iTunes sozial:Ping und "Ka-Ching!"

In seiner neuen Version wird Apples Musikverwaltungsprogramm iTunes sozial. Darin steckt allerdings kein reiner Altruismus, sondern ganz eigennütziges Gewinninteresse.

Lena Jakat

Das neueste Wunderding aus Steve Jobs' Traumfabrik trägt das "i" nicht vor sondern im Namen. Es hat kein schickes Stahlgehäuse und keinen Touchscreen. Ping - Nerd-Sprech für kontaktieren - ist ein Feature der zehnten, gestern von Jobs in San Francisco vorgestellten Version von iTunes. Das Musikprogramm funktionierte bislang vor allem als digitales CD-Regal und Einkaufswagen. Mit Ping soll es zur gemütlichen Shopping-Tour mit Freunden avancieren.

Die Social-Network-Erweiterung sei "eine Art Mischung zwischen Facebook und Twitter, die auf iTunes trifft", sagte Apple-Chef Jobs über den neuen Dienst. Das trifft die Funktionsweise in der Tat ganz gut: Das Programm ermöglicht iTunes-Nutzern, ihre Profile anzulegen, Bekannte wie Musiker zu Freundeslisten hinzuzufügen und ihre Aktivitäten zu verfolgen. Die drehen sich, im Unterschied zu anderen Netzwerken, nach der Idealvorstellung des Multimedia-Konzerns allerdings ausschließlich um Musik. Statusmeldungen von Freunden könnten dementsprechend lauten: "Susi: Das neue Album von Arcade Fire - ganz großes Tennis", oder "Lars hat soeben My Casetteplayer von Lena gekauft."

Ziel dieses sozialen Marketinginstruments ist es, ein möglichst genaues Konsumprofil der iTunes-Kunden zu erhalten - und sie mit möglichst zielgerichteten Kaufanregungen zu versorgen. Bemühungen in diese Richtung ließ bereits die Jukebox-Funktion Genius der bisherigen iTunes-Variante erkennen - der Dienst generierte automatisch Playlisten aus Songs die "gut zueinander passen" und schlug dem User ähnliche Titel zum Kauf vor. Auch Genius griff dafür bereits auf die Mediatheken anderer iTunes-Kunden zu und glich sie miteinander ab.

Beerdingung von MySpace?

Ping ähnelt in seiner Funktionsweise aber auch anderen Musikplattformen im Netz wie zum Beispiel last.fm oder Rdio: Bei den Online-Radios geht es um das Zusammenstellen möglichst persönlicher Playlisten. So verdreht das Tech-Magazins wired.com Jobs' Worte recht passend: "Twitter und Facebook treffen in last.fm und Rdios WG aufeinander - um die Beerdigung von MySpace zu planen", schreibt Wired-Autor Eliot van Buskirk.

Tatsächlich könnte der neue Apple-Dienst eine weitere Schwächung des Musikportals MySpace bedeuten. Die Social-Media-Plattform siecht vor sich hin, seit sie 2008 von Facebook überholt wurde. Die Newscorp-Tochter ist ein Verlustgeschäft und möglicherweise werden einige Nutzer zu Apples Ping abwandern. Doch MySpace erfüllt eine wichtige Funktion, die Apple gar nicht übernehmen könnte: Das Netzwerk ist eine Probenbühne, eine Plattform für Nachwuchskünstler, die noch Lichtjahre von einem Essential-Paket bei iTunes entfernt sind. Sie können dort sich und ihre Musik bekannt machen - kostenlos.

Warum sollte ein soziales Netzwerk, in dem sich alles nur um Musik dreht, Erfolg haben? Gibt es unter den iTunes-Kunden genügend hornbebrillte Indie-Mädchen und -Jungs, die ihre Musikfachsimpeleien fortan ins Netz verlegen würden? Fänden sich genügend ehrenamtliche Rezensenten um das System am Laufen zu halten? Was eindeutig gegen einen Flop von Ping spricht ist die schiere Masse von Nutzern. Bereits jetzt sind bei iTunes 160 Millionen Kunden registriert. Sie sind nur noch wenige Klicks von einem eigenen Profil entfernt, von der Musik-Rezension ihrer Freunde - und vor dem nächsten Einkauf bei iTunes. Ka-Ching!, um es mit Shania Twains Kassenschlager zu sagen.

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