Kreditkarten-Ersatz iPhone:Bezahlen mit dem Daumen

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Alles mit dem Handy bezahlen? Apples Deal mit Kreditkartenfirmen könnte das möglich machen.

(Foto: Bloomberg)

Das Smartphone als digitale Geldbörse - die Technik dafür gibt es schon länger. Doch der Markt dafür ist bislang zersplittert. Durch den Deal mit Kreditkarten-Firmen könnte Apple nun der Durchbruch gelingen. Deutsche Banken werden das System kritisch sehen.

Von Harald Freiberger, Frankfurt, Helmut Martin-Jung, München

Smartphones sind aus dem modernen Leben schon jetzt kaum mehr wegzudenken. Sie dienen als Wecker, übermitteln Nachrichten, weisen den Weg - für nahezu alle Lebenslagen gibt es die passende App. Auch bezahlen kann man damit vereinzelt schon, aber noch ist der Markt zersplittert.

Das könnte sich bald ändern. Denn der Elektronikkonzern Apple hat sich nach Berichten mehrerer US-Medien mit führenden Unternehmen der Kreditkarten-Branche auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Diese würde das neue iPhone, das am Dienstag nächster Woche vorgestellt werden wird, zu einer digitalen Geldbörse machen. Handy zücken, in die Nähe der Kasse halten, bestätigen - und schon ist bezahlt.

Die Frage ist nur: Warum sollte Apple gelingen, was die gesamte Industrie bereits seit Jahren mit bescheidenem Erfolg versucht? Der Markt gilt als schwierig, da viele verschiedene Branchen kooperieren müssen, um ein System zu entwickeln, das nicht nur in einigen Ländern funktioniert.

Für Apple sprechen mehrere Argumente. Zunächst die Basis von 800 Millionen Kunden, die bei Apple bereits ihre Kreditkarten-Daten hinterlegt haben. Auch wenn nicht alle mitmachen, lässt sich aus dieser Nutzerbasis womöglich der Anschub erzeugen, den es braucht, um das Bezahlen per Smartphone voranzubringen. Apple hat es in der Vergangenheit auch immer wieder geschafft, Vorgänge, die bei anderen kompliziert waren, benutzerfreundlich zu gestalten. Das könnte das Projekt digitale Geldbörse ebenfalls voranbringen.

Bezahlterminals mit Chip und PIN als Eintrittskarte für Handys

Im Heimatmarkt USA steht außerdem die Umstellung der Bezahlterminals von Magnetstreifen auf das in Europa bereits übliche Verfahren mit Chip und PIN bevor. Die neuen Terminals, die bei allen Verkaufsstellen Standard werden sollen, beherrschen die Technik, die für das Bezahlen per Handy vorgesehen ist: NFC. Auch in Deutschland werden Bezahlterminals bald NFC-fähig sein, bis 2018 will etwa Mastercard alle Geräte umgerüstet haben. Die Abkürzung steht für "near field communication", für einen Datenaustausch also über geringe Entfernungen hinweg.

Bisher hatte Apple im Gegensatz zu Konkurrenten stets davon abgesehen, einen NFC-Chip in seine iPhones einzubauen. Diese Chips, die in Handys etwa von Samsung oder Nokia schon länger verbaut werden, stellen nicht bloß die Kurzstreckenverbindung her, sondern sichern sie auch durch ein "secure element" ab. Apple kann zudem noch mit seinem Fingerabdruck-Sensor punkten, der sich für die Authentifizierung von Bezahlvorgängen nutzen lässt.

Kreditkarten-Firmen wollen den Deal nicht bestätigen

Die Kreditkarten-Firmen wollen die Zusammenarbeit mit Apple nicht bestätigen. Inoffiziell räumt man aber ein, dass es wohl auf den Deal hinauslaufe. "Der Schritt wird den elektronischen Zahlungsverkehr entscheidend voranbringen", heißt es bei einem Unternehmen.

Experten sehen Anbieter wie Visa, Mastercard oder American Express als Gewinner. "Sie würden profitieren, weil sie den Anschluss an das elektronische Bezahlen auch dann behalten, wenn sich der Trend von der Plastikkarte weg entwickelt", sagt Oliver Hommel, Experte für Zahlungsverkehr beim Beratungsunternehmen Accenture. Apple selbst habe zunächst gar nicht so viele finanzielle Vorteile. "Die Gewinnmargen für die Transaktionen der Kartenunternehmen sind so gering, dass sie kaum etwas an Apple weitergeben können werden", sagt Hommel.

Schwierig könnte der europäische Zahlungsverkehrsmarkt werden

Für den Experten überraschend ist, dass Apple offenbar bereit ist, einen großen Teil der erforderlichen Technologie aus der Hand zu geben. Der US-Konzern würde auf bestehende Zahlungsverkehrssysteme zurückgreifen: NFC in den Smartphones, die Terminals bei den Einzelhändlern, die Kommunikation zwischen Händlern und Banken, die dahinter stehen.

Apple, so sieht es aus, wird sich auf den Kontakt zum Kunden beschränken. Darin liegt auch der Vorteil für den US-Konzern. "Es wird darum gehen, das Bezahlen per iPhone als Anker für zusätzliche Leistungen zu nutzen, die Geld einbringen", sagt Hommel. Das könnten zum Beispiel Kundenbindungsprogramme im Stil von Payback sein.

Andere Möglichkeiten sind Gutschrift-Systeme ("Couponing") oder Werbung auf dem Smartphone. Das Zahlen und die Berechnung von Coupons könnten dann in einem Vorgang ablaufen. Von Vorteil für Apple ist auch, dass der Konzern an vermarktbare Zahlungsdaten herankommt, so ließe sich auf den Kunden zugeschnittene Werbung anbieten.

Schwierig wird es nach Ansicht von Hommel für Apple, den europäischen Zahlungsverkehrsmarkt zu durchdringen. Er sei - anders als die USA - sehr stark reguliert und je nach Land sehr unterschiedlich. In Deutschland etwa dominiert die Girocard (früher EC-Karte).

Trotzdem werden gerade die deutschen Banken und Sparkassen den Deal argwöhnisch beobachten. Wenn Apple eine so umfassende Vereinbarung mit den Kreditkarten-Unternehmen eingeht, drohen sie den Zugriff auf die Kunden im elektronischen Zahlungsverkehr zu verlieren. Auf den Kreditkarten steht immer noch das Logo der Bank - auf einem iPhone dagegen steht nur ein Name: Apple.

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