Kommunikation im Web 2.0:Die Angst der Unternehmen vor Blogs

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Blogger kritisieren gerne Konzerne: Doch wer als Firma sofort mit einer Klage droht, hat das Wesen des Internets nicht verstanden.

J. Boie

So dürfte der Albtraum von Chefs und Unternehmenssprechern aussehen: Journalisten hängen mit unangenehmen Fragen in der Telefonleitung, Rechtsanwälte schicken lange Schriftsätze, während im Internet das Image der Firma kräftig leidet.

In Sachen Kommunikation sind viele Unternehmer noch nicht im sozialen Web angekommen (Foto: Foto: iStock)

Dieser Albtraum wird immer öfter Realität. Denn viele Kommunikationsprofis wissen nicht, wie sie sinnvoll mit Kritik im Internet umgehen sollen. Der Austausch mit Bloggern, also mit unabhängigen Internetautoren, die im Netz ein digitales Notizbuch veröffentlichen, ist für die Konzerne zur großen Herausforderung geworden.

Denn Blogger kritisieren oft hemmungslos Produkte und Firmen auf ihren Webseiten. Nicht immer ist die Kritik gerechtfertigt, und gelegentlich überschreitet sie die Grenze zur Schmähung. Aber in jedem Fall kann die gesamte Welt mitlesen. Was früher in Briefen wütender Kunden an den betreffenden Konzern stand und schlimmstenfalls als Leserbrief bei einer Zeitung landete, wird heute im Netz veröffentlicht.

Blogger sind gut vernetzt

Doch dort sind die Regeln herkömmlicher juristischer Auseinandersetzungen nicht selten außer Kraft gesetzt. Zunächst einmal spielt es in einem Konflikt zwischen Blogger und Unternehmen weniger eine Rolle, wer im Recht ist. Wichtiger ist es stattdessen, wer besser kommuniziert. Denn die Autoren sind außergewöhnlich gut vernetzt. Sie verhalten sich in der Gruppe solidarisch und helfen sich gegenseitig.

Ein Konzern, der sich mit einem einzelnen Blogger anlegt, kämpft in Kürze gegen eine ganze Meute an Internetautoren. Diese haben Kontakte zu klassischen Medien, einige von ihnen sind Rechtsanwälte und Journalisten, die ihrem bedrohten Blogger-Kollegen mit Tipps helfen.

Die wichtigste Lektion für Unternehmen im Umgang mit dem Internet ist es deshalb, solche Kritik ertragen zu lernen.Mit großem juristischem Kaliber, wie zum Beispiel einer harschen Klage auf einzelne Internetautoren zu schießen, ist dem Ansehen eines Konzerns im Netz eher abträglich.

Selbst wenn die Kritik unerträglich ist, sollten Unternehmen, die auf ein gutes Markenimage angewiesen sind, zunächst das Gespräch mit dem kritischen Internetautoren suchen.

Ein klärendes Gespräch mit dem Blogger erwirkt oft eine bilaterale Lösung. Möglich ist es auch, sich auf eine Löschung der kritischen Texte im Netz zu einigen oder eine positive Berichterstattung als Ausgleich für die Kritik vom Blogger zu verlangen.

Sollte eine solche Lösung des Problems nicht erreichbar sein, kann ein Unternehmen immer noch juristisch durchgreifen. Dann aber sollte die Kommunikationsabteilung darauf achten, transparent über den Fall zu berichten. Denn auch die Zeit abgeschotteter Gerichtsverhandlungen ist vorbei. Nur wenn eine Firma im Streit mit einem Blogger auch Zugriff auf die Dokumente gewährt und die eigenen Argumente offenlegt, macht sie sich verständlich.

Wer dagegen am herkömmlichen unternehmerischen Verhalten im Streitfall festhält und schweigt, muss mit dem Unverständnis von Bloggern und den durch sie alarmierten Journalisten rechnen. Dann wird es die Netzgemeinde sein, die durch stete Veröffentlichungen im Netz Fakten schafft - und das Image des betroffenen Unternehmens empfindlich beschädigen kann.

Transparente Strategie

Für Konzerne ist diese Umstellung der Strategie eine Herausforderung. Im Gegensatz zum einzelkämpfenden Blogger müssen sich Marketingabteilung, Chefetage und Juristen absprechen. In der Zwischenzeit hat der Blogger seine Sicht der Dinge schon längst publik gemacht.

Aber Unternehmen und Anwälte, die eine transparente Strategie konsequent verfolgen, schaffen auch auf technischer Ebene einen Gegenpol zu den kritischen Bloggern. Die Firmenwebseite mit den eigenen Aussagen wird auch von Google gefunden - und verdrängt so die kritischen Blog-Einträge von den oberen Plätzen der Google-Trefferliste.

Dies gilt vor allem dann, wenn sich die Netzgemeinde auf die Seite des Unternehmens schlägt und viele positive Beiträge über das Unternehmen entstehen und sein aus Bloggersicht lobenswerter und transparenter Umgang mit Kritik und juristischem Streit zu lesen sind. Das ist unter Umständen erstrebenswerter als ein eindeutiges Urteil zugunsten der Firma und gegen den Blogger. Denn heute heißt es nicht mehr: "Wir sehen uns vor Gericht." Sondern: "Wir sehen uns im Netz."

© SZ vom 07.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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