Kampf um Verschlüsselung:Apple gegen FBI: Freut euch nicht zu früh

FBI accesses San Bernardino gunman's iPhone, says it doesn't need

Apple hat sich monatelang geweigert, dem FBI zu helfen, ein iPhone zu knacken - mit Erfolg.

(Foto: dpa)

Die mächtigste westliche Sicherheitsbehörde hat sich im Streit um das verschlüsselte iPhone blamiert. Doch so schnell wird sie sich nicht geschlagen geben.

Kommentar von Simon Hurtz

Der Verlierer scheint klar: Das FBI hat sich mit Apple angelegt und musste erkennen, dass es seinen Einfluss überschätzt hat. Anderthalb Monate hat die mächtigste Polizeibehörde der westlichen Welt versucht, das wertvollste Unternehmen der Welt zu zwingen, die Verschlüsselung eines iPhones zu knacken. Die Wirtschaft hat sich gegen den Staat durchgesetzt - vorerst.

Das FBI sagte: Es geht um nationale Sicherheit. Wir sind auf eure Hilfe angewiesen, um an die Daten zu kommen. Jetzt haben FBI und Justizministerium offenbar doch eine Methode gefunden, das iPhone des San-Bernardino-Attentäters auszulesen. Entweder lagen die staatlichen Sicherheitsexperten mit ihrer Analyse komplett daneben - oder sie haben ihr Wissen verheimlicht, weil sie hofften, eine Hintertür für alle iPhones zu erhalten. Inkompetenz oder Lüge, beide Optionen sind wenig schmeichelhaft.

Der Streit ist nur vertagt

Apple hatte die Hilfe bei der Entschlüsselung verweigert. Der Konzern argumentierte: Es geht um Sicherheit und Privatsphäre. Ihr habt die technischen Möglichkeiten, das iPhone ohne unsere Unterstützung zu entschlüsseln. Wir werden euch nicht helfen, weil wir keinen Präzedenzfall schaffen wollen. Das FBI zog vor Gericht, Apple blieb standhaft.

Es bleiben viele Fragen offen: Welche Methode hat das FBI verwendet, um die Verschlüsselung zu überwinden? Wer hat dem FBI geholfen? War es, wie kürzlich vermutet, die israelische Firma Cellebrite, die am 21. März rund 15 000 Dollar vom FBI erhalten hat? Ist die Sicherheitslücke auf andere iPhones übertragbar? Besitzt die Behörde nun also den Generalschlüssel, um Hunderte Millionen Smartphones zu knacken? Wird das FBI die Erkenntnisse an Apple weitergeben, damit zukünftige iOS-Versionen dagegen abgesichert werden können, wie es etwa die Electronic Frontier Foundation fordert?

Der Kampf nützt Apples Selbstinszenierung als Datenschützer

Von offizieller Seite gibt es dazu keine Auskunft. Justizministerium und FBI sagen nur, dass sie ein iPhone 5c mit iOS 9 geknackt hätten. Wie sie das angestellt haben, ob sie dabei hilfreiche Daten gefunden haben, welchen anderen Behörden und Geheimdiensten sie die Methode verraten werden, das ist alles unklar.

Trotzdem kann sich Apple als Sieger fühlen. Das Unternehmen habe sich von Anfang an dagegen gewehrt, eine Hintertür in das iPhone einzubauen. "Dieser Fall hätte niemals vor Gericht landen sollen", heißt es in einer Stellungnahme. Apple hat jahrelang öffentlich betont, wie wichtig Privatsphäre sei. Im Gegensatz zu anderen Firmen verdiene man kein Geld an den Daten der Nutzer und werde sie mit allen Mitteln vor fremden Zugriff schützen. Dieses Image hat durch den Streit mit dem FBI an Glaubwürdigkeit gewonnen.

Das FBI will immer noch einen Präzedenzfall schaffen

Tatsächlich geht es um viel mehr als um das San-Bernardino-iPhone. Erst Ende Februar beklagte sich der Staatsanwalt von Manhattan, dass allein in seiner Behörde 175 verschlüsselte iPhones die Strafverfolgung erschwerten oder unmöglich machten. Aktuell laufen in den USA neun weitere Prozesse, in denen staatliche Ermittlungsbehörden von Apple fordern, die Verschlüsselung von insgesamt elf iPhones und einem iPad zu knacken.

Ganz bewusst hat sich das FBI bei jedem einzelnen dieser Fälle auf ein Gesetz aus dem Jahr 1789 berufen. Der "All Writs Act" würde Bundesrichtern das universelle Recht geben, Apple zur Mithilfe zu zwingen. Aus einem Einzelfall wäre ein Präzedenzfall geworden.

"In sechs Monaten oder einem Jahr werden wir uns hier wiedersehen", sagte Chris Soghoian von der Amerikanischen Bürgerrechtsunion. Er meint: Apple und FBI sind sich nicht zum letzten Mal vor Gericht begegnet. Schon bald werde es ein neues iPhone mit besserer Verschlüsselung geben - und wenn die Ermittler keinen Weg finden, es zu knacken, würden sie es erneut auf juristischem Weg versuchen.

Apple hat eine Schlacht gewonnen, aber weitere stehen bevor

Dabei sind die Auseinandersetzungen zwischen US-Ermittlern und Apple nur Teil einer größeren Debatte: Weltweit versuchen Regierungen, Tech-Firmen zur Kooperation zu zwingen. Längst hat der Streit auch Deutschland erreicht. Verschlüsselung schützt die Privatsphäre der Nutzer, sagen die einen, Verschlüsselung hilft den Terroristen, sagen die anderen.

Die Attentäter von Paris haben vermutlich nicht verschlüsselt kommuniziert, sondern Wegwerf-Handys genutzt. Bislang haben Ermittler noch nicht nachgewiesen, dass mehr Hintertüren weniger Terror-Opfer bedeuten würden. Trotzdem werden nach jedem Terroranschlag die Rufe lauter, dass Sicherheit wichtiger sei als Privatsphäre. Apple hat nur eine Schlacht gewonnen. Der eigentliche Krypto-Krieg beginnt erst.

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