Kommunikation im Internet:"Die Intelligenz nimmt zu"

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Macht das Internet dumm? Medienpsychologe Jo Groebel widerspricht und erklärt, warum online geknüpfte Beziehungen länger halten.

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Herr Professor Groebel, der Harvard-Professor Nicolas Carr hat eine aktuelle Diskussion mit der These ausgelöst, dass das Internet eine immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne bedingt. Das führe letztlich zu einer fortschreitenden Verdummung. Ist dem tatsächlich so?

Medienpsychologe Jo Groebel (Foto: Foto: Christoph Sahner)

Jo Groebel: Die Auferksamkeitsspanne nimmt tatsächlich ab. Aber das ist kein Phänomen, das erst mit dem Internet aufgetreten ist. Generationen, die mit dem Fernseher sozialisiert wurden, haben auch mehr Schwierigkeiten, sich beispielsweise in ein Buch zu vertiefen.

Aber gleichzeitig nimmt die verbale und visuelle Intelligenz zu. Der Mensch passt sich den neuen digitalen Zeiten an, er kann viel mehr Informationen wie Texte und Bilder verarbeiten. Seine Reaktionsgeschwindigkeit nimmt zu. Studien zeigen, dass gerade Computerspiele für diese Fähigkeiten ein idealer Trainingsplatz sind.

sueddeutsche.de: Die neuen digitalen Zeiten bedeuten auch, dass der Mensch 24 Stunden am Tag online sein kann. Wie reaktionsschnell muss man sein, um mithalten zu können?

Groebel: Das Internet führt dazu, dass man denkt, dass jedes Bedürfnis unmittelbar befriedigt werden muss. Wer 24 Stunden am Tag Informationen finden, shoppen oder Musik herunterladen kann, macht dies auch. Das Problematische dabei ist aber nicht nur, dass das unter Umständen zu einem Impulskauf verleitet.

Das Risiko ist vielmehr, dass der Entscheidungsdruck für jeden Einzelnen zunimmt. Es gibt keine Bedenkzeit mehr, Auszeiten sind nicht mehr möglich. Wer erstmal eine Woche über eine Sache nachdenken will, dem wird das sofort als Schwäche ausgelegt. Das kann man derzeit gut bei Kurt Beck und dem Fall Clement beobachten. Aber das gilt nicht nur für Politiker.

sueddeutsche.de: Aber führt das Internet mit seinem einfachen Zugang zu Informationen nicht gerade dazu, dass man seine Entscheidungen mit mehr Wissen, also überlegter trifft?

Groebel: Nein. Die große Fülle an Informationen wie man sie beispielsweise bei einer Google-Suche bekommt, sind eher eine Last als eine Hilfe. Der Mensch kann sie gar nicht sortieren und einordnen.

sueddeutsche.de: Der Mensch, das hilflose Internet-Wesen?

Groebel: Zum einen gibt es Versuche, mit dem semantische Web Inhalte sinnvoll zu verknüpfen. Zum anderen haben wir vielfältige Communitys. Mit ihnen ist auch etwas ganz Neues entstanden. Erstmals hat das persönliche Umfeld, die Peer-Group, nicht nur eine Sozialisationsfunktion. Die virtuelle Gemeinsachaft ist nun auch für die Information ihrer Mitglieder zuständig. Das hat auch Einfluss auf die traditionellen Medien. Informationen, die aus der Community entnommen werden, sind für deren Mitglieder glaubwürdiger.

sueddeutsche.de: Verlieren die tradionellen Medien an Bedeutung bei der jungen Generation?

Groebel: Sie verlieren nicht an Bedeutung, aber sie werden anders gewichtet. Traditionelle Medien sind nicht mehr per se glaubwürdig. Nur wenn ihre Inhalte von der Community geprüft wurden, sind sie authentisch.

sueddeutsche.de: Ist authentische Kommunikation im Internet also einfacher?

Groebel: Kanadische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Beziehungen, die über das Internet zustande gekommen sind, länger halten als auf herkömmlichem Weg entstandene Paarbeziehungen. Die Kommunikation zu Beginn ist, weil sie online stattfindet, ehrlicher. Die Menschen präsentieren sich unverstellter. Im Internet sind keine traditionellen Flirtregeln mehr nötig.

Jo Groebel leitet seit 2006 das kleine Deutsche Digital Institut in Berlin. Zuvor war er Generaldirektor des Europäischen Medieninstituts Düsseldorf/Paris sowie Professor für Medienpsychologie an verschiedenen Universitäten.

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