Süddeutsche Zeitung

Konkurrenz durch Smartphones:Goodbye, Digitalkamera?

Ob für Schnappschüsse im Alltag oder Spielereien in Internet-Blogs - das Smartphone erobert die Fotowelt und verdrängt klassische Digitalkameras. "Phoneographie" heißt dieser Trend, der die Kamera-Branche zum Umdenken zwingt.

Von Charlotte Dietz

Das Smartphone knipst überall. Hier ein Foto vor dem Eiffelturm, dort ein Selfie im Central Park. Es hält im Alltag die schönsten Momente fest und sorgt auf Partys für Schnappschüsse. Auf Knopfdruck landen die sofort auf Facebook, treten ein in den Kampf um die meisten Likes. Und vor allem: Das Smartphone hat man immer dabei.

Es hat eine steile Karriere hingelegt - der jährliche Absatz hat sich zwischen 2010 und 2013 weltweit mehr als verdreifacht. Im Gegenzug geht es bei Digitalkameras steil bergab: Die Verkäufe sinken seit Jahren. 2011 wurden erstmals mehr Smartphones als Kameras verkauft. Allein 2013 gingen die Verläufe im Vergleich zum Vorjahr um fast 21 Prozent zurück. Betroffen sind vor allem die kleinen, günstigen Kameras: "Alles, was einfach, billig und ohne Besonderheiten war, hat das Smartphone schon verdrängt", sagt Steffen Grosch, Produktmanager bei Sony.

Auch Umfragen prophezeien der Spezies Kompaktkamera keine gute Zukunft. 2013 fand der Internet-Branchenverband Bitkom heraus, dass bereits über 60 Prozent der Smartphone-Nutzer dieses häufig oder sogar immer für Fotos nutzen. Unabbhängig davon besitzen fast vierzig Prozent gar keine separate Kamera mehr.

Die Entwicklung zeigt einmal mehr, wie schnelllebig das digitale Zeitalter ist. Erst nach der Jahrtausendwende wurden digitale Kameras populär. Auch das forderte an anderer Stelle Tribut: Analoge Geräte verloren an Bedeutung. Die meisten Hersteller haben die Produktion reduziert oder ganz eingestellt.

Hersteller setzen auf teure Modelle und Wlan

Nun müssen sie auf den neuen Druck durch Smartphones reagieren. Sony hat Kameras unter 100 Euro seit einem halben Jahr aus dem Sortiment genommen. Modelle für Einsteiger mit einfacher Ausstattung kauft niemand mehr - zu sehr ähneln ihnen moderne Smartphones bereits. Panasonic rechnet sogar damit, dass in den nächsten Jahren auch Kameras der mittleren Klasse den immer besseren Smartphones zum Opfer fallen.

Deshalb konzentrieren sich Kamerahersteller zunehmend auf teure Spiegelreflexkameras oder Systemkameras mit Wechselobjektiven. Das gilt besonders für Konzerne wie Sony oder Samsung, die sowohl Smartphones als auch Kameras an den Mann bringen wollen. Auch Olympus möchte höhere Ansprüche bedienen: "Wann immer jemand mehr möchte als einen Schnappschuss, kommen unsere Produkte ins Spiel", sagt Marketingleiter Olaf Kreuter. Deshalb konzentriere sich der Konzern auf Ultrazoom-Modelle und Systemkameras mit viel Zubehör.

Die zweite Strategie: Kameras sollen smartphoniger werden. Die meisten neuen Modelle sind Wlan-fähig. Im ersten Halbjahr 2013 lag ihr Umsatzanteil bereits bei 58 Prozent. Durch die Vernetzung können Hobbyfotografen auch mit der Kamera ihre Schnappschüsse schnell im Internet teilen oder zumindest aufs Smartphone überspielen. Viele Anbieter installieren Smartphone-Betriebssysteme wie Android auf ihren Kameras. Marktforscher vermuten, dass der Anteil dieser Modelle in den nächsten drei Jahren auf bis zu 50 Prozent steigen wird. Mit Android und Wlan halten dann auch beliebte Foto-Apps wie Instagram oder Hipstamatic Einzug in die Kameras.

Die Knipserei mit dem Smartphone hat längst schon einen eigenen Namen: "Phoneographie" heißt der Trend. Seine Anhänger tüfteln aus, mit welchen Einstellungen und Apps man die Handyfotos optimieren kann. Der Blog We love Phoneography bietet dazu sogar vierwöchige Kurse an, die iPhone Photography School veröffentlicht regelmäßig Tutorials. Dort lernen Phoneographie-Fans, wie sie Landschaftsfotos gut hinbekommen oder mit der Tiefenschärfe spielen können - und erhalten obendrein Tipps, wie man viele Follower auf Instagram anzieht.

Ein Anhänger der Bewegung ist Fotograf Christian Sackmann. Auf seinem Blog stellt er eigene iPhone-Aufnahmen ins Internet. Sie zeigen mal ein Cocktailglas, mal eine Kaufhausgalerie, mal den Sonnenuntergang über der Autobahn - Alltagsfotos eben. "Irgendwann habe ich festgestellt, die Kameras sind so gut, dass man damit auch ordentliche Fotos machen kann", sagt Sackmann.

Auch gedruckte Fachliteratur gibt es bereits: Der IT-Journalist Timo Stoppacher hat eine Zeitung gegründet, die sich nur mit dem Thema beschäftigt. Vierteljährlich erscheint die Smart Photo Digest, testet Apps und stellt neuestes Zubehör vor. Timo Stoppacher ist überzeugt: "Man wird bald für die allermeisten Zwecke das Smartphone aus der Tasche ziehen."

Mehr Lust auf anspruchsvolle Fotos

Die höhere Nachfrage nach teureren Modellen spiegelt sich bereits in den Zahlen wider: Zwischen 2008 und 2012 gingen die verkauften Stückzahlen von Kameras insgesamt um über 30 Prozent zurück. Der Umsatz sank im selben Zeitraum hingegen um zehn Prozent. Das heißt im Umkehrschluss, dass zwar weniger, aber teurere Kameras gekauft werden. "Fotografie ist durch die Smartphones allgegenwärtig und weckt die Lust, mit einem höheren Anspruch zu fotografieren", sagt ein Sprecher von Panasonic. Das Smartphone für den Einstieg und Alltag, die Kamera für anspruchsvolle Fotos - so wird es in Zukunft wohl aussehen.

Denn professionell fotografiert auch Blogger Christian Sackmann nicht mit dem Smartphone. Der Grund für seine Blog-Fotos ist Bequemlichkeit: "Ich will einfach nicht immer meine ganze Ausrüstung mitschleppen." Für hohe Fotoqualität seien die Smartphones aber nicht gut genug. Und doch machen Smartphonebilder auch professionellen Fotos hin und wieder den Platz streitig: Schon zweimal zeigte die New York Times ein Handyfoto auf der Titelseite. Für das Foto eines Soldaten in Afghanistan erhielt US-Fotograf Nick Laham sogar einen Preis.

Zusatz: Fünf kostenlose Foto-Apps für iOs und Android

Neben Instagram haben unzählige Bildbearbeitungs-Apps den Markt erobert. Wir stellen fünf Beispiele vor, die kostenlos für Apples und Googles Handy-Betriebssysteme zu haben sind.

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