15 Jahre WWW:Die Revolution begann im Keller

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Vor 15 Jahren machte die erste WWW-Software das Internet massentauglich. Keine andere Technologie hat sich so schnell zu einem Massenphänomen entwickelt. Ein Rückblick.

Helmut Martin-Jung

Am Anfang stand ein Problem. Eigentlich war es eher ein Berg von Problemen, ein Haufen Informationen, der immer unübersichtlicher zu werden drohte. Am Elementarteilchen-Forschungszentrum CERN bei Genf arbeiteten so viele Wissenschaftler aus allen Teilen der Welt, dass man dringend eine Technik brauchte, um die entstehende Informationsflut nicht nur zugänglich zu machen, sondern die einzelnen Dokumente, Daten und Diagramme auf verschiedensten Computern der Erde miteinander zu verknüpfen. Der britische Physiker und Software-Entwickler Tim Berners-Lee, seinerzeit im Computerzentrum des CERN beschäftigt, erkannte in der Lösung dieses Problems nicht nur ein Werkzeug für Physiker. Das Internet, glaubte er, habe das Zeug, die Welt zu verändern.

Software-Entwickler Tim Berners-Lee glaubte vor 15 Jahren fest daran: Das Internet habe das Zeug, die Welt zu verändern. Er sollte recht behalten. (Foto: Foto: ap)

Er gab dem bereits in 1969 von Pentagon-Planern erdachten, weltweiten Computernetz ein neues Gesicht. Ein anderes als jenes, das das Internet der 1980er Jahre charakterisierte. Damals war das Internet ein nur für Eingeweihte benutzbarer, zerstückelter Mischmasch aus Netzen und Diensten. Viele der seinerzeit üblichen Anwendungen wie Wais und Gopher kennt heute kaum noch jemand. Dass das so ist, liegt an der Erfindung des stets bescheiden auftretenden Briten Berners Lee. "Die Idee World Wide Web hervorzubringen war, als ob man ein Streichholz in eine Scheune wirft, die voll Stroh ist. Es war nur der erste Akt", sagte Berners-Lee einmal.

30. April 1993: Der erste Datenstrom im WWW

World Wide Web, so lautete der Name seiner ersten Software, mit der sich Dokumente anzeigen ließen, die durch sogenannte Links verbunden waren. Die Wissenschaftler vor allem am Cern konnten die Software von 1990 an nutzen, allerdings nur an wenigen Computern weltweit. Was fehlte, war ein Browser, mit dem auch normale PCs diese neue Möglichkeit des Informationsaustauschs bewältigen konnten. Im Frühjahr 1991 war auch das geschafft. Und am 30. April 1993, vor genau 15 Jahren also, gab Berners-Lee mit Genehmigung seines Arbeitgebers schließlich ein Bündel von Software für das World Wide Web zur allgemeinen Nutzung frei. Das war Software, die man brauchte, um Browser zu erstellen oder Rechner in das Internet einzuklinken, die Dateien an andere Computer weitersenden, sogenannte Server.

Züge einer Revolution aber nahm die das WWW allerdings erst durch die Entwicklung eines anderen Pioniers an, Marc Andreessen. Der Student entwickelte im Keller des National Center of Supercomputing in Urbana Champaign im US-Bundesstaat Illinois den ersten Browser namens Mosaic, der sich per Maus bedienen ließ und Bilder sowie Grafiken anzeigen konnte. Am 22.April 1993 stand die erste Version zum Download bereit. Bis dahin war das Web nur eine Sache für Wissenschaftler, die sich nicht an den Widrigkeiten eines rein textbasierten Browsers störten.

Schon Ende 1993 waren tausende online

Mit Mosaic, aus dem später der Browser Netscape hervorging, wurde der Grundstein gelegt für das World Wide Web, wie man es heute kennt. Bevor die Software veröffentlichtlicht wurde, waren weltweit nur einige hunderte Rechner im Web zusammengeschlossen, Ende 1993 waren es bereits mehrere Tausend.

Ein Jahr nach der Mosaic-Inititialzündung gründete Jeff Bezos das Unternehmen Amazon - heute der größe Internethändler der Welt. Im März 1995 machten David Filo und Jerry Yang ein Unternehmen mit dem seltsamen Namen Yahoo auf, das ein weiteres Jahr später bereits an die Börse ging, während Software-Riese Microsoft die Entwicklung verschlief und heute Yahoo kaufen will. Ende 1998 stellten die Studenten Larry Page und Sergej Brin die Testversion einer neuen Internet-Suchmaschine ins Netz, und bald überholte Google die zuvor dominierende Suchmaschine Altavista.

Heute: 52 Millionen deutsche Surfer

Heute nutzen 1,3 Milliarden Menschen auf der Erde das Internet, und für die meisten ist es gleichbedeutend mit dem Web von Tim Berners Lee. "Keine andere neue Technologie hat sich so schnell zu einem Massenphänomen entwickelt", sagt August-Wilhelm Scheer, Präsident des deutschen Branchenverbandes Bitkom. Allein in Deutschland nutzen 52 Millionen Menschen das Internet, 63 Prozent der Bevölkerung, zwölf Millionen Adressen mit der Endung .de sind registriert.

Das Internet selbst, so sehen es wenigstens seine Kritiker, ist mit dem Web wieder zu einem Heuhaufen geworden, in dem die interessanten und relevanten Informationen oft nur schwer zu finden sind.

© SZ vom 30.04.2008/sam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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