Konferenz zur Cybersicherheit:Obama fordert offene Debatte über Verschlüsselung

  • Die US-Regierung hat Internet-Unternehmen zu einem verstärkten Austausch von Daten aufgefordert. US-Präsident Obama unterzeichnete ein entsprechendes Dekret.
  • Obama äußert sich in einem Interview überraschend positiv zu "starker Verschlüsselung"
  • Nach den zahlreichen Hackerangriffen auf Unternehmen in den USA hatte Obama die Tech-Konzerne zu einem Spitzentreffen zur Cybersicherheit eingeladen.
  • Apple-Chef Tim Cook warnt auf der Konferenz eindringlich vor dem Verlust der digitalen Privatsphäre.
  • Die Stimmung zwischen den Technologie-Konzernen und der Regierung gilt seit der NSA-Affäre als angespannt.

Obama unterzeichnet Dekret

Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch Hackerangriffe drängt die US-Regierung Internet-Unternehmen zum verstärkten Austausch von Daten.

US-Präsident Barack Obama unterzeichnete einen Erlass, der einen besseren Informationsaustausch von Firmen untereinander sowie mit der Regierung ermöglichen soll. Unternehmen sollen ihr Wissen über digitale Attacken und andere Bedrohungen bündeln und weiterreichen. Dazu sollen "Organisationen zur Analyse und Weitergabe von Informationen" (ISAO) geschaffen werden. Am Freitag nahm er an einem Cybersicherheits-Gipfel in Stanford teil.

Tim Cook: Privatsphäre eine Frage von "Leben und Tod"

Klar gegen digitale Überwachung positionierte sich Apple-Chef Tim Cook: In seiner Rede in Stanford erklärte er, die Frage nach Privatsphäre sei für viele Menschen eine "Frage von Leben und Tod", wenn ihnen Verfolgung wegen ihrer Meinung, sexueller Präferenz oder Religion drohe. "Wenn die von uns, die in verantwortlichen Positionen stehen, nicht alles in unserer Macht tun, um die Privatsphäre zu schützen, riskieren wir etwas sehr viel wertvolleres als Geld: Wir riskieren unsere Art, zu leben." Seit der NSA-Affäre gilt das Verhältnis zwischen den Tech-Unternehmen und der Regierung als beschädigt - Yahoo, Google und Facebook schickten Berichten zufolge nur Abteilungsleiter zu der Konferenz.

Obama äußert sich nuanciert zur Verschlüsselung

In einem Interview mit der Tech-Seite Re/code erklärte Obama, er selbst sei eher auf der Seite "starker Verschlüsselung" als "Einige" Gesetzeshüter. Gleichzeitig verstehe er deren Bedenken - sollte im Falle eines Anschlags herauskommen, dass die Ermittlern Hinweisen aufgrund von Verschlüsselung nicht nachkommen könnten, werde die Öffentlichkeit "Antworten verlangen". Er rief zu einer "öffentliche Konversation" zum Thema auf. Vor einigen Wochen hatte Obama nach einem Treffen mit dem britischen Premier David Cameron Ende-zu-Ende-Verschlüsselung noch als "Problem" bezeichnet.

Hintergrund: Warum ein Cybergipfel?

Bei dem Treffen ging es vor allem um die Abwehr von Hackerattacken. In den vergangenen Wochen und Monaten kam es wiederholt zu Datendiebstählen, deren gesamtes Ausmaß nicht abzuschätzen ist.

Die Bank JP Morgan meldete 83 Millionen gehackte Konten, wobei die Angreifer Zugriff auf Namen, Adressen und Telefonnummern hatten. Der Krankenkasse Anthem wurden 80 Millionen Kundendaten entwendet. Beim Sony-Pictures-Hack wurden 100 Terabyte Daten erbeutet - sie waren so brisant, dass das Weiße Haus sich einschaltete und öffentlich Nordkorea beschuldigte, hinter dem Angriff zu stecken. Auch Google gehört zu den Unternehmen, die von chinesischen Hackern erfolgreich angegriffen wurden.

"Alle sollen zusammenkommen", sagte Obama im vergangenen Monat, als er das Treffen ankündigte. "Die Industrie, Technikkonzerne, Strafverfolgungsbehörden, Datenschützer und Rechtswissenschaftler."

NSA lässt Kryptografie-Experten werkeln

Wenn Eric Schmidt, wie angekündigt, nicht zu dem Treffen erscheint, ist das ein Affront. Tatsächlich hat sich seit den Geheimdienst-Enthüllungen die Situation deutlich verschlechtert. Aus den von Edward Snowden geleakten Dokumenten geht hervor, dass der Geheimdienst NSA an allen Ecken und Enden des Internets Kryptografie-Experten werkeln lässt, um sich Zugang zu verschaffen. Die Methoden werden in Präsentationen vorgestellt, oft tauchen dort auch Firmen wie Facebook, Yahoo und Google auf.

Bei Google zum Beispiel hat sich der Nachrichtendienst in die Leitungen der Rechenzentren eingeklinkt - dort speicherte das Unternehmen die Daten teilweise im Klartext. Auf einer Präsentationsfolie des Geheimdienstes zu sehen: ein grinsender Smiley. Zwei Google-Mitarbeiter regte das so sehr auf, dass sie besonders klare Worte fanden. Auch Mark Zuckerberg und Eric Schmidt äußerten ihren Unmut mehrfach.

Tech-Konzerne beklagen mangelnde Unterstützung

Die Technik-Firmen finden sich in einer Situation wieder, in der die Regierung sie zur Kooperation zwingt und dabei selbst nur wenig unternimmt, um ihnen tatsächlich zu helfen. Deutlich wird das vor allem daran, dass die NSA mehr als 2000 Hintertüren kennen soll, mit denen sie sich in Systeme hineinschleichen kann. Diese Geheimwege behält sie für sich, teilt sie also nicht mit den betroffenen Unternehmen. Für die heißt das wiederum: die NSA könnte ihnen helfen, tut es aber nicht.

Gleichzeitig ernten die Unternehmen stets harsche Kritik der Regierung, wenn sie versuchen, die Privatsphäre ihrer Nutzer zu schützen. Etwa, als Apple das neue mobile Betriebssystem iOS 8 einführte, das Daten komplett verschlüsselt. Für die Nutzer ist das sinnvoll, Geheimdienste und Polizeibehörden hingegen beklagten, es erschwere ihre Arbeit. Denn zu knacken sind solche Verschlüsselungen nicht - zumindest nach allem, was bis dato bekannt ist.

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