schauspielerin Anneke Kim Sarnau (Polizeiruf 110), Ministerin Kristina Schröder (CDU) und Fernsehmoderator Jörg Pilawa am Dienstag in einem Berliner Klassenzimmer.

(Foto: dpa)

Für den SID 2012 scheint den Machern nicht mehr viel eingefallen zu sein. "Verantwortung im Netz" lautet das Thema. Weil das Internet im Jahr 2012 wirklich alle angeht, begründet die Landesmedienanstalt NRW die Entscheidung. Als wenn das 2011 noch nicht der Fall gewesen wäre.

Was in der realen Welt verboten ist

Im Dachgeschoss des Berliner Phorms-Gymnasiums ist alles hergerichtet für den hohen Besuch. Neben Schröder werden aber nur der "Moderatoren-Titan Jörg Pilawa" und die "mit Preisen überschüttete" Schauspielerin Anneke Kim Sarnau (Polizeiruf 110) erwartet. Sarnau wirkt, als wisse sie auch nicht so recht, was sie hier soll. Jedenfalls findet sie das Internet große Klasse. Nur umgehen könne sie damit nicht, zumindest nicht mit Facebook.

Das gibt Familienministerin Schröder die Gelegenheit, kluge Dinge zu sagen. Etwa dass Eltern sich gemeinsam mit ihren Kindern "reinfuchsen" sollten in dieses Internet. Oder dass es gar nicht stimme, dass das Internet ein rechtsfreier Raum sei. Was in der realen Welt verboten sei, sei da auch verboten.

Pilawa sieht da kurz so aus, als würden ihm gleich die Augen zufallen. Er wird aber hellwach, als Schröder vorschlägt, Eltern sollten sich mit ihren Kindern auf Facebook befreunden. Einige Schüler im Raum schauen sich an, als hätte Schröder nicht alle Tassen im Schrank. Mit den Eltern facebooken - pffff! Papa Pilawa fasst das schön zusammen: Eltern müssten sich fragen, ob sie mit ihren Kindern befreundet sein oder sie kontrollieren wollten. Das habe ja auch etwas mit Vertrauen zu tun.

Sicherheit im mobilen Internet

Statt die Welt mit solchen Erkenntnissen zu bereichern, ignorieren das Verbraucherministerium und der IT-Verband Bitkom die SID-Themenvorgabe souverän. Schon seit Jahren nutzen sie die Gelegenheit für eine gemeinsame Konferenz. Deren Thema war in diesem Jahr Sicherheit im mobilen Internet. Schon etwas aktueller.

Jeder vierte Deutsche hat ein internetfähiges Smartphone, bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 58 Prozent, wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbraucherministeriums ergab. 26 Prozent der Nutzer zweifeln jedoch an der Sicherheit beim Verwenden von Apps, den Serviceprogrammen für Internethandys. Auch dass das Telefon über die Ortungsfunktion festhalten kann, wo der Nutzer sich befindet, stört viele.

Theoretisch könnten es ja alle halten wie Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Sein Handy ist mit einer neunstelligen Pin gesichert, die Ortung hat er abgeschaltet. Das hat freilich Nachteile. "Bis ich mein Telefon entsperrt und die Ortung wieder angeschaltet habe, sitzen die anderen schon im Restaurant", sagt Kempf. Personalisierte Werbung hingegen, mit der sich viele Internetangebote finanzieren, will er nicht verteufeln. "Es gibt keine kostenlose Dienstleistung im Internet, Sie zahlen mit Ihren Daten", hält er fest. Ausnahmen? Da fällt ihm einzig ein Internetlexikon ein.

Strengere Regeln

Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner (CSU) fordert hingegen strengere Regeln. Sie will, dass die Hersteller in den Voreinstellungen die Ortungsfunktion abschalten, damit der Nutzer sie selbst anschalten muss. Auch soll vor jeder Weiterverwendung von Daten die Zustimmung des Verbrauchers eingeholt werden. Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes, die momentan im Vermittlungsausschuss hängt, soll zudem Kostenfallen einschränken.

Verbesserungen soll auch eine EU-Verordnung bringen, die Brüssel vorgeschlagen hat: Sie würde den Datenschutz europaweit einheitlich regeln und jedem Einzelnen das "Recht auf Vergessenwerden" geben, also die Löschung seiner Daten. Aigner unterstützt die Verordnung grundsätzlich, warnt aber erneut: "Das Internet muss ein Medium der freien Meinungsäußerung bleiben." Datenschützer sollen keine Blogger zwingen dürfen, Beiträge zu löschen.

Aber zurück zu Kristina Schröder, die seit einigen Jahren intensiv twittert. Und so fragt der Moderator der Podiumsdiskussion in der Phorms-Schule: "Was haben Sie denn als letztes gezwitschert?" Ihre entwaffnende Antwort: "Das, äh, weiß ich ehrlich gesagt nicht." Wie wird sie später sagen? Wer sich im Netz bewegt, der sollte wissen, was er macht.

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