Süddeutsche Zeitung

Kopierschutz:Ausgeraubt

Nach einer neuen Richtlinie aus Brüssel dürfen Hacker ihre Tricks demnächst auch in Deutschland nicht mehr veröffentlichen.

Achim von Michel

(SZ vom 7.10.2002) - Die Europäische Union hat ein Weihnachtsgeschenk für Musiker, Autoren, Fotografen und andere Kreative parat: bis zum 22. Dezember 2002 muss auch in Deutschland eine neue Richtlinie aus Brüssel in geltendes Recht umgesetzt werden, die Kopierschutz-Verfahren vor dem schnellen Tod durch Codeknacker bewahren soll. Hacker dürfen dann nach dem 22. Dezember ihre Tricks nicht mehr veröffentlichen. Das wird zum Beispiel die Tonträgerindustrie sehr freuen, die ihren Umsatzrückgang von über 10 Prozent im letzten Jahr zu einem großen Teil auf Raubkopien schiebt. Sind sie also endgültig vorbei, die goldenen Zeiten, in denen die simple Sucheingabe "+ kopierschutz +umgehen" in einer Internet-Suchmaschine den Weg zu Anleitungen bahnte, wie Kopierschutz-Verfahren umgangen werden können?

Erst die Praxis wird zeigen, ob die digitalen Codeknacker durch ein entsprechendes Gesetz tatsächlich von ihren Künsten ablassen werden, oder sich durch rechtsfreie Räume im Internet neue Wege für den Konsumenten erschließen, an die entsprechenden Kniffe zu gelangen. Die deutschen Verwertungsgesellschaften, allen voran GEMA, VG Wort und VG Bild-Kunst halten einen anderen Weg für wesentlich vielversprechender. Sie plädieren dafür, das Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke im Privatbereich weiterhin zuzulassen und keinesfalls durch Kopierschutz-Mechanismen einzuschränken. Damit die Urheber dennoch für ihre Arbeit entlohnt werden, setzen GEMA & Co auf ein bewährtes Instrument: die Vergütungspauschale.

Seit 1965 ist im Kaufpreis eines Speichergerätes (Kassetten-, Videorekorder) oder eines Speichermediums (Audio-, Videokassette) eine geringe Pauschale enthalten, mit der alle Ansprüche abgegolten werden. Diese "Lizenz zum Kopieren" gilt für die Lebensdauer des Gerätes bzw. Speichermediums. Die Pauschale wird von der Industrie an die Verwertungsgesellschaften abgeführt, die das Geld wiederum jährlich an die Kreativen ausschütten.

Im digitalen Zeitalter ist die bewährte Praxis jedoch in die Diskussion gekommen: Industrievertreter wie die BITKOM setzen sich für eine Abschaffung der pauschalen Vergütung bei PCs, Scannern oder CD-Rohlingen ein, um im hart umkämpften IT-Markt die Preise zu senken. Mit Digital Rights Management-Systemen soll statt dessen in Zukunft jeder private Kopiervorgang einzeln erfasst und dann der Konsument individuell zur Kasse gebeten werden. Neben datenschutzrechtlichen Problemen sehen die Verwertungsgesellschaften in diesem Ansatz auch einen Angriff auf das Urheberrecht. Dort ist klar festgeschrieben, dass Kopien für den privaten Zweck erlaubt sind, die entstehenden Ansprüche regelt die pauschale Vergütung. Mit der Kampagne "Ja zur privaten Kopie"verdeutlichen GEMA, VG Wort und VG Bild-Kunst seit Frühsommer, dass dieses Recht in einer demokratischen Informationsgesellschaft unbedingt erhalten bleiben muss.

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