Künstliche Intelligenz:Der Computer, ein fehlbares Wesen

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Maschinen können Menschen ein gutes Gefühl geben - zum Beispiel, dass sie der Technik überlegen sind.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

Ein japanischer Brettspiel-Computer lässt den Menschen fast immer gewinnen - und ist deshalb besonders beliebt.

Von Thomas Hahn, Tokio

Es begann damit, dass Takuma Yoshida an das Naheliegende dachte: Der Programmierer einer Tokioter Software-Firma wollte einen möglichst starken Computer für das Brettspiel Othello erschaffen. Einen Gewinnertypen sozusagen. Aber dann kam ihm eine kühnere Idee: Warum nicht einen Verlierer in die Welt setzen? So entstand "Der schwächste Othello-Computer", ein Programm, das sich in Japan als Renner erweist. Binnen vier Monaten haben 400 000 Menschen dagegen gespielt und bis Ende November 1,29 Millionen Mal gewonnen.

Viele Menschen scheinen solche Siege nötig zu haben. So zumindest deutet Takuma Yoshida selbst den Erfolg seiner Schöpfung. Normalerweise sei es schließlich umgekehrt: Maschinen mit Künstlicher Intelligenz stehen für mühelose Perfektion, gegen die sich der Mensch vergeblich abstrampelt. "Genau deshalb finden viele die Erfahrung so erfreulich, den Computer zu bezwingen", sagt Yoshida in der Zeitung Asahi Shimbun. Bei Othello geht es darum, so viele Spielsteine wie möglich zu gewinnen, indem man die des Gegenübers einrahmt. Das schwache Othello-Programm endet zuverlässig mit weniger Steinen, es zeigt den Computer als fehlbares Wesen und gibt dem Menschen das gute Gefühl, der digitalen Welt nicht ausgeliefert zu sein. Gönnerhaft blickt mancher Nutzer auf den unterlegenen Computer herab. "Mir tut er langsam leid", wird einer zitiert.

Künstliche Intelligenz dringt immer tiefer in den Alltag vor. Mit ihr sind große Hoffnungen verbunden - aber manchmal auch ein Gefühl von Vergeblichkeit. Kürzlich erst hat Lee Se-Dol, Meister des chinesischen Strategiespiels Go, seine Profikarriere beendet, weil er keinen Sinn mehr darin sah, gegen unbezwingbare Computer anzutreten. Und der Roboter-Forscher Michio Okada von der Toyohashi University of Technology hat in Versuchen nachgewiesen, dass gerade ältere Menschen und Kinder lieber mit Robotern in Kontakt treten, die in ihren Aufgabenfeldern nicht perfekt sind. Er plädiert für "eine Welt, in der eine Vielfalt von Maschinen mit künstlicher Intelligenz erschaffen wird".

Yoshida bedient mit seinem Verlierer-Computer also eine Sehnsucht nach Überlegenheit. Allerdings ist diese Überlegenheit auch nur künstlich. Denn Yoshidas Othello-Computer verliert nur deshalb, weil er so programmiert ist, als wäre es das Ziel des Spiels, am Ende nicht mehr, sondern weniger Steine zu haben. Er findet immer einen Weg, dieses Ziel zu erreichen. Er ist perfekt im Verlieren, man fragt sich fast, wie er in den ersten Monaten seines Bestehens trotzdem noch auf 4000 Siege kommen konnte. Für seine Gegner ist es wirklich schwierig, gegen ihn unterlegen zu sein. "Ergibt das überhaupt Sinn?", fragt sich der Brettspielcomputer-Experte Benjamin Aldag.

Dienstleistungen für Menschen, die Erfolgserlebnisse brauchen

Aldag selbst ist Schachspieler. In seinem Sport ist die Technik längst so weit, dass der Mensch keine Chance mehr hat, wenn es der Computer nicht will. Ein Schachcomputer, der verlieren soll, wäre wiederum wohl schnell matt. Der Computer gilt hier nicht als Übermacht, sondern als Partner, der sich verschiedenen Niveaus anpassen kann und dadurch hilft, mit jeder Partie etwas zu lernen. "Wenn der Computer so spielt, dass der Mensch eine Strategie erfolgreich anwenden kann" - das wäre für Benjamin Aldag ein klug programmierter Spielbrettcomputer. Sichere Siege findet er uninteressant.

Othello ist erst zu Ende, wenn das Brett voller Steinen ist. Deshalb kommt durchaus ein Spiel zustande, auch wenn der Computer nur seine eigene Niederlage inszeniert. Aber die Siege, die er vergibt, sind eher Dienstleistungen für Menschen, die Erfolgserlebnisse brauchen. Othello könnte man auch ganz anders spielen, um dem schlechten Gefühl zu entgehen, einer Maschine unterlegen zu sein: Mensch gegen Mensch, ganz normal.

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