Konflikt mit China:Googles Außenpolitik

Google handelt gegenüber China wie ein Staat, weil Meinungsfreiheit die Geschäftsgrundlage des Unternehmens ist. Doch wenn Konzerne Politik machen, lauern Gefahren.

Andrian Kreye

Fast könnte man meinen, Google sei ein Staat. Der Gestus jedenfalls, mit dem der Internet-Konzern verkündete, die Zensur seiner Suchmaschine durch Chinas Machthaber nicht mehr zu dulden und androhte, seine Konzernfiliale in China zu schließen, erinnert an eine Regierung, die diplomatische Beziehungen abbricht.

Konflikt mit China: Blumen vor dem Pekinger Google-Sitz: Staatsähnlicher Akteur mit eigennützigen Motiven.

Blumen vor dem Pekinger Google-Sitz: Staatsähnlicher Akteur mit eigennützigen Motiven.

(Foto: Foto: AP)

Nun haben Konzerne schon seit jener Zeit Politik betrieben, als die Fugger ihrem Kaiser Karl V. den Sieg in der Schlacht bei Pavia finanzierten. Selten aber traten Firmen so offen als weltpolitische Akteure auf, wie der Suchmaschinenkonzern. Doch es war ein richtiger Schritt, den Google da getan hat. Aus drei gewichtigen Gründen.

Im Video: China pocht auch nach der Google-Drohung auf seine Zensur im Internet und hat die Medienunternehmen zur Zusammenarbeit aufgefordert.

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Zunächst einmal verdeutlicht Google der Welt die politische Dimension der sogenannten "Cyberwarfare", der digitalen Kriegsführung. Für viele ist das noch ein abstrakter Begriff, der scheinbar nicht viel mehr beschreibt als Sabotage und Vandalismus.

Weil das Internet aber längst nicht nur Kommunikationsmedium, sondern handfeste Infrastruktur ist, hat sich die digitale Kriegsführung zu einer Gefahr entwickelt, die ganze Volkswirtschaften bedrohen kann.

Google schützt sein Geschäftsmodell

Andererseits schützt Google mit seiner diplomatischen Schärfe gegenüber China sein eigenes Geschäftsmodell. Geld verdient Google nämlich vor allem damit, dass es die Informationen seiner Nutzer so verarbeitet, dass Werbung und Industrie mit Hilfe dieser Informationen zielgenau an potentielle Kunden herantreten können.

Dieses "Data Mining", also der "Datenbergbau", soll noch erheblich erweitert werden. Bald soll die Industrie nicht nur gezielte Werbung schalten, sondern die Daten auch für Marktforschung und Produktentwicklung nutzen können. Googles Bemühungen, nach den Konsumentenprofilen auch genetische Informationen aus den DNS-Analysen für Endverbraucher zu sammeln, soll in einigen Jahren gar die Medizin und Pharmaindustrie revolutionieren.

Um solche, teils aus dem privatesten Bereich der Nutzer stammende Datenmengen zu sammeln, muss Google einen Balanceakt vollführen. Einerseits geht dies nicht ohne das Vertrauen der Nutzer, dass der Konzern mit den Informationen keinen Missbrauch betreibt.

Andererseits ist Google aber auf eine größtmögliche Offenheit des Netzes angewiesen, um diese Daten zu generieren. Seine Bereitschaft, die Suchmaschine in China mit einem "Zensurfilter" der Regierung zu beschränken, hatte das Vertrauen in Google seit 2006 nachhaltig erschüttert.

Wohin wird sich Googles politische Macht entwickeln?

Indem er nun aber China die Stirn bieten will, geriert sich der Konzern als Vorkämpfer für die Meinungsfreiheit. Selbst die Electronic Frontier Foundation (EFF), die seit den Frühzeiten des Internets gegen Zensur und Einflussnahme kämpft, schrieb auf ihrer Webseite: "Bravo Google!"

Als Google seine gefilterte Suchmaschine in China startete, gehörte EFF zu den ersten Kritikern. Nun wollte die Organisation eine der ersten sein, die Google für seine "mutige und unverblümte Ankündigung loben, nur noch eine unzensierte chinesische Ausgabe ihrer Suchmaschine anzubieten".

China ist auch nicht das einzige Land, in dem Google für die Freiheit des Internets kämpft. In ihrer amerikanischen Heimat gehört die Firma zu den Vorreitern der "Netzneutralität", die das Netz als unregulierte, öffentliche Einrichtung erhalten soll - ebenfalls unabdingbar für Googles Geschäfte.

Man sollte dem Suchmaschinenkonzern diese eigennützigen Motive nicht vorwerfen. Schutz vor Repressionen und Meinungsfreiheit sind für Google keine hehren Werte, sondern Geschäftgrundlage.

Genauso wie Demokratie, Freiheit und Wohlstand schon immer Voraussetzung für die freie Marktwirtschaft waren. Deswegen lag es auch oft im Interesse internationaler Konzerne, repressive Regimes und Diktatoren zu stürzen. Weniger um Völker zu befreien, als um Märkte zu öffnen.

Konzerne in der No-go-Area der Geopolitik

Google vollzieht mit seinem Vorstoß in die Außenpolitik letztlich einen Schritt, den konservative Politiker und Nichtregierungsorganisationen seit langem fordern. Weil Macht und Einfluss von nationalen Regierungen in der globalisierten Welt oft nicht mehr greifen, soll die Wirtschaft in den No-go-Areas der Geopolitik richten, was die Politik nicht mehr schafft.

Diese Forderung wird immer lauter, auch weil mit den Bric-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China, vier wirtschaftskräftige Mächte die geopolitische Bühne betreten haben, für die die Einhaltung von Menschenrechten keine Grundvoraussetzung ist, um beispielsweise Finanz- oder Entwicklungshilfe zu leisten.

In Krisengebieten wie Darfur oder Sri Lanka ziehen die wirtschaftlichen Druckmittel des Westens nicht mehr, weil es Geld aus China ohne die Bürde menschenrechtlicher Auflagen gibt. Ein Weltkonzern hat da oft mehr Macht und Spielraum, um schwierige Regierungen zum Einlenken zu bringen.

Die US-Regierung unterstützt Google aktiv in der Konfrontation mit China. Wohin aber wird sich die politische Macht des Konzerns entwickeln? Wird Google ein Indikator für Freiheit und Wohlstand, wie Coca Cola und McDonald's? Oder ein sinistrer Global Player wie einst die United Fruit Company, zu deren Gunsten die CIA zentralamerikanische Staatsstreiche lancierte?

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