Karlsruher Urteil zu Nutzerdaten:Nur ab und zu ein wackliges Stoppschild

Das Bundesverfassungsgericht schränkt den Zugriff von Ermittlern auf Telekommunikationsdaten ein, die Justizministerin und andere liberale Rechtspolitiker loben die Entscheidung. Dabei ist das Urteil nicht nur zu vorsichtig, sondern auch noch schlecht formuliert.

Heribert Prantl

Karlsruhe ist müde; das Bundesverfassungsgericht hat sich offenbar bei seiner 60-Jahr-Feier verausgabt. Jedenfalls kommt schon wieder eine seltsam gewundene, schlecht formulierte und entschlussschwache Entscheidung vom dortigen Ersten Senat: Der jüngste Beschluss zum Telekommunikationsgesetz wird zwar von Datenschützern, der Bundesjustizministerin und liberalen Rechtspolitikern gelobt. Aber zu loben gibt es nicht so arg viel.

Die Richter haben nichts gegen die Massenabfragen (derzeit 26,6 Millionen!) von Kommunikationsdaten gesagt. Nur dort und da hängen sie vor deren Nutzung ein wackeliges Stoppschild.

Keine große Entscheidung

Mit den großen Entscheidungen der vergangenen Jahre, in denen das Gericht ein Sicherheitsgesetz nach dem anderen zerlegte, hat das wenig zu tun. Es besteht die Gefahr, dass aus der informationellen Selbstbestimmung eine informationelle Fremdbestimmung wird, weil sich die Behörden aus dem Teledaten-Vorrat nach Belieben bedienen können.

Gut, der Zugriff auf Passwörter und PIN-Codes wurde ein wenig erschwert. Aber es ist hier so, als genierten sich die Richter auch dafür noch. Sie verstecken die neuen Anforderungen hinter folgender beschwichtigend-unverständlichen Formulierung: Die Auskunftserteilung sei hier "an diejenigen Voraussetzungen zu binden, die bezogen auf den in der Abfragesituation damit konkret erstrebten Sicherungszweck zu erfüllen sind". Wie bitte?

Wenn Karlsruhe will, dass künftig auf Codes und elektronische Postfächer nur mit einer richterlichen Anordnung zugegriffen werden kann, dann möge es dies klar und verständlich sagen. Offenbar hat das Gericht zum 60. Jubiläum eine Entscheidungs-Verschlüsselungs-Anlage geschenkt bekommen.

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