Kinder & Internet:Schutz vor Schmutz im Netz

Der Jugendschutz im Internet steckt immer noch in den Kinderschuhen. Technische Lösungen helfen kaum, die kleinen Nutzer vor Pornographie und Betrügern abzuschirmen. Doch es gibt wegweisende Ausnahmen.

Von Ingo Arzt

Ein Pädophiler lernt in einem Chat ein Kind kennen, schreibt dessen Namen auf seinen erigierten Penis und schickt dem Kind das Bild. Nicht alle Gefahren, denen Kinder beim Surfen im Internet ausgesetzt sind, sind so eindeutig.

Blinde-Kuh.de,Screenshot

Die Fälle, die Friedemann Schindler von jugendschutz.net zeigt, sind subtiler: Ein Pokémon-Bild auf einer T-Online-Seite, um Kinder zu ködern - klickt man drauf, lauert ein kostenpflichtiger Dialer auf die Surfer.

Wie können Kinder im World Wide Web davor geschützt und gleichzeitig kindgerechte Angebote unterhalten werden? Über diese Frage diskutierten diese Woche Experten der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), der Evangelischen Kirche Deutschland, des Deutschen Kinderhilfswerk sowie Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft.

Längst gehört das Medium für Kinder zum Alltag. Ein Verbot für Kinder greift daher zu kurz. Ein kindgerechtes Internet sollte Aufgabe für alle sein: für Anbieter von Internet-Diensten, für Eltern, Pädagogen und für die Politik. Alle müssen zusammenarbeiten. Eltern sollten das Internet-Angebot für ihre Kinder prüfen.

Das fängt bei den Chats an. Dirk Höschen, Medienreferent des Deutschen Kinderhilfswerks, führt Richtlinien für Kinderchats an: Moderatoren, die alle Beiträge vorab lesen, keine Flüsterfunktionen, bei denen Botschaften von Chatter zu Chatter geschickt werden. So kann verhindert werden, das Kinder Opfer sexueller Anmache werden.

Schwarze Schafe aussperren

Durch Protokolle der IP-Adressen von Chattern können schwarze Schafe leichter gesperrt werden. Außer den Moderatoren sollten keine Erwachsenen zugelassen sein. Beispiele hierfür sind www.kindersache.de. Auf der ZDF-Kinderseite www.tivi.de müssen sich Chatter identifizieren.

Ein Negativbeispiel ist www.knuddels.de. Knuddels ist ein Chat, der mit niedlichen Figuren für Kinder interessant erscheint, aber eine Flirtseite für Erwachsene ist. Die Anmeldung für Kinder ist kein Problem. Unter dem Foto einer 14-Jährigen finden sich dort Einträge wie "Saabberrr! Du siehst geil aus!" Unter www.jugendschutz.net kann eine Broschüre zum Thema "Chatten ohne Risiko" bestellt werden.

Durch sichere Kinder- und Jugendseiten allein wird das Problem aber nicht gelöst. Zum einen können Eltern nicht kontrollieren, auf welchen Seiten ihre Kinder surfen: Zugänge zum Internet gibt es mittlerweile an jeder Straßenecke. Noch schwieriger wird es, wenn mit UMTS-Handys mobile Internet-Zugänge zum Alltag gehören werden. Zum anderen wollen sich viele Kinder durch den Konsum von Erwachsenenseiten erwachsen fühlen, wie Burkhard Fuchs von der Universität Erfurt sagt.

Schutz vor Schmutz im Netz

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag regelt zwar, was unzulässige Inhalte für Kinder im Internet sind. Doch Gesetzesverstöße sind wesentlich häufiger als im Fernsehen, weil ihre Ahndung schwieriger ist, wie die Leiterin der KJM-Stabstelle in München, Verena Weigand, sagt.

Eine illegale deutsche Internetseite auf einem Server auf den Bahamas - und die Prüfer stehen vor unlösbaren Aufgaben. Selbst innerhalb der EU gibt es kaum einheitliche Regeln. Technische Lösungen bieten nur wenig Schutz: Zwar gibt es Programme, die indizierte Internetseiten im Browser sperren können. "Wir können aber keines wirklich empfehlen", sagt Weigand. Zu leicht sind die Mechanismen auszuhebeln - etwa, in dem die Anbieter die IP-Adresse ändern.

Negativliste für Werbung

Die richtige Konzipierung von Suchmaschinen könnte verhindern, dass jugendgefährdende Seiten in den Trefferlisten auftauchen. Zwar versucht etwa MSN mit der neuen Seite www.internauten.de, Kindgerechtes anzubieten. Doch am Grundproblem wird nicht gearbeitet, so Stefan Müller, Geschäftsführer von Blinde Kuh e.V. Die Suchmaschine www.blinde-kuh.de liefert nur kindgerechte Suchtreffer.

Mit automatischen Suchalgorithmen wie bei Google, MSN oder Yahoo sei diese Qualität nicht zu erreichen, so Müller. Bei Blindekuh gibt es redaktionelle Nachbearbeitungen der Suchtreffer. "Auch die Großen könnten das tun, wenn sie nur wollten", so Müller. Nur koste das Geld und das Eingeständnis, dass die gepriesenen Suchalgorithmen eben doch nicht perfekt sind.

"In Deutschland haben sich als einziges funktionierendes Finanzierungsmodell für Kinderseiten Marketing und Werbung erwiesen", sagt Christopher Schering von der Cobra.Youth GmbH. Ein gebührenfinanziertes Internet ist aber weder wünschenswert noch durchzusetzen. Und Werbung auf Kinderseiten müsste sich, wie Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung sagt, an Regeln halten wie das Verbot zweifelhafter Kaufangebote.

Er fordert zudem eine Negativliste von Produkten, die nicht beworben werden dürfen. Friedemann Schindler appelliert vor allem an die Internet-Anbieter: Sie müssten "eine gemeinsame Verantwortung entwickeln".

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