MP3-Onlinespeicher:Amazons Musik-Schließfach blamiert die Konkurrenz

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Nicht Apple oder Google, sondern Amazon bietet seinen Nutzern künftig die Möglichkeit, Musikdateien und Filme online zu speichern und von überall abzurufen.

Johannes Kuhn

Kein lästiges Hin-und-her-Kopieren von Dateien mehr, keine überfüllten iPods: Musikfans träumen schon lange davon, ihre MP3-Sammlung im Internet zu speichern und von überall abrufen zu können, egal ob am heimischen Computer, bei Freunden oder über das Smartphone.

Amazon-Homepage: Gekaufte MP3s wandern gleich ins Musik-Schließfach. (Foto: AFP)

Google und Apple, so heißt es schon seit Jahren, würden an einer solchen Musik-Festplatte in der "Cloud" arbeiten und sie bald auf den Markt bringen. Doch nun kommt den beiden IT-Giganten ausgerechnet ein Konkurrent zuvor, den die beiden Unternehmen zwischenzeitlich bereits abgeschrieben hatten: Der Online-Versandhändler Amazon.

Der bietet bereits seit längerem den Online-Speicher "Cloud Drive" an, hat diesen aber nun um einen Musik-Player ("Amazon Cloud Player") erweitert. Kunden können künftig bis zu fünf Gigabyte an Musik-, aber auch Filmdateien oder anderen Dokumenten kostenlos hochladen. Wer ein MP3-Album bei Amazon kauft, erhält eine Speichererweiterung auf 20 Gigabyte.

Die hochgeladenen Musikfiles lassen sich dann über alle javafähigen Browser, sowie über alle Android-Handys abspielen. Apple-Geräte werden derzeit noch nicht unterstützt. Wer mehr als 20 Gigabyte Speicher braucht, zahlt für jedes weitere Gigabyte einen Dollar pro Jahr. Der Dienst ist bislang allerdings nur in den USA verfügbar.

Das Online-Schließfach für Musik bringt Amazon gleich mehrere Vorteile: Auf der einen Seite wird nun der MP3-Kauf über den Internet-Händler interessanter, da alle dort getätigten Musikkäufe sofort auf den Servern von Amazon gespeichert und abrufbar gemacht werden.

Problematische Nutzungsbedingungen

Dies führt wiederum dazu, dass die Anmietung von Speicherplatz im Netz auch für Privatkunden einfacher begreiflich und damit interessanter wird, vor allem, wenn die Übertragung großer Datenmengen über das mobile Internet preiswerter wird. Der Idealfall für Amazon wäre, dass Nutzer mittelfristig ihr komplettes Festplatten-Inventar auf den Servern des Unternehmens speichern - und dafür eine entsprechende Miete überweisen.

Allerdings dürfte sich nach Studium der Nutzungsbedingungen jeder Kunde zweimal überlegen, ob er private Daten bei Amazon lagert: So übernimmt Amazon den Geschäftsbedingungen zufolge keinerlei Haftung, falls die Daten verlorengehen. "Sie sind dafür verantwortlich, für angemessene Sicherheitsmaßnahmen, Schutz und Sicherungskopien Ihrer Daten zu sorgen", heißt es.

Weiterhin behält sich Amazon das Recht vor, Informationen über die Nutzung des Cloud-Dienstes zu sammeln - beispielsweise darüber, mit welchen Endgeräten ein Kunde die Musikdateien abgespielt hat und wo sich dieses Gerät ins Internet einwählt.

Zudem gibt der Nutzer Amazon das Recht, den Inhalt der Internet-Festplatte zu überprüfen. Dies ist beispielsweise denkbar, wenn über ein Konto urheberrechtlich geschütztes Material illegal zugänglich gemacht wird oder Ermittlungsbehörden Einsicht verlangen.

Musiklabel sauer

Rechtliche Fragen sind auch der Grund, weshalb Google und Apple einen solchen Streaming-Dienst bislang nicht anbieten. Um den Kunden den Abruf der Dateien über die Firmenserver zu ermöglichen, müssen die Nutzungsbedingungen mit Rechteinhabern wie Filmstudios und Plattenfirmen neu ausverhandelt werden.

Amazon hat offenbar darauf verzichtet, alle Musiklabels mit ins Boot zu holen. "Wir sind sehr enttäuscht, dass der Schließfach-Dienst von Amazon nicht von Sony Music lizensiert wurde", gab beispielsweise eine Sony-Sprecherin dem Wall Street Journal zu Protokoll.

Es ist durchaus möglich, dass Amazon Sony-Künstler bald aus dem Streaming-Angebot ausklammern muss. Offenbar rechnet der Internet-Händler aber damit, bei möglichen Klagen auf der sicheren Seite zu stehen und bis dahin seinen zeitlichen Vorteil ausnutzen zu können, um Kunden zu gewinnen. Mit Googles Cloud-Dienst, der in einen Online-Musikshop integriert werden soll, wird im Laufe des Frühjahrs gerechnet. Apple könnte sein Streaming-Angebot für iTunes mit dem nächsten iPhone vorstellen, das in diesem Jahr für den Herbst erwartet wird.

Amazon als iTunes-Konkurrent

Bereits vor wenigen Tagen hatte Amazon die beiden Konkurrenten düpiert, als es einen Online-Shop für Apps des Google-Smartphone-Betriebssystems Android vorstellte. Dieser könnte nicht nur Googles eigenen, wenig übersichtlichen App-Marktplatz überflüssig machen; mit einem Angebot aus Apps, MP3s, Streaming und Cloud-Speicher steht Amazon auch in direkter Konkurrenz zu Apples iTunes-Digitalshop.

Das weiß auch das Team um Apple-Gründer Steve Jobs: Nur wenige Stunden nach dem Start kündigte Apple damals an, gegen Amazons App-Store zu klagen. Falls es einen Beweis bedurft hätte, dass Amazon wieder ein ernstzunehmender Rivale im digitalen Geschäft ist - der Cloud Player hat ihn der Konkurrenz nun endgültig geliefert.

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