Silicon Valley:Facebook und Google arbeiten an einer besseren Welt - aber nicht für ihre Nutzer

Google Data Center

Wasserleitungen in Googles Rechenzentrum in Oregon.

(Foto: Google/dpa)

Anbeißen, belohnen, investieren: Das Versprechen von Facebook und Co. bedeutet in Wahrheit, dass Menschen sich so verhalten, wie die Konzerne es wünschen.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Es ist das große Versprechen von ungefähr jedem Start-up aus dem Silicon Valley: "Wir machen die Welt zu einem besseren Ort!" In keiner Rede darf der Satz fehlen. Bekäme man jedes Mal einen Dollar, wenn er fällt, hätte man wohl binnen Wochenfrist genug Geld im Safe, um selbst eine Firma zu gründen. Klar, der Satz ist eine Floskel, aber man sollte ihn schon ernst nehmen. Denn er ist der Glaubenssatz aller Digitalunternehmen. Vor unseren Augen programmieren sie eine neue Welt; wir halten sie in unseren Händen, sei es in Form von Smartphones, Downloads oder Laptops.

Der Code dafür kommt Zeile für Zeile aus Kalifornien. Wir wissen also, dass diese Menschen vorgeben, an einer besseren Welt zu arbeiten. Die Frage ist nur: Für wen entsteht diese bessere Welt? Die Antwort: Nicht für uns.

Die Innovationen der Technologiebranche dienen nicht den Menschen, auch wenn es vielleicht so aussieht. Jede App untersucht die Verweildauer ihrer Nutzer, jede Webseite misst die Bewegungen der Maus pixelgenau, bald liest jedes E-Mail-Programm die Antworten mit und schlägt automatisch vor, was wir erwidern sollen, künstlicher Intelligenz sei Dank. Optimieren nennen sie das. Es bedeutet, dass jede Handlung atomisiert wird. Chatten, surfen, arbeiten? Alles wird in Millisekunden zerlegt und analysiert. Update für Update wird den Ergebnissen angepasst. In der Folge bewegt sich die Maus zielgerichteter, die App bleibt länger geöffnet, die E-Mail wird schneller beantwortet.

Der Ansatz ist hervorragend. Jedes neue Produkt ist effizienter als das alte. Ein Leben im Komparativ. Die Arbeit wird fixer erledigt, Menschen sind schneller informiert. Sie haben anschließend mehr freie Zeit. Doch das ist nur der erste Teil. Es ist die Erfolgsstory, an die wir gerne glauben, wenn wir unsere Verwandten im Video sehen können, einfach per Videoanruf mit dem Smartphone. Die Story der besseren Welt wirkt glaubwürdig, wenn wir Facebook öffnen und über drei, vier Ecken live dabei sein können, wenn Geschichte geschrieben wird. Eine bessere Welt - sie muss für uns sein.

Kunden sollen Produkte so oft wie möglich nutzen. Das Gegenteil wäre wünschenswert

Doch das ist eine Scheinvorstellung. Dazu reicht es, sich die Atomisierung näher anzuschauen. Was genau passiert denn da? Die Menschen werden auf sehr subtile Weise gescannt. Jede Handlung ist so weit durchschaubar, dass sie sich planen lässt. Die Experten sprechen von "Hooks". Menschen sollen anbeißen (die App öffnen), auf einen "Trigger" reagieren (einen Link anklicken), belohnt werden (der Link war gut) und anschließend investieren (den Link teilen).

Dieser letzte Schritt ist das Ziel aller Atomisierung. Die Geschäftsidee lässt sich in einer Frage zusammenfassen, anhand derer das Valley operiert. Sie lautet: Wie bringen wir Menschen dazu, unser Produkt erneut zu nutzen? Wohlgemerkt, sie lautet nicht: Wie kreieren wir ein so gutes Produkt, dass Menschen es nicht ununterbrochen nutzen müssen?

Die Firmen aus dem Valley analysieren die Wünsche, die Menschen haben, mischen ihre eigenen Begehrlichkeiten mit unter, und bieten das Ergebnis als Download an. Da sich das Geschäft an den Wünschen der Menschen orientiert, glauben sie, dass das Versprechen der besseren Welt als an sie gerichtet ist. Welch Irrtum!

Die freie Zeit, die entstanden ist, Millisekunde um Millisekunde, ist keine Freizeit. Facebook, Google und Twitter sorgen dafür, dass wir sie mit ihren Apps verbringen. Es geht also nicht um ein besseres Leben für die Menschen, sondern um Wachstum für die Digitalunternehmen. Aus einer guten Idee wird nur ein gutes Geschäft. Mehr nicht.

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